Belgien, Guatemala, Kenia, Nicaragua: Wie Erfurter Lehramtsstudierende Erfahrungen rund um den Globus sammeln

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Unser Leben wird immer globaler, interkultureller und internationaler. Und damit auch unsere Klassenzimmer. Die Universität Erfurt bereitet ihre Studierenden nicht nur durch die theoretische Ausbildung in Seminaren und Vorlesungen darauf vor, sondern bietet ihnen auch im Rahmen des Projekts ELsA (Erfurter Lehramtsstudierende im Ausland) die Möglichkeit, das im Master-Studiengang obligatorische Komplexe Schulpraktikum (KSP) im Ausland zu absolvieren. Eine Besonderheit in der Lehramtsausbildung in Erfurt. Die Chance, internationale Erfahrungen zu sammeln, haben Lehramtsstudierende im Master-Studium für Grund- und Regelschule auch im vergangenen Sommersemester genutzt. Unter ihren Reisezielen waren unter anderem Belgien, Guatemala, Kenia und Nicaragua.

Ich habe großartige Menschen und neue Freunde kennengelernt. Sie vermisse ich am meisten. Und die belgischen Waffeln!

Paula Marie studiert den Master of Education Grundschule an der Uni Erfurt. Die 24-Jährige zog es im vergangenen Sommersemester für ihr komplexes Schulpraktikum (KSP) in die belgische Hauptstadt Brüssel. An der internationalen Deutschen Schule Brüssel (iDSB) begleitete und unterstützte sie vier Monate lang Lehrer*innen in den Fächern Mathe, Deutsch, Kunst sowie Heimat- und Sachkunde. Dabei hielt sie auch selbst Unterrichtsstunden. Für die iDSB entschied sie sich vor allem wegen des Schulkonzepts. „Die Schule bietet eine Ganztagsbetreuung mit vielfältigen Arbeitsgemeinschaften, in denen die Kinder individuelle Fähigkeiten entwickeln können und gezielt gefördert werden. Außerdem gibt es am Vormittag ein so genanntes Lernatelier an, bei dem die Schüler*innen klassenübergreifend unterrichtet werden.“ Durch die Zeit in Brüssel habe sie nicht nur tolle neue Eindrücke von einem anderen Land und einer europäischen Großstadt gesammelt, sondern auch vielfältige interkulturelle Erfahrungen gemacht. „Ich habe großartige Menschen und neue Freunde kennengelernt. Sie vermisse ich am meisten. Und die belgischen Waffeln! Aber ich habe mir zumindest ein Rezept dafür mit nach Deutschland gebracht.“ Eine große Herausforderung während ihres Aufenthalts gab es dann aber doch: „Ich reiste nach Brüssel, ohne ein Wort Französisch zu sprechen“, erinnert sich Paula Marie. „Aber zum Glück kann man mit Englisch fast jede Situation meistern. Und durch das ständige Sprechen haben sich meine Englisch-Kenntnisse deutlich verbessert. Und ein klein wenig Französisch spreche ich jetzt auch.“

Aus meinem Auslandspraktikum nehme ich auf jeden Fall viele inspirierende Unterrichtsideen, digitale Tools und Methoden mit.

Ähnliches berichtet auch Lena. Sie war ebenfalls an der internationalen Deutschen Schule Brüssel. „Meine Fremdsprachenkenntnisse habe ich noch nie so sehr genutzt, wie während dieser Zeit. Sowohl Französisch als auch Englisch. Das hat großen Spaß gemacht und ich bin wesentlich besser und sicherer geworden.“ Ihr viereinhalbmonatiges Praktikum absolvierte sie in der Oberschule in den Fächern Musik und Französisch. Im Vorfeld ihres Aufenthalts sei vor allem die Wohnungssuche aufwendig gewesen, doch habe sie ihre Gastgeberschule dabei sehr unterstützt. „Das war eine große Hilfe“, betont Lena. „Ich habe in einer WG in der Nähe der Schule gewohnt. Mein Arbeitsweg war sehr kurz, die Entfernung in die Innenstadt allerdings dadurch etwas weiter. Mit Tram und Metro kommt man in Brüssel aber sehr schnell voran. In der WG lebte ich gemeinsam mit einer anderen Praktikantin, einem Schüler der iDSB, einem Studenten aus Ungarn und einem NATO-Mitarbeiter.“ Miete, Lebensmittel und der tägliche Bedarf seien in Brüssel zwar teurer als in Deutschland. Das vielfältige und kostengünstige Kulturangebot in der Stadt entschädige aber dafür. Ihre anfänglichen Sorgen hinsichtlich der Finanzierung ihres Aufenthalts konnten dank eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) schnell ausgeräumt werden, wodurch sich Lena vollkommen auf ihr Praktikum konzentrieren und die Zeit in Brüssel genießen konnte. „Aus meinem Auslandspraktikum nehme ich auf jeden Fall viele inspirierende Unterrichtsideen, digitale Tools und Methoden mit. Ich konnte mich selbst und verschiedene Unterrichtsmethoden ausprobieren und mich in meiner Rolle als Lehrerin finden. Ich habe auch erkannt, dass es den ‚perfekten‘ Unterricht nicht gibt. Das Studium ist zweifelsohne hilfreich und eine gute Vorbereitung, aber das meiste habe ich im Praxissemester am Ende des Studiums gelernt.“ Die Zeit im Ausland hat Lena einen Perspektivwechsel ermöglicht, der ihr auch gezeigt hat, wie es sich anfühlt, vollkommen fremd in einer neuen Umgebung zu sein. Das sensibilisiere für die Arbeit in einem mehrsprachigen Kontext und fördere eine weltoffene Haltung gegenüber anderen Kulturen. Und sei auch für den schulischen Alltag in Deutschland ein großer Vorteil. „Die Entscheidung für das Auslandspraktikum und den Aufwand, den es bedeutet, bereue ich auf keinen Fall. Ich würde alles genauso wieder machen. Der Blick über den Tellerrand lohnt sich definitiv. Man wächst über sich hinaus, lernt neue Leute kennen und sammelt viele neue Eindrücke und Erfahrungen.“ Nach ihrer Auslandserfahrung zieht es sie weiter in die Fremde: „Später einmal als Lehrerin an einer Schule im Ausland zu unterrichten und so die Welt zu bereisen, ist eine wirklich schöne Vorstellung!“

Es gibt so viel zu entdecken und man erlebt fantastische Dinge.

In die Fremde zog es auch Jana. Die 26-Jährige studiert den Master of Education Grundschule im vierten Semester. In der Millionenmetropole Nairobi, der Hauptstadt Kenias, absolvierte sie ein viermonatiges Praktikum an der Deutschen Schule. „Eine Buchautorin hat mir den Kontinent und seine Natur schmackhaft gemacht, sodass ich mich für Afrika entschied. Kenia wurde es dann aufgrund der Zusage der Schule“, erinnert sie sich. Und sie wagte das Abenteuer, auch wenn sie anfangs Angst hatte, dass ihre Sprachkenntnisse nicht ausreichen würden. „Mir lag Englisch noch nie so richtig, doch durch meinen Aufenthalt im Ausland konnte ich meine Sprachkenntnisse auf jeden Fall verbessern. Mittlerweile komme ich mit Englisch sehr gut im Alltag und der Schule zurecht.“ Und dies ist für sie nur ein Grund von vielen, ein Auslandspraktikum zu wagen. „Es ist wichtig, den Blick über den Tellerrand zu richten und den eigenen Horizont zu erweitern. Es gibt so viel zu entdecken und man erlebt fantastische Dinge.“ Es sei vor allem die Eigenständigkeit und -verantwortung, die man durch das Leben und Arbeiten in einem anderen Land erlerne. Beispielsweise bei mehrtägigen Schulprojekten, die Jana mit anderen Lehrkräften begleitete. Überhaupt hat die Gastschule sie sehr unterstützt: Sie stellt den Praktikanten beispielsweise eine kostenlose Unterkunft auf dem Schulgelände zur Verfügung. Im Gegenzug übernehmen diese dann eine Pausenaufsicht pro Woche. Das sei von Beginn an eine große Erleichterung hinsichtlich der Organisation und Lebenshaltungskosten gewesen, sagt Jana. Für Lebensmittel benötigte sie pro Woche zwischen 3.000 und 4.000 kenianische Schilling, was umgerechnet etwa 20 bis 30 Euro sind. „Auf meinen geliebten Käse habe ich zwar nicht verzichtet, auch wenn der in Kenia vergleichsweise teuer ist. Aber dafür habe ich andere, in Deutschland selbstverständliche Dinge vermisst: beispielsweise ohne Bedenken Leitungswasser zu trinken, aber auch eine ordentliche Dusche. Aus Kenia habe ich vor allem die Erkenntnis mitgenommen, dass meine Lebensumstände in Deutschland sehr gut sind. Das Leben dort ist nicht vergleichbar mit dem in Deutschland. Es sind die Kleinigkeiten, die ich jetzt mehr zu schätzen weiß: sauberes Wasser, eine warme Dusche und eine Infrastruktur mit gutem Internetzugang und ohne Stromausfälle.“ Wieder zurück in Deutschland vermisst sie dennoch den afrikanischen Kontinent. Allem voran ihre neuen Freunde in Nairobi und im stressigen deutschen Alltag die Gelassenheit der Kenianer. Gebeten, ihren Aufenthalt in drei Worten zu beschreiben, muss sie nicht lange überlegen: „atemberaubend, einzigartig, aufregend“.

Während des Praktikums hatte ich insgesamt fünf Wochen Ferien, in denen ich andere Städte und Sehenswürdigkeiten im ganzen Land besuchte.

Dieser Beschreibung würde sich sicher auch Gesa für ihr Auslandspraktikum anschließen. Die 25-Jährige studiert im vierten Semester den Master of Education Grundschule in den Unterrichtsfächern Mathematik und Werken. In der Hauptstadt Guatemalas, „Ciudad de Guatemala“, absolvierte sie ein fünfmonatiges Praktikum an einer Deutschen Schule in den Fächern Mathe, Deutsch als Zweitsprache und Sachunterricht. „Ich wollte gern in ein spanischsprachiges Land, was die Auswahl schon etwas eingrenzte. Spanien selbst kam für mich nicht in Frage, weil ich einen Kontrast zum Leben und Arbeiten in Deutschland suchte. Auf der anderen Seite der Welt, in Zentralamerika, fand ich ihn.“ So gibt es beispielsweise in guatemaltekischen Schulen keine Flure. Alles ist offen gestaltet. Die Klassenräume sind sozusagen in die Natur integriert. Es gibt überdachte Wege, an die die Klassenzimmer angrenzen. „Das ist besonders in der Regenzeit sehr praktisch“, sagt Gesa. Technisch sei die Schule dort deutlich besser ausgestattet als deutsche Schulen, findet sie. „In jeder Klasse gibt es ein Smartboard, jede Lehrkraft hat ein MacBook und die Schüler nutzen Tablets. Außerdem gibt es auf dem Schulgelände ein Schwimmbecken, eine Laufbahn und einen Fußballplatz.“ Unterschiede gebe es auch im Unterricht. Noch werde in Guatemala vermehrt frontal unterrichtet. „Allerdings kann man einen Wandel beobachten, wie der Unterricht auch dort interaktiver wird.“ In den ersten Praktikumswochen waren für Gesa außerdem die bewaffneten Sicherheitskräfte und Kontrollen am Schultor befremdlich. „Irgendwann wird es aber zur Normalität, da man die Sicherheitskräfte überall sieht. Angst hatte ich deshalb keine. Man muss aber natürlich aufmerksam sein und wissen, wo man sich aufhalten kann oder welche Straßen man abends meiden sollte.“ Nichtsdestotrotz seien die Guatemalteken überaus freundlich und hilfsbereit. „Die Unkompliziertheit und Leichtigkeit der Einheimischen vermisse ich etwas hier in Deutschland.“

Während ihres fünfmonatigen Aufenthalts war Gesa bei einer Gastfamilie untergebracht und hatte so die Gelegenheit, tief in das Leben vor Ort einzutauchen. Darüber hinaus hat sie die Chance genutzt, Guatemalas Landschaft und die Kultur zu erkunden. Dafür nutzte sie vor allem die insgesamt fünf Wochen Ferien, die sie während ihres Praktikums hatte. „Gerade bei diesen Reisen konnte ich meine Spanischkenntnisse verbessern. Außerdem hatte ich an meiner Schule die Möglichkeit, Spanisch-Unterricht zu nehmen und ich habe zusätzlich einen Sprachkurs in den Osterferien am Lago de Atitlan gemacht, dem zweitgrößten See des Landes, der wunderschön gelegen ist.“ Und so fiel Gesa das Sprechen auf Spanisch im Laufe der Zeit immer leichter. „Vor allem in der Grundschule kommt man um das Spanisch-Sprechen nicht herum. Denn den Schülerinnen und Schülern fällt es schwer, Deutsch zu sprechen, sie müssen immer wieder dazu animiert werden.“ Zurück in Deutschland hatte Gesa nicht nur ihre Sprachkenntnisse verbessert und neue Impulse und Anregungen für ihre berufliche Zukunft im Gepäck, sondern auch viele wunderbare Eindrücke über das mittelamerikanische Land und dessen Menschen. Eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte. Nun möchte sie andere Studierende ermutigen, die weite Reise und das Abenteuer auf der anderen Seite der Erde zu wagen. Ein paar Tipps dazu hat sie auch: „Informiert euch vorher gut über euer Praktikumsland! Unterhaltet euch an eurer Praktikumsschule mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über das Leben vor Ort. Seid offen für eure eigenen Erfahrungen. Und ganz wichtig: Plant genug Zeit ein, um möglichst viel von eurem Gastgeberland zu sehen.“

In der Welt gibt es so viel zu sehen und zu erleben, auch schulisch. Das Unterrichten in anderen Ländern kann ganz anders sein als im eigenen Land und einem vollkommen neue pädagogische Möglichkeiten und Ansichten eröffnen.

Ebenfalls nach Mittelamerika, genauer gesagt nach Nicaragua, führte das Auslandspraktikum Alina. Auch sie studiert im vierten Fachsemester den Master of Education Grundschule für den Unterricht in den Fächern Mathematik und Werken. Für fast sechs Monate absolvierte die 25-Jährige ihr Praktikum an einer deutschen Schule in Managua, der Hauptstadt Nicaraguas mit rund einer Million Einwohnern. „Mich hat das Land sehr interessiert, da ich bis dahin nicht viel darüber wusste und auch meinen Freunden war Nicaragua gar nicht so bekannt. Es ist sicher kein typisches Reiseziel und vermutlich erst recht kein typisches Ziel für ein Auslandspraktikum.“ Mit reichlich Abenteuerlust im Gepäck machte sich Alina also auf den Weg in das fast 10.000 Kilometer entfernte Land. In Managua lebte sie bei einer Gastfamilie, die sich um alles kümmerte. „Dank der Gastfreundschaft und der Offenheit der Menschen fühlte ich mich sofort sehr willkommen, fast heimisch“, sagt Alina, wenn sie an ihre Ankunft zurückdenkt. Auch in ihrer Praktikumsschule sei sie herzlich aufgenommen worden. Dennoch sei die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern für sie nicht immer ganz einfach gewesen. „Die größte Herausforderung war für mich vor allem die Sprache. Natürlich sprachen die Grundschüler an meiner deutschen Auslandsschule noch nicht sehr gut Deutsch und ich hatte nur ein paar wenige Spanisch-Kenntnisse aus meiner Schulzeit.“ Da habe es hin und wieder Verständnisschwierigkeiten gegeben. „Aber nichts, das unlösbar gewesen wäre!“ Überhaupt hätten sich alle stets gegenseitig unterstützt. „Ich durfte auch besondere Projekte unterstützen und begleiten. Beispielsweise gab es ein großes Sommerfest und eine Projektwoche mit einem Besuch in einem Naturpark, bei dem ich eigene Aufgaben übernahm, und die anschließende Projektbearbeitung begleitete“, erinnert sich Alina.

Der Aufenthalt in Nicaragua hat ihr gezeigt, dass sie den für sie richtigen Beruf ergreifen möchte: „In der Welt gibt es so viel zu sehen und zu erleben, auch schulisch. Das Unterrichten in anderen Ländern kann ganz anders sein als im eigenen Land und einem vollkommen neue pädagogische Möglichkeiten und Ansichten eröffnen.“ Und manchmal, das habe sie in Nicaragua gelernt, müsse man einfach nur entspannt und locker bleiben, sagt die angehende Lehrerin und empfiehlt allen Studierenden, das Komplexe Schulpraktikum im Ausland zu absolvieren: „Macht es einfach! Drei Monate vergehen wie im Flug. Aber nehmt diese einzigartigen Erfahrungen für euer Leben mit! Und wenn ihr nicht allein ins Ausland gehen möchtet, könnt ihr das Praktikum auch gemeinsam mit Freunden machen. Egal wie, aber probiert es unbedingt aus!“

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