Mit Vorträgen und Diskussionen widmen sich die traditionellen Kreuzgang-Gespräche, eine Kooperationsveranstaltung der Katholisch-Theologischen Fakultät mit dem Katholischen Forum im Land Thüringen, jeweils aktuellen Themen aus Kirche und Gesellschaft. Die Gespräche werden immer an drei Abenden im Frühjahr veranstaltet und richten sich dabei explizit an eine interessierte Öffentlichkeit.
„Hoffnung, die bewegt“ – unter diesem Motto standen die Kreuzganggespräche 2025, die in diesem Jahr passenderweise um Ostern herum stattfanden. Die Veranstaltungsreihe wurde zu Beginn der Karwoche mit einem Vortrag des Theologen, Politikers und Bürgerrechtlers Frank Richter eröffnet, der aus seiner persönlichen, politischen und theologischen Erfahrung heraus ein Plädoyer für die Hoffnung hielt. Hoffnung finde er etwa in der Institution des Kirchenasyls, nicht nur weil sie der Kirche Glaubwürdigkeit verleihe, sondern auch, weil mit den geflüchteten Menschen selbst sehr viel Hoffnung in unser Land komme. Auch die Erfahrungen während der Friedlichen Revolution, für die eine kleine christliche Minderheit entscheidend war, geben ihm Hoffnung. Die Trias aus Glaube, Hoffnung und Liebe, in denen die Hoffnung als eine Art „Sandwich-Tugend“ fungiere, habe heute an Bedeutung verloren: Glaube werde gegenüber der Wissenschaft als „defizitär“ wahrgenommen, Hoffnung als eine Art „letzter Strohhalm“ verstanden, und die Liebe spiele als „Himmelsmacht, gegen die man sich nicht wehren kann“ zwar immer noch eine Rolle, werde hierbei aber vor allem auf erotische Liebe und Sexualität reduziert oder am anderen Ende des Spektrums als reines „Gutmenschentum“ interpretiert. Die übergeordneten Tugenden und letzten Fragen dürften aber, gerade zu Krisenzeiten, nicht vergessen werden, so Richter. Doch wie kann man in eben diesen Zeiten das Vertrauen in die Hoffnung behalten? Hierzu erzählte Richter von seiner Großmutter, die den Karsamstag als bewusste Zäsur und Zeit der Besinnung praktizierte. Der Karsamstag sei eine „Übung für das Aushalten, Stillsein und Warten-Können“, aus der man für unsere heutige Lebensrealität ableiten kann: „Es gibt Zeiten der Ungewissheit, die es auszuhalten gilt.“
Mit einer anderen Definition von Hoffnung begann die Linzer Pastoraltheologin Klara Antonia Csiszar ihren Vortrag am zweiten Abend der Reihe: „Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Diese Art der Hoffnung habe sie auch während ihres Engagements im Rahmen der Weltsynode motiviert. In der Synodalität sieht Csiszar nicht nur einen neuen Weg für die Kirche, sondern ein im gesamtgesellschaftlichen Kontext „antizyklisches Projekt“, da es „statt Spaltung Kohäsion und Wechselseitigkeit“ anstrebe. Anschließend an den verstorbenen Papst Franziskus begreife sie Synodalität als Prozess im Sinne einer „pilgernden, sich wandelnden Kirche“, aber auch als spirituelle Haltung, die es möglich macht, trotz Unterschieden im Gespräch zu bleiben. Spannungen sollen hierbei nicht vermieden, sondern aktiv adressiert werden. Ziel sei es, eine heilsame Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung zu finden, die Katholizität in ihrer Diversität annehme und widerspiegele.
Um Hoffnung als innere Haltung beziehungsweise als zutiefst menschliches Weltverständnis ging es auch im Vortrag von Bischof Michael Gerber, mit dem die diesjährigen Kreuzganggespräche zu Ende gingen. Gerber begann seinen Vortrag mit einer Bestandsaufnahme unserer Gegenwart, die von einem „Verlust der großen Narrative“ geprägt sei. Hierbei dachte er an religiöse Narrative, den Glauben an stetigen Fortschritt und unbegrenztes Wachstum und die Idee, dass wir uns als Gesellschaft immer zu mehr Freiheit und mehr Demokratie hin entwickeln. Ein weiteres Merkmal unserer Realität sei der von Hartmut Rosa beschriebene „rasende Stillstand“, der von den Menschen immer mehr einfordere, ohne ihnen gleichzeitig die Perspektive eines besseren Lebens anzubieten. Es sei immer schwerer vorauszusehen, wie die Welt in den nächsten zwei oder drei Jahren aussehe. Ähnlich wie Frank Richter bemängelte auch Bischof Gerber das Fehlen von kontemplativen Unterbrechungen in unserem Alltag. All dem stellte er den hoffnungsvollen Geist der Osterevangelien gegenüber: „Gerade für unsere Zeit der großen Krisen, der großen Disruptionen, ist das Evangelium da“. Hierbei identifizierte er sechs Kernaspekte der biblischen Texte als besonders bedeutend: Menschen erführen sich als persönlich angesprochen, lernten aber gleichzeitig auch, kritisch auf die eigene Geschichte zu schauen. Zentral sei auch die Erfahrung von Vergebung und Barmherzigkeit, die in der heutigen Gesellschaft kaum noch Platz habe. So fehlten beispielsweise Räume, in denen das Übernehmen von Verantwortung geübt, eigenes Scheitern erlebt und durch Vergebung überwunden werden könne. Auch dass Verwundungen als Durchbruch zu einem neuen Leben erfahren werden können und die Erfahrung einer bleibenden Unverfügbarkeit, die sich etwa in der Begegnug des auferstandenen Jesus mit Maria Magdalena und seinem Ausspruch „Noli me tangere“ zeigt, sind nach Meinung des Fuldaer Bischofs essenzielle Botschaften des Evangeliums, die durch die Erfahrung eines persönlichen Auftrags im Kontext einer gemeinschaftlichen Sendung ergänzt werden. Diese Botschaft sei „mehr als nur eine Idee“. Sie gebe vielmehr der Dynamik der Seele und den Brüchen in der eigenen Biographie einen Sinn und spende dadurch eine Hoffnung, die anders als Optimismus Negativität und Unverfügbarkeit mit einschließe.