„Der Anspruch, Lösungen für die gesellschaftlichen Fragestellungen unserer Zeit zu finden, ist immer dabei!"

Alumni , Vorgestellt
Gebäude der Staatswissenschaftlichen Fakultät

Zum Ende des Jahres gibt’s auf dem Campus der Universität Erfurt noch einmal etwas zu feiern: die Gründung der Staatswissenschaftliche Fakultät vor 25 Jahren. Wie damals alles angefangen hat, wie die Fakultät heute dasteht und mit welchen Ideen sie in die Zukunft gehen möchte – für unseren Campusblog haben wir darüber mit Prof. Dr. Miriam Zschoche, der Dekanin der Staatswissenschaftlichen Fakultät, gesprochen…

Prof. Dr. Miriam Zschoche

Für alle, die bislang mit dem Begriff noch nie in Berührung gekommen sind: Was genau sind die „Staatswissenschaften“?
„Staatswissenschaften“ ist eine traditionelle Bezeichnung für ein interdisziplinäres Fachgebiet, das sich mit der Organisation und dem Wesen des Staates befasst. In Erfurt umfasst die Staatswissenschaftliche Fakultät die Fachbereiche Rechtswissenschaft (Öffentliches Recht und Privatrecht), Sozialwissenschaften (Politikwissenschaften und Soziologie) und Wirtschaftswissenschaft.

Die Staatswissenschaftliche Fakultät feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen, die Universität Erfurt selbst wurde aber bereits 1994 wiedergegründet. Das heißt, die Fakultät kam erst deutlich später hinzu. Wie kam es dazu, sie in Erfurt zu etablieren – welche Idee stand dahinter und wie hat das seinerzeit angefangen?
Da es in der DDR in den 1970er-Jahren, anders als in Westdeutschland, keine Gründungswelle neuer Universitäten gab, fehlte es nach der „Wende“ an universitären Bildungseinrichtungen. In der wiedergegründeten Universität Erfurt sollte der Schwerpunkt auf Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften liegen. Hierfür gab es eine Empfehlung des Wissenschaftsrates. Dieser hatte damals auch empfohlen, die Besetzung der Professuren auf das Ende der 1990er-Jahre zu verschieben. Mit der Neubesetzung der meisten Professuren in der ehemaligen DDR war Anfang der 1990er-Jahre der Professorenmarkt „leergefegt”. Man wollte deshalb abwarten, bis sich eine neue Generation von Postdocs qualifiziert, damit wieder genügend geeignete Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen. Deshalb also der Start der Staatswissenschaftlichen Fakultät erst im Jahr 2000. Spiritus Rektor der Fakultät war der Heidelberger Soziologe Wolfgang Schluchter. Er ist der Max-Weber-Experte in Deutschland. Da Max Weber ausgebildeter Jurist war, die Soziologie begründete und zugleich Vorlesungen in Nationalökonomie hielt und eine  „Einheit der Sozialwissenschaften“ vertrat, lag eine interdisziplinäre Ausrichtung der Fakultät nahe. 

Die Fakultät wirbt selbst damit, in der deutschen Hochschullandschaft einzigartig zu sein – was genau ist denn das Besondere an diesem Angebot in Erfurt?
Das ist die Interdisziplinarität des Studiums. Die Studierenden können aus den drei Bereichen Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaft individuelle Schwerpunkte setzen und Verbindungen knüpfen. Im Laufe der Zeit kamen noch die Bachelor-Studienfächer Internationale Beziehungen und Management hinzu. Im Master setzt sich dieses Angebot fort.

Wenn man mit Studierenden, aber auch Kolleginnen und Kollegen aus der Fakultät spricht, hat man den Eindruck, die Leute sind stolz, das „Stawi“-Label zu tragen – nicht zuletzt auf den fakultätseigenen Hoodies – bzw. zur „Stawi“-Familie zu gehören. Wie gelingt das der Fakultät, was macht diesen Erfolg aus?
Ein Grund ist sicherlich, dass die Studierenden an der Staatswissenschaftlichen Fakultät aus ganz Deutschland kommen. Das heißt, es entstehen viele neue Freundschaften, was zu einem starken Zusammenhalt zwischen den Studierenden in Erfurt führt. Dieser Zusammenhalt besteht dann häufig über die Studienzeit hinaus. Nicht wenige Alumni kommen nach Erfurt zurück – sei es für einen Besuch oder für längere Zeit, zum Beispiel, um zu promovieren. Dieses Gemeinschaftsgefühl wird außerdem durch die aktive Arbeit des Alumni-Vereins unterstützt.

Wie viele Absolvent*innen hat die Fakultät denn in den vergangenen 25 Jahren hervorgebracht – haben Sie da eine Zahl parat?
Insgesamt waren es mehr als 5.600 Absolvent*innen über die verschiedenen Studienprogramme hinweg.

Welche Berufschancen haben Ihre Absolvent*innen? Können Sie da ein paar Beispiele nennen?
Unsere Absolvent*innen haben sehr vielfältige Berufschancen: Ministerien, Verbände, Vereine, Behörden, Wissenschaft, Unternehmen – man findet unsere Alumni fast überall. Einige Absolvent*innen haben inzwischen hohe politische Ämter, dazu zählen etwa der Bundesumweltminister Carsten Schneider oder die Staatsministerin Elisabeth Kaiser.

Und wie sieht es mit der Forschung an der Fakultät aus – inwieweit trägt sie zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen und deren Lösungen bei?
Wie in der Lehre ist die Fakultät auch in der Forschung sehr breit aufgestellt. Der Anspruch, Lösungen für aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen zu finden, ist eigentlich immer dabei. Die Themen reichen von rechtliche Aspekten Künstlicher Intelligenz im Unternehmenswettbewerb bis zu Herausforderungen des Klimawandels in der Umsetzung von Geldpolitik. Auch in der Forschung findet sich dabei häufig ein interdisziplinärer Ansatz, um neuartige Antworten auf aktuelle wirtschaftliche, rechtliche, politische und gesellschaftliche Fragestellungen zu finden.

Die Fakultät ist also im 25. Jahr ihres Bestehens gut aufgestellt. Mit welchen Gedanken blicken Sie als Dekanin in die Zukunft?
Natürlich muss man sich als Fakultät permanent weiterentwickeln, um attraktiv für Studierende zu bleiben und an der wissenschaftlichen Debatte teilzuhaben. Wir arbeiten kontinuierlich an unserem Studienangebot, zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Studiengänge oder durch die Einführung neuer Lehr- und Prüfungsformen. Dass unser Lehrangebot junge Menschen nach wie vor anspricht, sehen wir an der erfreulichen Entwicklung unserer Studierendenzahlen, die sich positiv vom allgemeinen Trend sinkenden Studierendenzahlen abhebt. Die Mitglieder unserer Fakultät leisten mit ihrer Forschung einen sichtbaren Beitrag zum jeweiligen Fachgebiet und zur öffentlichen Diskussion. Deshalb blicke ich mit positiven Gedanken in die Zukunft.

Am 3. Dezember soll das Jubiläum der Staatswissenschaftlichen Fakultät groß gefeiert werden – was ist da geplant?
Es wird ein großes Wiedersehen mit ehemaligen Mitgliedern und Studierenden der Fakultät werden. Als Festredner konnten wir Bundespräsident a.D. Joachim Gauck gewinnen, der zum Thema „Die liberale Demokratie in Zeiten der Erschütterungen“ spricht. Es wird eine Mischung aus dem Blick zurück und dem Blick nach vorn, auf die ich mich schon sehr freue.

Zum 25. Geburtstag der Staatswissenschaftlichen Fakultät gratulieren zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, aber auch Alumni und Studierende – hier in unserem kleinen Video.

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