Studieren in Andalusien: Maries Erfahrungsbericht aus Sevilla

International , Off Campus
Bildcollage mit Text: Ich bin dann mal weg - Marie in Sevilla, im Hintergrund Landkarte mit Pin in Sevilla, 3 Polaroids mit histirschen Gebäuden, Orangenbäumen

Wie wählt man die passende Erasmus-Partneruniversität und was erwartet Studierende im akademischen Alltag im Ausland? Maries Aufenthalt an der Universidad Loyola de Andalucía zeigt, dass ihre Neugier ihr dabei geholfen hat, sich auf neue Lehrformate, Universitätsstrukturen und kulturelle Rahmenbedingungen einzulassen. Ihr Bericht bietet praxisnahe Einblicke in Kurswahl, Organisation, Wohnen und Integration in die spanische Hochschulkultur – und macht deutlich, warum frühzeitige Planung und Offenheit zentrale Erfolgsfaktoren für ein gelingendes Auslandssemester sind.

Die Entscheidung: Warum es Sevilla werden musste
Während andere noch über Dänemark, die Niederlande oder Frankreich nachdachten, wusste Marie (an der Universität Erfurt studiert sie Internationale Beziehungen und Lehr-, Lern- und Trainingspsychologie im Bachelor) sehr schnell, dass ihr Herz an Spanien hing. Nach dem Abitur hatte sie bereits ein paar Monate in Granada verbracht, Spanischkurse an der Universität Erfurt belegt. Spanien fühlte sich für sie daher nach etwas an, das gleichzeitig vertraut und aufregend war: Mir war schnell klar, dass ich dorthin zurückkehren wollte – am liebsten nach Andalusien.“ In Frage kamen für Marie zwei Universitäten der Universidad Loyola de Andalucía – Cordoba und Sevilla – sowie die Pablo de Olavide Universität. Marie begann zu vergleichen: Kursangebote, Sprachanforderungen, Campusleben, Lage. Und sie merkte, dass die Loyola sie besonders reizte: ein moderner Campus, viel Projektarbeit, internationale Studierende und spannende Kurse in ihren beiden Studienfächern.

Maries Tipps für alle, die ein Auslandssemester planen
In Retrospektive kann Marie nur allen empfehlen, die noch unsicher sind, an welcher Hochschule sie ihr Auslandssemester absolvieren sollen, sich die Kursangebote und die Besonderheiten genau und gründlich anzusehen. Denn viele Studierende würden unterschätzen, wie sehr sich Universitäten voneinander unterscheiden können im Lehrstil, in der Kursstruktur, den Sprachanforderungen, in der Arbeitsbelastung und der Betreuung. Dank der Informationsveranstaltungen des Internationalen Büros für Outgoings – die sie sehr empfehlen kann – und des engen E-Mail-Kontakts mit dem Team ließ sich der Bewerbungsprozess gut bewältigen. Marie nahm sich Zeit für ihr Motivationsschreiben, um ihre Qualifikationen und ihre Beweggründe für die Standortwahl gezielt darzulegen. Für das Learning Agreement wurde die Zeit dann doch noch knapp: „Ich habe damit in der Klausurenphase angefangen – das wurde teilweise schon etwas stressig“, erinnert sich Marie. Deshalb ist ihr zweiter Tipp, möglichst früh mit der Bewerbung für das Erasmus-Austauschprogramm zu beginnen, auch wenn dann die Kurse der Gasthochschule noch nicht feststehen (können).

Ankommen in einer neuen akademischen Kultur: Warum die Loyola-Universität vieles anders macht
Die Universidad Loyola de Andalucía ist modern ausgestattet und unterscheidet sich, so meint Marie, durchaus von deutschen Hochschulen, das zeige sich allein schon am akademischen Kalender. Das Wintersemester bspw. beginnt schon Ende August, im Januar finden dann die Klausuren statt. Marie startete in der Einführungswoche mit einem kostenlosen Sprachkurs, um ihr Spanisch aufzufrischen und lernte dort gleichzeitig ihre neuen Erasmus-Mitstudierenden kennen. Überhaupt bietet die Universität Loyola in Sevilla zahlreiche Get-Together-Aktivitäten an, die Marie gut gefallen haben und ihr das Einleben erheblich erleichterten. 

Pro Kurs müsste man mit zwei Terminen in der Woche rechnen, zudem steht Projektarbeit im Vordergrund (Präsentationen, Entwicklung eigener Kampagnen, Literaturkritiken, Hausarbeiten usw.). Kleine Gruppengrößen und eine direkte Ansprache schaffen eine persönliche Atmosphäre. Was viele überrascht hat, war die Anwesenheitspflicht: „Man darf nur 30 Prozent der Termine fehlen, aber die Professor*innen sind offen für Gespräche, wenn man später dazustößt“, berichtet Marie. Die Kurse seien praxisnah, diskussionsfördernd und weniger theoriefokussiert so wie in Deutschland. Für Marie war das eine neue und gewinnbringende Erfahrung, zugleich aber auch ein Lernprozess. Marie belegte zwei spanische (Level B2) und zwei englische Kurse – eine Herausforderung, zumal der andalusische Akzent als einer der schnellsten in Spanien gilt und in der Aussprache gern diverse Konsonanten verschluckt werden. Doch am Ende hielt Marie ihre Präsentationen auf Spanisch, schrieb ihre Klausuren auf Spanisch und merkte deutlich, wie sie sich mit ihren Sprachkenntnissen im Alltag in Sevilla immer sicherer fühlte. Marie rät allen, die wegen möglichen Sprachdefiziten unsicher sein sollten, sich zu Semesterbeginn in all jene Kurse zu setzen, die interessant erscheinen, um so feststellen zu können, ob das sprachliche Niveau nicht zu hoch und der Akzent gut zu verstehen ist.

Mir ihrer Kurswahl war Marie fast durchweg sehr zufrieden. Für ihre Studienfächer fiel das Angebot vielfältig aus, das sah sie bereits vor Semesterstart auf der Website der Hochschule unter „Courses Loyola“. Projektarbeiten in ihren Fächern empfand sie überwiegend als anspruchsvoll und die Klausuren als fordernd bis leicht. Einer ihrer Lieblingskurse im Bereich Internationale Beziehungen war Environment, Sustainability and Regional Peace“ über globale Umweltveränderungen und Sicherheitsrisiken, und „Industrial/Organizational Psychology“ gefiel Marie im Bereich Psychologie am meisten aufgrund der klaren Struktur der Lehrveranstaltung und dem großen Lernzuwachs. Die Professor*innen empfand sie als Expert*innen auf ihren jeweiligen Forschungsgebieten, zudem brachten viele von ihnen außeruniversitäre Praxiserfahrung mit. Herausfordernd war es, neben dem Lernen für Midterms die Deadlines der vielen Projekte im Kopf zu behalten. Marie hat insgesamt vier Kurse (24 ECTS) belegt und war damit gut ausgelastet. Wer noch etwas von der Erasmus-Erfahrung mitnehmen möchte, sollte nicht mehr als vier Kurse wählen, empfiehlt Marie.

Wohnen zwischen Altstadtgässchen und Dachterrassen
Sevilla ist mit knapp 700.000 Einwohner*innen recht groß, lebendig und wunderschön, wie Marie findet. Dos Hermanas, ein paar Kilometer südlich von Sevilla, wo der Campus liegt, ist es eher nicht. Deswegen hat sich Marie für eine Wohnung in der Stadt Sevilla entschieden, wie die meisten anderen Erasmus-Studierenden auch. Der 60- bis 90-minütige Weg von Sevilla an die Universität sei es ihr wert gewesen, umso wichtiger aber eine nahegelegene Bus- oder Metrostation. In Sevilla ist immer etwas los, in Dos Hermanas dagegen fährt abends kein Bus mehr. Früh fand Marie ihr Zimmer, bereits im Juni über die Website housinganywhere.com. Mit sieben anderen Leuten in einer Erasmus-WG zu leben, war toll für Marie. So hatte sie automatisch Kontakt zu Menschen aus aller Welt, konnte mit ihnen spontan Ausflüge unternehmen und nach dem gemeinsamen Kochen oder dem Verzehr von günstigen Tapas bis spät in die Nacht launige Abende auf der Dachterrasse verbringen. Ein Must-Have bei der Wohnungssuche ist eine Klimaanlage, bekräftigt Marie, denn sonst sei die Hitze im Sommer und die Kälte im Winter nicht gut auszuhalten.

Wer sich auf ein Erasmus-Semester in Sevilla einlässt, sollte bereit sein für viel Sonne, viel Aktivität und viele Abende, die länger dauern als ursprünglich geplant. Tapas essen, Kaffee trinken, Tinto de Verano genießen – das alles ist in Sevillas Cafés und Bars oft günstiger als es selbst zu kaufen oder zu kochen. „Es ist Teil der spanischen Kultur, sich morgens, mittags und abends zu treffen“, sagt Marie, die während ihrer Zeit in Sevilla neben den kulinarischen Vorzügen in Eisdielen und Rooftop Bars auch die nach Fußball wohl zweitbeliebteste Sportart Spaniens für sich entdeckt hat: Padel. Oft als ‚kleiner Bruder des Tennis‘ beschrieben, setzt sich Padel aber inzwischen als eigenständige Trendsportart in immer mehr Ländern durch. Der wichtigste Unterschied zum Tennis ist die kleinere Spielfläche und die Tatsache, dass Padel grundsätzlich zu zweit, also im Doppel gegen ein weiteres Team gespielt wird. Mehr Bewegung ist auch in den lokalen Clubs möglich, beim Tanzen zu elektronischer Musik und Techno.

Mit dem Erasmus Student Network Sevilla (ESN) und dem Erasmus Club Sevilla (ECS) gibt es gleich mehrere Organisationen in der Stadt, die regelmäßige Ausflüge und Veranstaltungen speziell für internationale Studierende anbieten. Am besten wird man Mitglied bei einer der Vereinigungen, um günstiger Partys zu besuchen und an Tagestrips und Reisen teilzunehmen. So konnte Marie an geführten Touren, Strandausflügen und Bergwanderungen für vergleichsweise wenig Geld teilnehmen, etwa nach Barcelona, ins Nachbarland Portugal, aber auch ins nahegelegene Cádiz, in die weißen Dörfer Andalusiens und Maries absolutes Highlight ein Kitesurf-Wochenende mit Sonne, Wind und Meer in Tarifa, der südlichsten Stadt Europas.

Nicht zu kurz gekommen: Das persönliche Wachstum
Auch wenn die sonnigen Momente für Marie klar überwogen haben, gab es in ihrem Auslandssemester hin und wieder auch etwas Schatten: Natürlich gehöre manchmal Heimweh dazu und man fühle sich auch mal überfordert durch die Sprachbarrieren, Prüfungen und organisatorischen Hürden, das gehöre dazu, führe letztlich aber auch dazu, über sich selbst hinauszuwachsen. Marie ist selbstständiger geworden, hat gelernt, allein neue Lösungswege zu finden und ist am Ende sogar überrascht davon, wie viel sie schaffen kann, wenn es drauf ankommt. Hilfreich war dabei aber auch, dass die anderen internationalen Studierenden sich durch ein ähnliches, kleines Chaos navigieren mussten und Freundschaften so sehr schnell entstehen konnten.

Zurück in Erfurt angekommen, hatte Marie durch die intensive Zeit das Gefühl, dass das knappe halbe Jahr in Sevilla viel länger auf sie gewirkt hatte. Sie fühlte sich reicher – an Geschichten, an Begegnungen, an Eindrücken und sie verspürte eine tiefe Dankbarkeit. „In Deutschland nehmen wir einen Erasmus-Aufenthalt oft als selbstverständlich. Aber für viele Länder ist er das nicht“, meint Marie. Ihr Auslandssemester in Sevilla zeigt, wie ein Auslandsaufenthalt wirklich ist: nicht nur schön, sondern auch herausfordernd, nicht nur Abenteuer, sondern auch ein ganz neuer Lebensabschnitt. Marie möchte daher alle ermutigen, ins Ausland zu gehen, sich zu trauen, sich frühzeitig zu informieren und gut zu planen, damit dann noch Raum für Spontaneität bleibt. Für Marie jedenfalls war diese Entscheidung „Das Beste, was ich hätte tun können“.

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