Projektforum zu Ehren von Prof. Dr. Peter Glotz

On Campus
Symbolbild Teamwork

Ein Jahr lang haben sie Ideen gesammelt, recherchiert, Fragen gestellt, Antworten gefunden, analysiert und diskutiert – jetzt stellen die Studierenden des BA-Studiengangs Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt die Ergebnisse ihrer Arbeit aus der sogenannten Projektstudienphase vor einem Publikum aus Wirtschaft, Medien und Hochschule sowie weiteren Gästen vor. Am Samstag, 5. Juli, ab 14 Uhr im Audimax der Uni, beim 13. Projektforum, das in diesem Jahr dem Gründungsvater der Erfurter Kommunikationswissenschaft und Gründungsrektor der Uni Erfurt, Prof. Dr. Peter Glotz, gewidmet ist. Glotz entwickelte gemeinsam mit seinem damaligen Assistenten Klaus Beck nicht nur das Eignungsfeststellungsverfahren, sondern verankerte insbesondere auch die Idee der zweisemestrigen Projektstudienphase im Curriculum. 2014 wäre er 75 Jahre alt geworden.

Insgesamt acht studentische Projekte werden beim diesjährigen Projektforum vorgestellt, die beste Arbeit wird mit dem Förderpreis des Erfurter Vereins für Kommunikation und Medien sowie des Herbert von Halem Verlags ausgezeichnet. Mit dem Preis werden alljährlich Projektarbeiten geehrt, deren theoretische Konzeption und empirische Umsetzung außergewöhnlich gelungen ist und die in besonderem Maße einen Brückenschlag zur Forschungspraxis leisten.
So präsentiert die Gruppe "#selbstverständlich" beispielsweise ihre Untersuchungen zur Medienkompetenz von Thüringer Jugendlichen im Kontext der Smartphone-Nutzung. "Wir wollten herausfinden wie, wo und wann Jugendliche ihr Smartphone nutzen und wie zufrieden sie damit sind", erläutern Daniel Ruppert, Christian Ruffus, Selina Schreiber, Teresa Strebel, Fabian Hellmuth, Nils Nolte und Joshua Zöller ihre Idee zum Projekt, das von Prof. Dr. Joachim Höflich betreut wurde. Projektpartner war die Thüringer Landesmedienanstalt. Ergebnis der Untersuchung: Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Smartphone-Nutzung der Jugendlichen und der Art und Weise, wie sie diese regulieren, festgestellt werden. Nur weil jemand sein Smartphone viel benutzt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass derjenige sich nicht gut regulieren kann. In Bezug auf die Selbstregulation gibt es allerdings verschiedene Typen, die sich hinsichtlich Zufriedenheit und aktiver Regulation unterscheiden: die Mainstreamer, die Souveränen, die Bemühten und die Trägen. Das Smartphone ist stark in den Alltag der Jugendlichen integriert und für viele unverzichtbar. Ihre Smartphone-Nutzung ist dabei weder an soziale Kontexte noch an Tageszeiten gebunden.

Die Gruppe "Störfaktor" indessen befasste sich mit der Reaktion von Parteimitgliedern auf politische Satire im Fernsehen. Partner des Projektes, das von Prof. Dr. Sven Jöckel betreut wurde, waren das NDR Fernsehen, die Krawinkel GbR und die Adolf Reuter Verwaltungsgesellschaft mbH. Die Ergebnisse von Juliane Lipp, Tim Belke, Katja Walter, Jan Zesewitz, Katarina Klingner, Philip Zengel und Lea Dabbert zeigen, dass kritische Inhalte über die favorisierte Partei eine kognitive Dissonanz auslösen, allerdings bedingen die Kritikformate – satirisch oder seriös – nur geringfügig, wie sie reduziert wird. Im Unterschied zu den Reduktionswegen Meinungsveränderung, selektive Wahrnehmung und Ertragbarkeit der Dissonanz war die Abwertung des Kommunikators sowohl bei den Probanden der SPD als auch der CDU abhängig von der Art des TV-Beitrags.

In der Gruppe "Vertrauensfrage" untersuchten Katharina Badenhausen, Jana Koltzau, Mira Schielke, Maximilian Hofer, Katharina Ratzmann und Maxime Steuer ob die Rezeption der "heute-show" im ZDF eine Veränderung der Einstellungen von jungen Menschen zur Politik bewirkt. Das Ergebnis: Nach regelmäßiger Rezeption der "heute-show" bewerten junge Erwachsene Politiker in den Dimensionen Sympathie, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit negativer als zuvor. Gleichzeitig passen sie ihre politische Einstellung zu tagesaktuellen Themen bei fehlendem Wissen der Argumentation in der "heute-show" an. Diese Anpassung wird begünstigt, wenn sie den Kommunikator (Oliver Welke) für politisch kompetent halten. Je realer die Inhalte der "heute-show" eingeschätzt werden, desto eher kommt es zu einer Einstellungsänderung. Auf Ebene tief verankerter Einstellungen wie dem Vertrauen in das politische System konnten keine Änderungen infolge einer "heute-show" Rezeption festgestellt werden. Die Rezeption der "heute-show" führt also eher zu einer Art Verdrossenheit gegenüber Politikern als zur Politikverdrossenheit an sich. Die Arbeit der Gruppe wurde von Prof. Dr. Patrick Rössler betreut, Projektpartner waren unter anderem das Sozialwerk des DJV-Landesverbandes Thüringen, der SPIEGEL, DIE ZEIT sowie die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Das Informations- und Kommunikationsverhalten von Patienten bei der Krankenhauswahl untersuchte die Gruppe "Wahl-O-Med" von Estella Linke, Helene Hofmann, Pauline Kynast, Johanna Kanngießer, Julia Hillmann und Cornelia Dolling. Ziel der Studie war es, herauszufinden, wie sich Patienten informieren und wovon ihr Kommunikations- und Informationsverhalten beeinflusst wird. Projektbetreuer war Dr. Markus Seifert, als Projektpartner unterstützte das HELIOS Klinikum Erfurt die Studierenden, die mithilfe einer Clusteranalyse des jeweiligen Kommunikations- und Informationsverhaltens vier verschiedene Patiententypen ausmachen konnten: die aktiven Onliner, die Skeptisch-Desinteressierten, die Kommunikativ-Vernetzten und die bequemen Allrounder. Als weiteres zentrales Ergebnis lässt sich zusammenfassen, dass sich 55 Prozent der Patienten nicht über Krankenhäuser informierten, obwohl ihnen ein Aufenthalt in einer derartigen Einrichtung bevorstand. Die verbleibenden 45 Prozent, die sich aktiv über Krankenhäuser informierten, zogen dabei am häufigsten interpersonale Kontakte zu Rate. Dabei fungierte der Facharzt als wichtigster Ratgeber, gefolgt von Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen, den Ehepartnern und dem Hausarzt.

"EU:len nach Athen" ist das Projekt von Jonathan Rupp, Sandra Fuchs, Kathleen Retzar, Anna Häfner, Anne Armbrecht und Laura Aurelia Rothhagen überschrieben, dessen Untersuchungsziel darin bestand, herauszufinden, inwiefern deutsche Leitmedien im Rahmen der Finanzkrise Stereotype bezüglich des Griechenland-Bildes der Deutschen kommunizieren und inwieweit diese letztlich bei den Rezipienten zu finden sind. Im Vordergrund stand dabei vor allem die Frage, welchen Einfluss persönliche Vorkenntnisse, Kontakte, soziodemografische Merkmale und die Mediennutzung der Befragten auf die Übernahme dieser Denkmuster haben. Die Untersuchung ergab, dass sowohl bei Rezipienten als auch in den Medien ein eher negatives und vorwiegend undifferenziertes Griechenland-Bild vorherrscht. Es ließen sich Gruppen von professionellen, normal informierten, desinteressierten und dissonanten Mediennutzern unterscheiden. Diese decken sich zum größten Teil mit den medial vermittelten Stereotypen. Wer Kontakte oder Vorkenntnisse zu Griechenland hatte, äußerte in unserer Stichprobe deutlich seltener negative stereotype Denkmuster. Wer diesen Kontakt nicht besaß und auf einen Austausch verzichtete, nannte überwiegend abwertende Stereotype. Projektbetreuer war Prof. Dr. Kai Hafez, unterstützt wurde die Untersuchung vom Athener Büro der Konrad Adenauer Stiftung.

Soziale Sanktionen im Kontext von Meinungsäußerung haben Marie Charlotte Neubauer, Ulrike Hartig, Anna Platte, Sarah Brinkmann, Stephanie Schettler und Jonas Bunse von der Gruppe "Sanktionsbewusst" im Rahmen ihrer Projektstudienphase untersucht. Betreut wurden sie dabei von Prof. Dr. Klaus Kamps, Projektpartner war die INEOS Köln GmbH. Insgesamt drei Ziele hatte die Studie: Erstens die angenommene theoretische Struktur des Sanktionsbewusstseins zu überprüfen, zweitens sollten die Items weiter überarbeitet und drittens das empirische Verhältnis des Sanktionsbewusstseins zu verwandten Konstrukten untersucht werden. Die inhaltlichen Aspekte konnten in Ansätzen nachgewiesen und die Items weiter überarbeitet werden. Die Studie ist somit als ein Anfang zur empirischen Erfassung des Konstruktes Sanktionsbewusstsein zu sehen, der nun weitere und tiefergehende Untersuchungen folgen können.

Um den Brennpunkt Stadion dreht sich die Projektarbeit der Gruppe "Fanbeauftragte" von Kevin Krenkel, Martin Zenge, Natalie Raida, Anne Reinhardt, Sarah Dorsch, Tessa Wosgien und Chris Lugert. Ziel war es dabei, in der Bevölkerung existierende Fußballfan-Stereotype zu ermitteln, durch mediale Bilder zu visualisieren und herauszufinden, wie sich diese auf die Einstellung der Rezipienten zu Fußballfans und zur Sportpolitik auswirken. Die dabei entwickelte Typologie umfasst vier Stereotype: "Der aggressive Fan", "Der rechte Fan", "Der friedliche Fan" und "Der aggressive Bengalozünder". In der anschließenden Online-Befragung im Experimental-Design zeigte sich, dass besonders Fußballfans mit entsprechendem Vorwissen an ihrer eher positiven Einstellung zu Fans festhielten, während sich Nicht-Fans leichter beeinflussen ließen. Zudem verursachten die stereotypen Bilder größere Einstellungsänderungen als die neutralen Bilder eines ausländischen Fußballstadions. Interessant war, dass der Artikel die Problematik der Sicherheit in deutschen Fußballstadien erst ins Bewusstsein der Probanden rückte und somit deren Einstellung nachhaltig prägte. Projektbetreuer war auch hier Prof. Dr. Klaus Kamps, Projektpartner waren die ZEIT-Stiftung und die Koordinationsstelle Fanprojekte.

Elisabeth Meyer, Lars Rennert, Ina Hirschmann, Martin Becker, Romy-Marie Ulrich, Julius Dürrfeld und Lea Schlue beschäftigten sich indessen mit der Wertschätzung von Musik in Zeiten des digitalen Streamings. Ihr Projekt "ZukunftsMusik" wurde von Prof. Dr. Joachim Höflich betreut, Partner waren dabei die Freude am Tanzen GbR, der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. und das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDTM. Das Ergebnis der Untersuchung der Studierenden: Streaming hat sich bereits bei einem Großteil der Befragten fest in der alltäglichen Musiknutzung etabliert. Es ließ sich jedoch keine feste Nutzergruppe ausmachen, die ausschließlich das Musik-Streaming wählt. Bei den Befragten kann vielmehr von einer generellen Mischnutzung gesprochen werden, da sie sich Musik über verschiedene Musiknutzungsformen zugänglich machen. Dabei verdrängt die neue Möglichkeit des Streamings jedoch nicht die etablierten Formen wie etwa CDs oder digitalen Kauf. Vielmehr reiht es sich ergänzend zwischen den bestehenden Formen ein und gibt den Nutzern eine weitere Möglichkeit ihren Musikkonsum situationsbedingt anzupassen. Auch die Wertschätzung von Musik nimmt trotz der steigenden Verfügbarkeit und Allgegenwart durch Streaming-Dienste nicht ab. Die Eigenschaften der Streaming-Dienste können beispielsweise eine hohe Auseinandersetzung mit Musik, als Indiz für Wertschätzung, sogar begünstigen. Dementsprechend konnte die kulturpessimistische Sichtweise, mit der das Projekt an den Untersuchungsgegenstand herantrat, letztendlich nicht bestätigt werden.

Alle Arbeiten sind im Rahmen der sogenannten Projektstudienphase entstanden, einem einzigartigen Konzept im deutschen Lehrbetrieb: Über den Zeitraum von einem Jahr wenden Studierende in kleinen Gruppen ihr im Studium erworbenes Wissen zur Lösung von realen oder realitätsnahen Problemstellungen innerhalb der Kommunikationswissenschaft an. Projektpartner sind dabei Medien- und Wirtschaftsunternehmen sowie öffentliche Institutionen und Organisationen. Der Erfolg der Projektstudienphase zeigt sich in den vielfältigen Projekten und engagierten Projektpartnern sowie der Spitzenposition, den der Studiengang Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt im renommierten CHE-Hochschulranking wiederholt belegt hat.