Zum Studium kam sie einst aus Nordrhein-Westfalen nach Erfurt – das ist inzwischen eine ganze Weile her. Jetzt ist sie ein “DemokratiePunk". Und zurück, um den Studierenden weiterzugeben, was sie damals an der Universität Erfurt gelernt hat. Dazwischen war ziemlich viel los. Und es lief auch nicht immer alles geradeaus. Aber am Ende genau dorthin, wo Anna-Rosa Haumann jetzt glücklich ist. Entschuldigung, Dr. Anna-Rosa Haumann – promoviert wurde sie zwischendurch ja auch noch. Hier ist ihre Geschichte…
“Nach meiner Ausbildung bei einer Bank im Ruhrgebiet wollte ich noch studieren”, erinnert sich die gebürtige Coesfelderin. “Ich dachte, ich schaue mir einfach alle Unis an, die für mich infrage kommen. Aber ich kam nicht weit. Erfurt hat mich sofort eingenommen: Es war Juni, die Menschen feierten die Fête de la Musique, die Stadt war so schön, der Campus der Universität so grün, die Menschen so freundlich, das Studienangebot passte – ich wusste: Das ist es.” Also schrieb sich Anna-Rosa für Geschichte und im Nebenfach Religionswissenschaft ein, machte ihren Bachelor und anschließend auch den Master of Education. Lehrerin wollte sie werden, Schülerinnen und Schüler fit machen fürs Leben. Besonders in Sachen Demokratiebildung. Das Thema war ihr immer wichtig. Oder vielleicht doch in die Wissenschaft gehen? Sie blieb, als sie den Master in der Tasche hatte, erstmal an der Uni – zunächst als Tutorin, dann als Doktorandin mit einem Promotionsstipendium und als wissenschaftliche Mitarbeiterin. “Vielleicht hätte ich diesen Weg weiterverfolgt, wäre da nicht meine kleine Tochter gewesen”, erinnert sich Haumann. “Ein sicherer Job war da irgendwie auch verlockend, also ging ich 2022 ins Referendariat und nahm anschließend eine Vertretungsstelle an einer Schule in meiner Heimatstadt Coesfeld an.”
Während dieser Zeit sprach sie ein Freund an, der sie um Unterstützung bei einem Demokratie-Workshop bat. “Im Rückblick war das wohl der Beginn der ‘DemokratiePunks’”, sagt Anna-Rosa. Denn damals entwickelte sie zu diesem Thema ihr erstes Planspiel, also ein interaktives Rollenspiel. “Als Lehrerin schaute ich ja auch immer, wie man ein Thema so aufbereiten und vermitteln kann, dass bei den Schüler*innen etwas hängenbleibt und sie Spaß am Unterricht haben. Und das hat wirklich funktioniert.” Die Nachfrage nach einem zweiten Planspiel – diesmal zum Thema Cannabis – ließ nicht lange auf sich warten und so entwickelte Anna-Rosa Haumann nach und nach ein eigenes Business – die ”DemokratiePunks". Zunächst noch parallel zum Lehrerinnenberuf, jetzt möchte sie sich ganz darauf konzentrieren und unter diesem Label weitere interaktive Planspiele und Bildungstools entwickeln, die begeistern. Und Multiplikatoren, zum Beispiel Lehrkräfte und Sozialarbeiter, in Workshops schulen, damit diese die Planspiele selbstständig durchführen und komplexe politische, gesellschaftliche und präventive Themen spielerisch wie nachhaltig vermittelt können.
In diesem Semester nun ist Dr. Anna-Rosa Haumann zurück an der Universität Erfurt, um gemeinsam mit Studierenden der Geschichtswissenschaft an einem neuen Planspiel für Schüler*innen der 10. bis 12. Klasse zu arbeiten. Diesmal soll es um “Ost und West” gehen, um die die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands und die damit verbundenen Herausforderungen. Das Planspiel soll es Schüler*innen in Kleingruppen ermöglichen, verschiedene Quellen, Texte, Bilder und Videomaterial zu nutzen, um gemeinsam zu entscheiden, wie ein fiktives Sondervermögen zum heutige Zeitpunkt möglichst gerecht in den Bereichen “Arbeit”, “Bildung” und “Gesundheit und Mobilität” zwischen Ost und West verteilt werden kann, um Chancengerechtigkeit herzustellen. Dabei sollen sowohl methodische Fähigkeiten gefördert als auch historisches Wissen in Bezug auf die DDR-Geschichte aufgebaut werden. Das Thema sei für ein Planspiel “nicht ohne”, sagt Anna-Rosa, denn Geschichte könne man ja nicht verändern. “Wir können uns die Geschichte nur anschauen und sehen, was wir daraus für die Gegenwart lernen und wie wir sie zugleich lebendig halten können.” Und so haben die Studierenden nach einer theoretischen Einführung in die Planspielwelt zunächst jede Menge Recherche betrieben – zum Beispiel dazu, was der Lehrplan für DDR-Geschichte in der 9./10. Klasse fordert, welche Themen im Planspiel vorkommen müssen, welche Story kreiert werden könnte und welche Rollen vergeben werden müssen. Am Ende wird Dr. Anna-Rosa Haumann all das in einer hübschen Box zusammenführen – mit eigens gestalteter Anleitung, Spielmaterialien, digitaler Begleitpräsentation und allem "Drum und Dran". Und eine Online-Schulung muss natürlich auch noch entwickelt werden, damit Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen und Co. das Planspiel am Ende auch eigenständig durchführen können.
“Für mich ist es total schön, wieder auf dem Campus zu sein”, freut sich Anna-Rosa, die sich an ihre Studienzeit in Erfurt, aber auch die Zeit danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin, immer sehr gern erinnert. “Ich habe hier unglaublich viel Unterstützung für mein Studium und meine Arbeit erfahren, besonders von Prof. Dr. Christiane Kuller. Sie hat uns immer Mut gemacht, unseren eigenen Weg zu gehen, hat uns gelehrt, klug zu argumentieren und auch mal ungewohnte Perspektiven einzunehmen. Das hat mich in meiner eigenen Entwicklung sehr weitergebracht und dafür bin ich dankbar.” Christiane Kuller war es auch, die Anna-Rosa und weitere Kommiliton*innen nach einer Vorlesung zusammentrommelte, um in einem Forschungsprojekt mit Informatik-Studierenden der Fachhochschule Erfurt eine Lernspiel-App für den Geschichtsunterricht zu entwickeln, in der es um das Thema Nationalsozialismus ging. “Ich habe erst überlegt, ob ich für solch ein Projekt überhaupt Zeit habe, bin dann aber doch zur Infoveranstaltung gegangen, um mir das genauer anzuschauen”, erinnert sich die ehemalige Studentin. “Zum Glück, denn ich habe mich dann doch entschieden, mitzumachen und habe mir dabei das Knowhow angeeignet, das ich ja später für die Entwicklung meiner Planspiele gebraucht habe. Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn ich das nicht getan hätte. Überhaupt, wenn ich mir meinen Lebenslauf anschaue, dann ist es doch interessant, wie alles mit allem zusammenhängt und eins das andere ergeben hat." Dass das nicht immer geradlinig war, empfindet sie dabei nicht als Problem. Im Gegenteil: "All das habe ich wohl gebraucht, um dorthin zu kommen, wo ich heute stehe." Nämlich mitten in ihrem eigenen Business. Auf ihrer Website demokratiepunks.com vermarktet Anna-Rosa inzwischen mehrere Planspiele und Workshops zur Demokratiebildung und flankiert all dies mit einem Blog. Die Ideen gehen ihr dabei nicht aus. Wenn "Ost-West" in “trockenen Tüchern” ist, sollen weitere Planspiele entstehen. Ausbildung vs. Studium steht als Thema auf dem Zettel, Ernährung, Verhütung und auch die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen – ein Thema, bei dem sie bereits mit der Jugendorganisation „OurGenerationZ“ und Prof. Dr. Claudia Calvano von der Freien Universität Berlin zusammenarbeitet. Mit dem “Marktplatz der Gesundheit” hat sie inzwischen auch einen Kooperationspartner gefunden, mit dem sie neue Kunden gewinnen kann – Apotheken, zum Beispiel, die mittlerweile verstärkt im Bereich der Gesundheitsprävention unterwegs sind.
Wenn man Dr. Anna-Rosa Haumann zuhört, dann spürt man förmlich die Energie, die in ihr steckt, die Freude an dem, was sie tut und auch ihre Lust, all das weiterzugeben. Die “DemokratiePunks” sind ihr “Herzensding”. Und wir freuen uns, dass wir irgendwie auch ein bissel was damit zu tun haben…
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