Wie erwartet und doch ganz anders

International , Gastbeiträge
Ich bin dann mal weg: Eike in Lille (Frankreich)

Ein Auslandsaufenthalt ist eine feine Sache. Man kann eine fremde Sprache vertiefen, bekommt Einblicke in eine andere Kultur, knüpft neue Kontakte, erweitert seinen Horizont und nebenbei macht es sich im Lebenslauf auch immer gut. Mehr als 100 Studierende der Uni Erfurt wagen diesen Schritt alljährlich. Eike verbrachte ein Auslandssemester in Frankreich an der Université Catholique de Lille in der Fakultät European School for Social and Political Science (ESPOL). Ein Erfahrungsbericht...

Hauptgebäude Université Catholique de Lille
Université Catholique de Lille

Das Auslandssemester entsprach einerseits genau meinen Vorstellungen und andererseits war es ganz anders als erwartet. Meinen Vorstellungen entsprach es insofern, als dass ich ein anderes Lehrsystem kennenlernen durfte und in einer neuen Stadt und Umgebung natürlich auch ein ganz anderes "Studiengefühl" als in Erfurt hatte. Ganz anders war es, da ich mit der Erwartung nach Lille gegangen bin, Französisch zu lernen. Ich hatte mir vorgenommen, alle oder zumindest den Großteil meiner Kurse auf Französisch zu wählen. Doch dann habe ich das Angebot der ESPOL-Kurse für das aktuelle Wintersemester gesehen und konnte nicht anders, als die inhaltlich für mich spannenden Kurse zu wählen. Auf diese Weise habe ich das Auslandssemester besonders dadurch genossen, dass ich Kurse machen konnte, zu denen ich in Erfurt nicht die Gelegenheit bekommen hätte. Sehr empfehlen kann ich also die Master-Kurse aus Food Politics, in denen wir nie mehr als zehn Studierende waren. Für „typisch französische Uni-Erfahrungen“ kann ich die "großen" Kurse (7 ECTS) empfehlen. Dort hat man neben der Vorlesung ein begleitendes TD (Travaux Dirigés), in dem man in Gruppen von Klassengrößen den Inhalt der Vorlesung bespricht, intensiv bearbeitet und Hausaufgaben machen muss (also nur bedingt mit einer begleitenden Übung in Erfurt zu vergleichen). Die Ansprechpartner für alle Austauschstudierenden an der ESPOL – Madame Millois und Herr von Nostitz – sind sehr nette und hilfsbereite Menschen, an die man sich immer ohne Probleme wenden kann. Dank ihrer Unterstützung war auch das Bewerbungsverfahren für die Université Catholique de Lille, nach dem allgemeinen Erasmus-Bewerbung-Teil, nicht sehr kompliziert. Von Madame Millois habe ich rechtzeitig eine E-Mail mit allen Fristen und Tipps für die Wohnungssuche etc. bekommen. Übrigens hat die Uni zwar „katholisch“ in ihrem Namen, ist aber nicht religiös geprägt – wer möchte, kann sich jedoch engagieren.

Wohnen in Lille

Während meiner Zeit in Lille habe ich in einer WG etwas außerhalb der Innenstadt in Hellemmes gewohnt. Wir hatten dort zu viert ein Eckhaus mit Küche und Wohnraum, den ich mit der Zeit zu schätzen gelernt habe – andere haben, vor allem in den Wohnheimen, doch sehr beengt gewohnt. Zwei von meinen Mitbewohnern waren "eingeborene" Lilloises, die sich in Lille gut auskannten und schon arbeiteten (beide um die 30). Die Letzte im Bunde war eine Erasmus-Studentin aus Stuttgart. Wir haben zusammen Ausflüge gemacht, haben zusammen bzw. füreinander die jeweiligen Spezialitäten gekocht und waren essen oder in anderen Bars. Sich eine WG anstatt der Wohnheime zu suchen, kann ich also sehr empfehlen. Die Preise sind zwar ersteinmal eher abschreckend, aber auch die Wohnheime sind nicht wirklich günstig und liegen teilweise ziemlich weit weg von der Uni. Tipp: Wohne am besten in der Nähe einer Station der gelben Metrolinie! Die fährt häufiger und auch besser durch die Innenstadt.

Das Leben außerhalb der Uni

Eike beim Rudern im Lille

Da ich in meiner Freizeit vor meinem Studium in Erfurt gerne gerudert bin, war der Ruderclub in Lille für mich eine super Sache. Gleich zu Beginn habe ich mich in dem Club angemeldet und hatte so die Möglichkeit, mehrmals pro Woche zu rudern. Im Winter konnten wir zwar wegen der Dunkelheit nur am Wochenende rausfahren, aber es bestand die Option, unter der Woche zum Ergometertraining zu gehen.

In Lille sind wir oft in Bars gegangen. Üblich war zum Beispiel ein Afterwork am Donnerstagabend. Solche Veranstaltungen hatten den Vorteil, dass sie früh anfingen und ich mit der letzten Metro ohne Probleme nach Hause fahren konnte. In Clubs bin ich nicht so häufig gegangen. Es war wirklich ein sehr anderes Studentenleben, als ich es aus Erfurt gewohnt war.

Einer meiner Lieblingsorte in Lille war die Zitadelle – gefühlt das einzig grüne Plätzchen in der ganzen Stadt. Ganz in der Nähe war der Ruderclub. Ich bin aber auch manchmal dorthin gefahren, um mit Freuden laufen zu gehen. Und im August, als noch keine Uni war und ich noch kaum einen Menschen kannte, bin ich auch zum Lesen und Sonnegenießen zur Zitadelle gegangen.

"Tipp: Komm ein bisschen früher nach Lille, wenn du die Zeit und die Wohnung dafür hast. Eine super Gelegenheit, sich von dem Semester in Erfurt – das ja noch nicht so lange her ist – zu erholen und die Stadt schon mal ein bisschen kennenzulernen, bevor das Semester beginnt. Außerdem findet am ersten September-Wochenende die „Braderie“ statt. Der größte Flohmarkt Europas, der für zwei Tage die gesamte Innenstadt einnimmt. Am Tag kann man dort günstig Dinge kaufen, die man zum Beispiel noch für das neue Zimmer braucht. Und abends wird dann gefeiert. Zudem ist das Fest für seine Muschel(schalen)berge berühmt, die sich vor den Restaurants türmen. Also falls du Muscheln magst…"

In der Mitte Europas

Ausflugsziele von Lille aus gibt es viele. Denn Lille liegt quasi in der Mitte von Europa und ist deshalb sehr beliebt bei nicht-europäischen Austauschstudierenden. London, Paris, Amsterdam und Köln sind mit Fernbussen in wenigen Stunden und mit wenig Geld erreichbar. Ich selber habe eher Ausflüge in kleinere Städte gemacht. Vor allem Gent und Brügge kann ich sehr empfehlen! Brüssel und Antwerpen sind hingegen schon etwas größer, aber auch sehenswert.