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"Gemeinsame kulturpolitische Aktivitäten rangieren nicht oben auf der Skala"

Mit rund 448.000 Euro hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den vergangenen drei Jahren das Projekt "KuBiLa Kulturelle Bildungslandkarten" im Fachbereich Kunst der Universität Erfurt gefördert, in dem es um eine visuelle sozialräumliche Netzwerkanalyse kooperativer kultureller Bildung in ländlichen Räumen ging. Im Rahmen einer Abschlusstagung haben die Akteur*innen jetzt Bilanz gezogen. Wir haben einmal bei Projektleiterin Prof. Dr. Ulrike Stutz nachgefragt...

Professor Dr. Ulrike Stutz

Frau Prof. Stutz, zunächst einmal, was genau verbirgt sich hinter dem Projekt, oder anders gefragt: Was waren die Idee und das Ziel von KuBiLa?
In "KuBiLa" haben wir Strukturen kultureller Bildung in ländlichen Räumen in Ostdeutschland untersucht. Unser Fokus lag dabei auf Vernetzung und Kooperation als zwei Faktoren, denen eine unterstützende Wirkung gerade für die Bildungsarbeit in strukturschwachen Regionen zugesprochen wird. Wir wollten jedoch nicht nur Kooperations- und Vernetzungsbeziehungen untersuchen, sondern diese auch anregen, um so im Sinne eines Community-Research eine Partizipation von Akteuren einer Nordthüringer Modellregion zu ermöglichen. Dafür haben wir eine Online-Landkarte entwickelt, auf die Orte kultureller Bildung mit Geo-Markern angelegt und beschrieben werden können (www.kubi-map.de). So wird eine Sichtbarkeit von Kultur-Orten aus der Perspektive der Befragten geschaffen und als ein erster Schritt von Austausch und Zusammenarbeit werden regionale Informationen geliefert. Wesentlich ist für uns die niedrigschwellige Zugänglichkeit und barrierearme Gestaltung unserer Website: Es können Orte informeller, non-formaler und formaler kultureller Bildung von jeder Person ohne Anmeldung eingetragen werden, wobei die Eintragungen vom KuBiLa-Team freigegeben werden müssen. Alle Texte sind außerdem auch in "Leichter Sprache" verfasst. Und darüber hinaus haben wir mit Vernetzungsworkshops den Dialog von Kultur- und Bildungsakteuren der Region angeregt.

Wie haben Sie sich dieser Aufgabe genähert, wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben empirische Untersuchungen mit unterschiedlichen Methoden unternommen. Hierzu gehörte eine sekundärstatistische Analyse von Rahmenbedingungen kultureller Bildung in einer Nordthüringer Modellregion, in die drei Landkreise Nordhausen, Unstrut-Hainich und Kyffhäuser einbezogen wurden. Der dazu gebildete Index „Rahmenbedingungen Kultureller Bildung“ wurde auch auf zwei ostdeutsche Vergleichsregionen (Vogtland, Sachsen; Elbe-Elster, Brandenburg) bezogen. Wir haben außerdem sowohl in der Modellregion als auch in den Vergleichsregionen standardisierte Fragebögen zu Kooperations-. und Vernetzungsbeziehungen eingesetzt, die u.a. mit einer visuellen Netzwerkanalyse ausgewertet wurden. Darüber hinaus haben wir problemzentrierte Interviews mit Kultur- und Bildungsakteur*innen aus der Modell- und den Vergleichsregionen durchgeführt, die auf der Basis der Grounded Theory ausgewertet wurden. Ergebnisse der sekundärstatistischen Untersuchung und der Netzwerkanalyse können übrigens  auf unserer Website auf der Landkarte mittel der „Forschungsbox“ und der „Netzwerkbox“ abgerufen werden (www.karte.kubi-map.de/list).

Wer hat an dem Projekt alles mitgewirkt?
Da waren zum Beispiel Jennifer Rossi (MA Kunstpädagogik) und Fabian Hagedorn (MA Politikwissenschaft und LL.M.oec Wirtschaftsrecht) als wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, die über die gesamte Laufzeit wesentlich zum Gelingen unseres Projekts beigetragen haben. Als studentische Hilfskräfte haben uns Vanessa Rust, Justine Ludwig, Hannah Dittmann und Paul Fuchs engagiert unterstützt. Als Berater_innen waren Dr. Michael Flohr (Politische Bildung, Schwerpunkt Kulturpolitik) und Susanne Bosch, PhD (Public Art, Kunstforschung) in unserer kritischen Reflexion des Projekts dabei. Ein Dank gebührt auch Dr. Dagmar Brand, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Lernen und Neue Medien, Schule und Kindheitsforschung, die uns bei den statistischen Auswertungen unterstützt hat. Über die gesamten Projektlaufzeit konnten wir außerdem in der Region unterschiedliche Kooperationspartner gewinnen: Hierzu zählen die Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendkunstschulen Thüringen e.V., das ThILLM, der Tourismusverband Südharz Kyffhäuser e. V., das Projekt PARTHNER des Kulturrats Thüringen und das Regionalmanagement „Perspektive Nordthüringen“. Sie sehen, das sind eine ganze Menge Akteur*innen, die dazu beigetragen haben, dass KuBiLa ein Erfolg wird.

Apropos Erfolg: Das Projekt ist im April 2023 zu Ende gegangen – mit welchen Ergebnissen, was haben Sie erreichen können?
Wir haben eine ganze Reihe von Erkenntnissen gewonnen, die wir nun in verschiedenen Publikationen veröffentlichen werden. Was ich an dieser Stelle aber sagen kann: Die Akteure der kulturellen Bildung schätzen Kooperation und Vernetzung als positiv ein und sprechen dieser u.a. eine Qualitätssteigerung der eigenen Arbeit zu. Insbesondere die Akteure in der von uns untersuchten Modellregion sind jedoch vor besondere Herausforderungen gestellt, die u.a. aus Personalmangel – auch durch demografische Entwicklungen –, Doppelbelastungen, ungünstigen und kurzfristigen Finanzierungen und auch insgesamt fehlenden Strukturen in der kulturellen Bildung resultieren. Bei unser Analyse von Gründen und Ebenen der Kooperation und Vernetzung hat sich gezeigt, dass Informationsaustausch und Projektdurchführung besonders relevante Aspekte darstellen. Gemeinsame kulturpolitische Aktivitäten rangieren nicht oben auf der Skala, wobei gerade diese aber einen Ansatz darstellen könnten, fehlende oder unbefriedigende Strukturen zu verbessern.

Was war dabei für Sie persönlich der größte/schönste Erfolg im Rahmen der Projektarbeit?
Die Zusammenarbeit im Team war sehr positiv. und ich freue mich, dass wir es trotz aller Schwierigkeiten während der Corona-Pandemie geschafft haben, recht umfangreiche Eintragungen von Kultur- und Bildungsorten auf unserer Online-Bildungslandkarte zu verzeichnen – obwohl wir ja in dieser Zeit deutlich weniger Gelegenheiten hatten, unser Projekt (persönlich) bekanntzumachen.

Gab es noch mehr Hürden oder Herausforderungen, mit denen Sie zum Projektbeginn nicht gerechnet hatten?
Herausforderungen gab es tatsächlich in erster Line durch die Pandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen, die natürlich für unsere Vernetzungsaktivitäten besonders wichtig sind. So konnten beispielsweise Aktionen, die wir mit einem Forschungskiosk vor Ort durchführen wollten, nur in sehr geringem Umfang umgesetzt werden. Auch unsere mit Schulklassen geplanten Aktivitäten – die Erkundung von Kulturorten im eigenen Umfeld und das Eintragen der Orte auf unserer Online-Bildungslandkarte – konnten z.T. nur online realisiert werden. Als sehr schwierig erwies es sich außerdem, in Kontakt mit Schulen bezüglich unserer Fragebogen-Erhebung zu kommen. Mit diesem Problem einer erschwerten Zugänglichkeit von Schulen stießen wir auf ein in der kulturellen Bildung häufiges Problem, das die Entfaltung der Potenziale, die im Austausch und der Zusammenarbeit von schulischen und außerschulischen Akteuren entstehen, behindert.

Und wie wird es nun weitergehen – gibt es Anschlussprojekte oder neue Ideen zu diesem Thema?
Aktuell bin ich mit der Thüringer Staatskanzlei und der Digitalagentur Thüringen sowie mit Akteuren aus der Nordthüringer Modellregion im Austausch über einen Transfer von Teilen unseres Projekts, z.B. der interaktiven Landkarte. Ich hoffe, dass wir auf diese Weise einen weiteren Beitrag zur kulturellen Bildung in der Region leisten und unser Projekt nachhaltig verankern können.

Weitere Informationen / Kontakt:

Ulrike Stutz
Prof. Dr. Ulrike Stutz
Inhaberin der Professur für Fachdidaktik Kunst
(Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
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