"Die Vorbereitung auf ein 'Eventuell' ist nicht leicht."

International
Azade in der Türkei

Ein Auslandsaufenthalt ist eine feine Sache. Man kann eine fremde Sprache vertiefen, bekommt Einblicke in eine andere Kultur, knüpft neue Kontakte, erweitert seinen Horizont und nebenbei macht es sich im Lebenslauf auch immer gut. Mehr als einhundert Studierende der Uni Erfurt wagen diesen Schritt alljährlich und absolvieren ein Auslandssemester – auch in Gebieten, die als nicht so sicher gelten. Wie Azade. Die Studentin möchte in der Türkei studieren, trotz der beunruhigenden Situation derzeit.

Wann willst du in die Türkei gehen und wie lange soll dein Aufenthalt dauern?

Im September soll es losgehen: Ich plane, ein Semester in Istanbul zu studieren.

Warum hast du dich entschieden, zum Studium in die Türkei zu gehen? 

Ich fand die Idee, in den Nahen Osten zu gehen, interessant. Da mein Vater aus dem Iran kommt, finde ich es spannend, muslimische Kulturen zu erleben. Ursprünglich hatte ich mich auf einen Platz im Libanon beworben. Diese wurden wegen der politischen Lage im Januar abgesagt. 
Auf einen Erasmus-Platz in der Türkei wollte ich mich ohnehin bewerben. Nachdem ich im vergangenen Jahr ein Wochenende in Istanbul verbracht habe, war für mich klar: Hierhin möchte ich zurückkehren, gerne auch für einen längeren Zeitraum. Die Lage der Stadt zwischen zwei Kontinenten gibt ihr ein Flair von Weltoffenheit. Die zehn Millionen Einwohner kommen aus aller Welt. Diese Mischung der Kulturen lässt die Metropole am Bosporus sehr vielfältig erscheinen. Ich war vom ersten Moment an begeistert.

Welche Erwartungen hast du an deine Zeit im Ausland?

Meine Erwartungen an die Zeit in der Türkei zu benennen ist schwierig. Als ich die Bestätigung der Uni bekam freute ich mich sehr. Konkrete Erwartungen habe ich im Moment aufgrund der Lage gar nicht mehr. Die Zeit wird – falls ich das Auslandssemester machen werde – sicher sehr interessant. In manchen Situationen werde ich vielleicht in kleine Kulturschocks stürzen. Aber auch das gehört zu einem Auslandssemester dazu.

Was glaubst du, wirst du am meisten vermissen?

Die Freiheiten, die man in Deutschland so selbstverständlich genießt...

Nach immer häufiger auftretenden Anschlägen und dem Putschversuch, hast du gezögert, dein Auslandsstudium wirklich anzutreten? Warum (nicht)?

Natürlich beobachten wir alle die Lage in der Türkei. Ich stehe mit den anderen Austauschstudenten in Kontakt. Nach jedem Anschlag, nach den Meldungen über den Putschversuch und natürlich auch jetzt fragen mich Freunde und Verwandte, ob das Vorhaben nicht zu gefährlich ist. Während das Abreisedatum immer näher kommt, häufen sich auch die Ereignisse. Meiner Meinung nach ist es unwahrscheinlich, Opfern eines Anschlages zu werden. Aber das kann ich natürlich auch nicht komplett ausschließen. Dazu kommt, dass die politische Lage immer prekärer wird. Das macht mir Sorgen. Da sich die Lage ständig ändert, kann ich momentan noch nicht definitiv sagen, ob ich fliege. Wir werden wohl alle das politische Geschehen beobachten und uns erst endgültig entscheiden können, wenn der Abflug in „Sichtweite“ kommt.

Wirst du dich jetzt anders vorbereiten auf deine Zeit in der Türkei? Inwiefern?

Es gibt eine Liste des Auswärtigen Amtes, in die man sich eintragen lassen kann. Das werde ich auch tun. Weiter kann man nichts unternehmen, außer die Entwicklung ständig zu beobachten.
Die Vorbereitung auf ein „Eventuell“ ist natürlich nicht so einfach. Man fragt sich, was passiert, wenn man doch nicht geht? Ich bin momentan dabei, einen Nachmieter für mein WG-Zimmer zu finden. Falls ich hierbleibe, müsste ich mir hier also eine neue WG suchen. Diese Ungewissheit ist zermürbend.