Emma, die an der Uni Erfurt Internationale Beziehungen und Sport studiert, hat das Wintersemester 2022/23 mit einem Auslandsstudium am Institut Catholique de Vendée (ICES) in La Roche-sur-Yon verbracht. In unserem Campusblog berichtet sie von ihrer "180-Grad-Drehung" und ihrer "Erfahrung außerhalb der Erfurter Bubble“, die sie so niemals erwartet hätte....
Warum hast du dich für ein Auslandssemester am Institut Catholique de Vendée (ICES) in La Roche-sur-Yon beworben?
Für mich war eigentlich schon bei meinen ersten Überlegungen zu einem Auslandsstudium klar, dass ich nach Frankreich möchte. Die Nähe zum Atlantik und die sportlichen Angebote haben schließlich dazu geführt, dass ich mich in La Roche-sur-Yon am Institut Catholique de Vendée beworben habe. Ich habe mich bewusst für eine kleinere Stadt und vor allem eine kleinere Universität entschieden, weil ich mir sicher war, so schneller ins Unileben zu kommen neue französische Freunde zu finden.
Und wie war`s?
Da das ICES eine wirklich sehr kleine Universität ist, sind die Klassen teilweise wirklich klein. Ich hatte Kurse, in denen wir nur zu acht waren. Das war für mich total gut, weil ich so sehr von meinen Professoren unterstützt wurde. Selbst mit meinem B1-Sprachniveau hatte ich so die Möglichkeit, französische Kurse zu belegen, die ich dann auch bestanden habe. Darauf war ich natürlich extrem stolz, weil mir die französische Sprache immer schwerfiel. Der Kontakt zu den Professoren war stets sehr familiär, was mir sehr gut gefallen hat. Ich hatte zudem die Chance, endlich Arabisch zu lernen, was schon so lange mein Traum war. Wir hatten zehn Stunden Sprachunterricht die Woche, was erstmal anstrengend klingt, aber es war einfach nur toll und vor allem effektiv. Darüber hinaus hatten wir alle einen "Buddy". Meiner war total toll. Jede Woche sind wir in eine Bar gegangen und haben einfach gequatscht. Ich habe so viel gelernt und kann mich nun wirklich fließend auf Französisch unterhalten.
Wo hast du gewohnt?
Was die Unterkunft betrifft hat, man in La Roche-sur-Yon echt Glück. Ich musste mich selber um gar nichts kümmern, sondern habe einen Platz in einem Wohnheim angeboten bekommen. Anfangs war ich etwas skeptisch, da es kleine Einzelwohnungen waren und ich eigentlich in eine WG wollte, um noch mehr Leute kennenzulernen. Letztendlich hatte ich mich trotzdem dafür entschieden und es auch nie bereut. Ich habe auf einer Etage mit fünf anderen Erasmusstudent*innen gewohnt; es war immer viel los. Außerdem habe ich auch viele französische Studierende durch meine Residènce kennengelernt. Jeden Abend haben wir gemeinsam Abendbrot gegessen und uns einfach ausgetauscht. Wir sind wie eine Familie zusammengewachsen.
Und was kann man in La Roche-sur-Yon so unternehmen?
Ich sag es mal so: Manchmal konnte einem in La Roche-sur-Yon partymäßig schon echt die Decke auf den Kopf fallen, da wir kein „Erasmus Student Network“ hatten. Aber so schlimm war das gar nicht. So hatten wir die Chance, auf französische Partys zu gehen und wirklich in das dortige Leben einzutauchen. Zudem fand das Leben auch größtenteils an der Uni statt. Ich habe viel Sport gemacht: Surfen, Fußball, Cheerleading und Rugby. Rugby hat wirklich mein Leben verändert und ich habe ein Hobby gefunden, was ich in Erfurt weiterverfolgen werde. Mit den Unisportgruppen habe ich auch außerhalb des Trainings etwas unternommen. Außerdem war ich in der Musik-Hochschulgruppe, mit der wir Konzerte gegeben haben, und in der Politikgruppe, mit der wir uns oft abends noch in einer Bar trafen. Und: Als Erasmus-Gruppe sind wir fast jedes Wochenende verreist.
Deine Gastuni war eine katholische Privathochschule. Spielt das im Studium und studentischen Leben eine Rolle?
Mir war vor dem Antritt meines Auslandsaufenthalts nicht bewusst, was es bedeutet, auf eine private, katholische Universität zu gehen. Es gab zwei Priester, vier Nonnen und eine eigene Kirche. Die Studierenden waren zum Teil auch konservativer als in Erfurt. Für mich eine ganz neue, aber auch interessante Erfahrung. Was ich manchmal als problematisch empfand waren allerdings einige Ansichten meiner Mitstudierenden. Ein großer Teil der Studierenden der Politikwissenschaften hat sich selbst als rechts bis extrem rechts bezeichnet und hat auch entsprechende Forderungen im Unialltag gestellt. Jedoch muss man auch dazu sagen, dass „rechts sein“ in Frankreich anders verstanden wird. Für Franzosen ist zum Beispiel Charles de Gaulle rechts, den wir womöglich eher als konservativ beschreiben würden. Dies war für mich eine ganz neue Perspektive, ich hatte bis dato kaum Erfahrung damit gemacht. Natürlich waren nicht alle Studierenden an der Uni so und ich hatte trotzdem viele interessante Diskussionen, in denen wir einander zugehört und miteinander diskutiert haben. Diese sehr konservative, teilweise rechte Ideologie hat mich manchmal trotzdem sehr belastet. Nichtsdestotrotz war es wichtig, einmal eine andere Perspektive kennenzulernen und aus der Erfurter „Bubble“ herauszukommen. Außerdem habe ich viele Studierende kennengelernt, die dagegengehalten haben. Der Austausch zwischen den verschiedenen Meinungen war jederzeit gegeben und nie böse. Wir haben uns gegenseitig akzeptiert. Rechts wie links eingestellte Studierende waren eng miteinander befreundet, was ich so vorher noch nie gesehen hatte. Ich möchte diese Erfahrung gar nicht relativieren oder schönreden, aber hervorheben, wie wichtig auch dieser Perspektivwechsel für meine Lebenserfahrungen war, auch wenn es mich oft wütend oder traurig machte. Trotzdem hatte ich ein wunderbares Erasmus-Semester, für das ich echt dankbar bin.
Welche Tipps würdest du interessierten Studierenden geben?
Generell würde ich empfehlen, anfangs viele Kurse zu besuchen, bevor man sich fest entscheidet. Einige Kurse haben sich für mich erstmal sehr spannend angehört, waren es dann schlussendlich aber nicht und auch das Gegenteil war manchmal der Fall. Ich würde ebenfalls empfehlen, sich außerdem in einige Master-Kurse zu setzen. Und es ist wirklich ratsam, sich am Anfang des Kurses über die Art der Prüfungsleistung zu erkundigen. Es gibt relativ viele Kurse, die keine schriftliche Klausur als Abschlussleistung verlangen, was für Erasmus-Studierende ein großer Vorteil ist, da in Frankreich Rechtschreibung und Grammatik Teil der Klausurnote sind. Darüber hinaus kann ich nur mit auf den Weg geben, sich die Mitschriften von französisches Mitstudierenden zu besorgen, was nicht schwer war, da der Kontakt von Anfang an bestand. Mein Tipp vorab: Nehmt so viele Extra-Angebote wahr, wie möglich. Mir hat es zudem für meinen Aufenthalt total geholfen, französische Studierende kennenzulernen und dort Anschluss zu finden.
Sie interessieren sich auch für ein Auslandsemester während Ihres Studiums an der Universität Erfurt? Das Internationale Büro berät Sie dabei gern.