"Man kommt hier definitiv nicht in eine 'Erasmus-Blase'."

International
Christian in der Türkei
Blick nach Verlassen des Wohnheis über Teile der Uni mit Ankara im Hintergrund

Ein Auslandsaufenthalt ist eine feine Sache. Man kann eine fremde Sprache vertiefen, bekommt Einblicke in eine andere Kultur, knüpft neue Kontakte, erweitert seinen Horizont und nebenbei macht es sich im Lebenslauf auch immer gut. Mehr als 100 Studierende der Uni Erfurt wagen diesen Schritt alljährlich. Wir haben Christian ein paar Fragen zu seinem Auslandsaufenthalt in Ankara (Türkei) gestellt.

Wo bist du und für welchen Zeitraum wirst du dort sein?
Ich bin derzeit in Ankara an der Bilkent Universität. Hier werde ich für ein Semester – also von September bis Januar – studieren und leben.

Wie begrüßt man sich dort?
Unabhängig von der Tageszeit kann man immer „Merhaba“ sagen, was einfach „Hallo“ bedeutet und sehr häufig benutzt wird. Bei Freunden kann man zudem auch etwas Persönlicheres sagen, z.B. „Salem arkadaşım“, was so viel wie „Hallo, mein Freund!“ bedeutet. Außerdem begrüßen sich Freunde zusätzlich mit zwei angedeuteten Küssen auf die Wangen.

Warum hast du dich entschieden, nach Ankara zu gehen?
Als Student der „Internationalen Beziehungen“ ist die Türkei natürlich von besonderem Interesse – in letzter Zeit aus deutscher Sicht leider häufiger negativ in den Schlagzeilen, aber das bessert sich ja momentan glücklicherweise wieder und sollte die Entscheidung meiner Meinung nach nicht beeinträchtigen. Außerdem ist die Türkei ein unglaublich schönes Land, das von den rauen, aber wunderschönen Gegenden im Nordosten bis zu den Sandstränden am Mittelmeer viel zu bieten hat. Insbesondere Istanbul ist natürlich aus touristischer Sicht ein Traum. Ich habe mich aber bewusst für das etwas ruhigere Ankara entschieden, da ich hier auf dem Campus leben kann und Ankara im Vergleich zu Istanbul als etwas „türkischer“ gilt.

Welche Erwartungen hast du an deine Zeit im Ausland und werden sie bisher erfüllt?
Hauptsächlich wollte ich natürlich ein bisschen Türkisch lernen, etwas mehr über die Geschichte der Türkei erfahren und mit Einheimischen in Kontakt kommen. Die ersten beiden Punkte (insbesondere der zweite) wurden mehr als erfüllt: Die Kurse hier sind großartig, die Uni ist super ausgestattet und die Unterrichtsklassen vergleichsweise angenehm klein. Außerdem ist der riesige Campus einfach toll. Wenn man es darauf anlegen würde, müsste man den Campus in der ganzen Zeit wahrscheinlich nur einmal zur Beantragung seiner „Resistance Permit“ verlassen – was aber bei allem, was die Türkei zu bieten hat, natürlich schade wäre. Man bekommt auf dem Campus alles für den täglichen Bedarf in Mini-Supermärkten.

Und nochmal zum dritten oben genannten Punkt: Ist es einfach, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen?
Jein. Auf der einen Seite kommt man hier definitiv nicht in die „Erasmus-Blase“. Vom ersten Tag an wird man von Leuten der ESN-Gruppe (European Student Network) an die Uni und ihre Besonderheiten herangeführt, und über sie lernt man schnell viele Studierende aus der Türkei kennen. Eher gerät man hier in die „Bilkent-Blase“: Während man viel Kontakt zu türkischen Studenten an der Uni hat, ist es sehr schwer, Kontakte zu Leuten außerhalb der Uni zu knüpfen.

Wie sind die Lebenshaltungskosten an deinem Studienort? Und wie sieht es mit Wohnraum aus?
Für Erasmus-Studenten ist das Wohnen im Wohnheim gratis, dafür muss man sich das Zimmer aber auch teilen (oder einen Aufpreis zahlen). Die täglichen Lebenshaltungskosten liegen deutlich unter denen in Deutschland, insbesondere Essen und Trinken ist sehr günstig (Alkohol ausgenommen, der ist deutlich teurer als in Deutschland).

Gibt es etwas im Studium oder täglichen Leben, das sich grundlegend von deinem Alltag in Erfurt unterscheidet? Falls ja, was und hat es dich überrascht?
Das Wohnen im Wohnheim mit einem Mitbewohner im Zimmer war natürlich eine Umstellung, die dann aber doch einfacher ging als gedacht. Außerdem unterscheidet sich die Größe der Klassen hier, wie oben angesprochen, deutlich von denen in Erfurt. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, die eher der einer Schule auf Universitätsniveau gleicht.

Was würdest du anderen empfehlen, die sich für einen Auslandsaufenthalt in Ankara entscheiden/vorbereiten?
Bewerbt euch unbedingt für ein Zimmer im Wohnheim! Für mich hat es sich sehr gelohnt, so muss ich keine zehn Minuten zum Unterricht laufen und kann das gesparte Geld in Reisen innerhalb der Türkei investieren. Und falls es euch am Ende doch nicht gefällt, ihr nicht mit eurem Mitbewohner klarkommt oder doch lieber in der Stadt wohnen wollt – was allerdings je nach Verkehr eine Busfahrt von 20 Minuten bis über eine Stunde bedeutet – könnt ihr das nach der Ankunft immer noch tun.

Foto: Der Blick nach Verlassen des Wohnheims über Teile der Uni mit Ankara im Hintergrund.