Nachwuchsnetzwerk „Historische Afrikaforschung“ an der Universität Erfurt

Die Geschichtsforschung zu Afrika an der Universität Erfurt hat sich seit 2013 intensiviert. Insbesondere die Afrika-Bestände der Sammlung Perthes sind durch zahlreiche Mitarbeiter*innen, Gastwissenschaftler*innen und Stipendiaten*innen beforscht worden. Aus diesen Aktivitäten sind verschiedentliche Initiativen und Projekte hervorgegangen, etwa das inzwischen erfolgreich abgeschlossene Forschungsprojekt „Kartographische Quellen und Territoriale Transformationen Äthiopiens seit dem späten 18. Jahrhundert (ETHIOMAP)“. In dem Zusammenhang entstand eine enge Kooperation mit der Mekelle University, die inzwischen zur Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“, gemeinsam durchgeführten Konferenzen, einem Austausch in der Lehre und der Zusammenarbeit mit weiteren äthiopischen Partner, etwa der University of Bahir Dar, geführt hat.

Mittlerweile geht die Beschäftigung mit der Geschichte Afrikas deutlich über die Arbeit mit den Beständen der Sammlung Perthes hinaus. So verfolgen mehrere Doktorand*innen und Habilitand*innen Projekte mit Afrikabezug und widmen sich einer Vielfalt von Fragen und Themenfeldern. Um die bestehenden Projekte, Initiativen und Kooperationen zu Afrika an der Universität Erfurt zu vernetzten, haben wir im November 2020 die Arbeitsgruppe Historische Afrikaforschung gegründet. Mit dieser wurde ein Forum geschaffen, in dem die Beteiligten wechselseitig von ihren diversen Regionalexpertisen und Themenkompetenzen profitieren sowie sich bei ihren Aktivitäten (z. B. Vortragseinladungen, Veranstaltungsorganisation, Antragsstellung) unterstützen. Dabei betont die Bezeichnung „historische Afrikaforschung“ das historische Interesse der Gruppe und signalisiert zugleich Offenheit auch für potenzielle Mitglieder aus anderen Disziplinen als der Geschichtswissenschaft, die dieses Interesse teilen. Thematisch lassen sich drei verbindende Schnittfelder unserer Forschung identifizieren:

Afrika in der Welt: Die Konstituierung von Räumen

Themen der afrikanischen Geschichte werden an der Universität Erfurt überwiegend im Zusammenhang ihrer transregionalen, transkulturellen, internationalen und globalen Verflechtungen beforscht. Häufig gilt der räumlichen Dimension der untersuchten Vorgänge ein besonderes Interesse. Raumbezogene Forschungsthemen verweisen etwa auf Migrationsbewegungen, transkoloniale Netzwerke, auf die Herausbildung epistemischer und politischer Räume im Zuge der territorialen Entfaltung kolonialer Macht, wie durch Verfahren des Grenzen Ziehens  oder auch der Insularisierung. Einige Forschungsvorhaben integrieren Fallbeispiele aus Afrika in emergenten transkontinentalen Beobachtungsräumen, indem sie etwa die globalen Netzwerke von illegalem Handel oder die Kooperationen innerhalb der realsozialistischen Welt untersuchen.

Zeitenwenden in Afrika: Kolonie und Postkolonie

Epochal umfassen unsere Forschungen zur Geschichte Afrikas das 19. und das 20. Jahrhundert. Während einige Projekte die Phase des Hochimperialismus thematisieren, untersuchen andere die Transformationsphase zwischen Kolonie und Postkolonie. Dabei gilt ein besonderes Interesse dem vielfachen Wechselverhältnis zwischen Kaltem Krieg und Dekolonisation. Von ihrem jeweiligen Forschungsgegenstand her gewinnen einige Projekte neue Einsichten in die viel diskutierte Frage, ob der Beginn und das Ende der Kolonialherrschaft in Afrika historische Zäsuren markierten – oder ob sich womöglich andere Zeitenwenden zu erkennen geben.

Hinwendung zum Politischen

Drittens schließlich akzentuieren viele unserer Projekte die politische Dimension ihrer Themen, ohne selbst Politikgeschichte im engeren Sinne zu betreiben. Dies beinhaltet etwa die Mobilisierung von Freiwilligkeit im Zusammenhang der Dekolonisation, die Steuerung von Arbeits- und Fluchtmigration, die politische Instrumentalisierung von Tieren oder die Auswirkungen afrikanischer Politiken auf die internationale Ordnung. Auch die politischen Implikationen von Wissensproduktion, von Ethnogenese, des Handels mit Betäubungsmitteln oder etwa die politische Lenkung von Vielsprachigkeit spielen hier eine Rolle.

Ziele

Über das genannte Kernziel der Schaffung eines Forums für Austausch und Vernetzung hinaus widmet sich die Arbeitsgruppe den folgenden weiteren Zielen:

  • Unterstützung von Initiativen der Mitglieder im Bereich der Afrikaforschung (Vortragseinladungen, Veranstaltungsorganisation, Antragsstellung)
  • Erkundung der Potenziale der Sammlungen der Universität Erfurt, insbesondere der Sammlung Perthes Gotha, für die historisch orientierte Afrikaforschung
  • Pflege und Ausbau der internationalen Kooperationen der Universität Erfurt mit Universitäten in Afrika sowie Anbahnung weiterer Kooperationen
  • Stärkung historischer Perspektiven innerhalb der interdisziplinären Afrikaforschung in Deutschland
  • Begleitung der Gotha-Erfurter Stipendienprogramme und der afrikanischen Stipendiat*innen
  • Einbindung von Themen der historischen Afrikaforschung in die Lehre

Mitglieder

Dr. Claudia Berger, Annika Dörner, Dr. Sarah Frenking, Prof. Dr. Omar Kamil, Dr. Christian Methfessel, Tobias Mörike, Dr. Reiner Prass, Dr. Ned Richardson-Little, Michael Rösser, Prof. Dr. Iris Schröder, Dr. Felix Schürmann, Ass. Prof. Dr. Wolbert Smidt, Dr. Carolyn Taratko, Dr. Florian Wagner, Dr. Anja Werner

 

Koordination & Ansprechpartner

Projektleiterin des DFG-Forschungsprojektes Schwarze und taube westliche Missionare und Gehörlosenbildung in Ghana und Nigeria: Leben und Werk von Berta und Andrew Foster – eine globalgeschichtliche Fallstudie
(Forschungskolleg Transkulturelle Studien / Sammlung Perthes)

Bilder: Itinerar-Aufnahmen im Aegyptisch-Abessinischen Grenzgebiet. Ausgeführt von Josef Menges Januar bis April 1881, in: Dr. A. Petermann's Mitteilungen aus Justus Perthes' Geographischer Anstalt 30 (1884), Tafel 8, Maßstab: 1:500 000 © Sammlung Perthes; Eisenbahn in Deutsch-Ostafrika © W. Lange/Bildarchiv der Deutschen Kolonialgesellschaft (Universitätsbibliothek Frankfurt a. M.); Fischer in Accra (Ghana), September 2008 © Felix Schürmann