Kirche nicht predigen, sondern (er)leben: Unser Alumnus Sebastian Mutke setzt sich für eine aktive Männerpastoral ein

Vorgestellt , Alumni
Alumnus Sebastian Mutke

"Männerpastoral ist eine echte Leerstelle in der Kirche“, sagt Sebastian Mutke. Der Alumnus der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Erfurt arbeitet heute als Pastoralreferent im Bistum Osnabrück und will dazu beitragen, eben diese Leerstelle zumindest etwas zu füllen. Für sein Projekt "Wo das Evangelium zu Hause ist – Väterabende für Erstkommunionkinder“ hat er sogar den "Bonifatiuspreis für missionarisches Handeln in Deutschland“ des Deutschen Katholiken e.V. bekommen. Wir haben ihn gefragt, was es mit dieser Idee auf sich hat.

Glückwunsch zur Auszeichnung, aber was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Projekt "Wo das Evangelium zu Hause ist“?
Das ist Abend im Zuge der Erstkommunionvorbereitung, zu dem alle Väter der Erstkommunionkinder eingeladen werden. Gemeinsam gehen wir – nach kurzer Taufvergewisserung – je drei bis vier Männer aus der Gemeinde besuchen, um mit ihnen an der Haustür darüber zu sprechen, welche Rolle Kirche bzw. Gott und Glaube in ihrem Alltag und in ihrem Leben spielen. Die Männer werden natürlich vorher von mir angerufen, also nicht „überfallen“. Voraussetzung für die Auswahl ist, dass sie selbst getauft und Kirchenmitglieder sind. Ich kündige uns dann als „Erstkommunionväter“ an, die mit ihnen zusammen „an ihrer Haustür nach einem Apfelsaft oder einem geistreichen Umtrunk über Gott und die Welt ins Gespräch kommen wollen. Mehr nicht.“ Auf diese Weise möchten wir unser Motto mit Leben füllen, also die Erstkommunionväter hören und sehen, um zu sehen, wo Evangelium gelebt wird, wo es also „zu Hause ist“. Am Ende laden wir die Männer dann zu einem Grillabend ein, der von einer anderen Männergruppe vorbereitet wird.

Eine spannende Sache, die sicherlich auch die eine oder andere erzählenswerte Anekdote mit sich gebracht hat?
Klar! Es beginnt beim Anruf. Die meisten Männer die ich anrufe, um für fünf Minuten Zeit an der Haustür zu werben, wurden noch nie von jemandem "von der Kirche“ angerufen. Entsprechend häufig kommt die Reaktion: "Wer ist da?“ oder "Ich kann so etwas nicht.“ Genau genommen beginnt hier Neuevangelisierung, nach innen wie nach außen. Kirche predigt nicht mehr nur über "Anrufung“, sondern (er)lebt diese und stellt sich den Reaktionen, sowohl als Anrufender als auch als Angerufener.
Beeindruckend sind aber auch die Momente an den Haustüren. Da werden Männer besucht – egal ob sie berühmt, reich, arm oder Single sind, egal ob mit Behinderung, wichtig, herausragend, bekannt oder Alkoholiker. Ich kenne die Männer vorher selbst auch nicht, bin also jedes Mal aufs Neue gespannt, wer da hinter der Tür auf uns wartet. Sie werden besucht, einfach nur weil sie Männer und getauft sind.
Entsprechend kam beim letzten Abend vor versammelter Mannschaft von einem Erstkommunionvater genau diese Frage: "Warum sind wir eigentlich hier?“ Und wenn dann die Antwort lautet: „Nur, weil hier ein mit und auf Christus getaufter Mann wohnt und weil sich deswegen hier Kirche ereignet und dabei sogar noch eine, die einlädt und ihre Türen nicht verschlossen hält…“ – nun, da kann man dann echte Sprachlosigkeit erleben und Momente, in denen einen Umdenken beginnt. Die biblische Metanoia“ (im Sinne eines religiös-ethischen Sinneswandels, Anm. d. R.) wird einfach greifbar.

Dein Projekt impliziert damit die Vorstellung, dass Kirche etwas Aktives sein muss. Es reicht also nicht mehr, darauf zu warten, dass die Gläubigen ins Gotteshaus kommen. Stattdessen muss die Kirche raus und sich auf die Leute zubewegen. Wie wurde diese Tendenz von den Menschen wahrgenommen, mit denen ihr in Kontakt gekommen seid?
Mit Beifall – bei bleibender Zurückhaltung. Rausgehen, auf Menschen zugehen, Mauern überwinden, Grenzen antasten und eventuell auch überschreiten – dazu braucht es Mut! Wir leben in Deutschland aber in einer von Angst geprägten Gesellschaft. Entsprechend wird man als "Exot“ bestaunt, gleichwohl aber auch (noch) abgelehnt, wenn es konkret darum geht, andere zum Mitmachen zu bewegen. Neues wagen mit alten Strukturen – das steht schon in der Bibel. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Aufgeschlossenheit am Ende die Oberhand gewinnen wird.

Wie kam dir die Idee zu diesem Projekt überhaupt?
Zunächst einmal bin ich ja selbst Mann in der Kirche und erlebe sie als eine Kirche, in der Glaubensweitergabe an die nächste Generation vor allem "Frauensache“ ist. Väter sind selten Katecheten und bringen sich meines Erachtens erst dann in die Kirche ein, wenn es darum geht, etwas "aktiv zu machen“ – also: Gelder zu verwalten, Straßen abzusperren, zu grillen etc. Es gibt aber wenig Räume, in denen Mannsein mit Glaubensinhalten gefüllt und auch inhaltlich gelebt werden kann. Männerpastoral ist eine echte Leerstelle in der Kirche. So kam die Lust in einer Erstkommunionvorbereitung, die ich mitverantworte, eben auch ganz bewusst Angebote für Männer zu gestalten. Bei dem Väterabend werden schließlich auch Inhalte vermittelt, etwa über die Rolle des Mannes sowie des Vaters in Sachen Glaubensweitergabe.
Die Idee kam aber auch durch mein – mittlerweile kann ich es sagen – missionarisch orientiertes Charisma. Ab zu den Menschen, den Ebenbildern Gottes, denen, die mit jedem Atemzug Kirche und Welt gestalten, denn da ist Gott.
Und drittens leben wir in einer "Projektgesellschaft“. Das geht mittlerweile schon im Kindergarten los, wird in der Schule fortgeführt und an der Universität festgezurrt. Und auch im Arbeitsleben werden dann Projekte bearbeitet. Wer da mit unbefristeten Langzeitangeboten um die Ecke kommt, hat es schwer. Mit einem Ein-Abend-Projekt "Väterabend“ spreche ich zumindest genau diese Projektlogik an und hoffe (mehr) Männer erreichen, die sich sonst wenig Zeit nehmen, um sich neben Beruf und Familie noch in der Kirche zu engagieren.
Und schließlich habe ich das Glück, in einem großen Pastoral-Team zu arbeiten. Die klassischen Aufgaben in Gemeinde, werden also von vielen getragen. Entsprechend hat jeder Ressourcen, um neu und kreativ zu sein.

Planst du, dein Projekt weiter auszubauen?
Ja, das Projekt geht weiter, zumindest noch ein paar Jahre. Darüber hinaus besteht weiterhin das Angebot, mich "zu buchen“ – sprich: mich in die jeweils eigene Gemeinde zu holen oder mit mir zusammen andere Menschen zu schulen. Und es gibt auch schon neue, spannende Projekte die darauf warten, verwirklicht zu werden…