ERC Advanced Grant "DeColSharia"

Über das Projekt

“(De)Colonizing Sharia?” Tracing Transformation, Change and Continuity in Islamic Law in the Middle East and North Africa (MENA) in the 19th and 20th Centuries

Die Begegnung des europäischen Kolonialismus mit dem islamischen Recht oder der Scharia, dem Hauptpfeiler der vorkolonialen Rechtssysteme im Nahen Osten und Nordafrika (MENA), hat bis heute enorme Auswirkungen. Die Einführung moderner Rechtssysteme nach europäischem Vorbild hat, wie einige Gelehrte behaupten, zur Abschaffung der Scharia geführt. Andere sehen in den rechtlichen Veränderungen, die muslimische Gesellschaften durchlaufen haben, eher ein Zeichen für die Flexibilität der Scharia als für ihren Untergang. Die Hauptfrage, die dieses Projekt behandelt, lautet:

Wie wurde die Scharia durch den Kolonialismus verändert?

Das Fragezeichen im Projekttitel „(De)Colonizing Sharia?“ erlaubt es uns, das Ausmaß der Kontinuitäten, Veränderungen oder Brüche, die die Scharia während der kolonialen und der postkolonialen Periode kennzeichneten, bewusst offen zu lassen und konzentriert sich auf die Prozesse der Transformation. Das Projekt stützt sich auf umfangreiche archivarische Feldforschung und die intensive Lektüre von Texten, um die (1) Kodifizierung/Gesetzgebung, (2) Rechtsprechung/Rechtstheorie und (3) gerichtlichen Institutionen in sieben MENA-Ländern zu untersuchen, die verschiedene Formen der kolonialen Begegnung repräsentieren. Wir konzentrieren uns auf das Handeln der juristischen Akteure, stellen paradigmatische Fallstudien für eine vergleichende Bewertung zur Verfügung und reflektieren die grundlegenden terminologischen und theoretischen Fragen, die der Frage zugrunde liegen, wie die „(De-)Kolonisierung der Scharia?“ angemessen erfasst, erforscht und beschrieben werden kann. 
Darüber hinaus erwarten mein Team und ich einen hohen Ertrag, indem wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in der MENA-Region die in europäischen Terminologien, Theorien und akademischen Traditionen begründete Wissenschaft in Frage stellen. Das Projekt wird somit Neuland betreten, indem es über die derzeitigen Ansätze und Behauptungen hinausgeht, eine eingehende und interdisziplinäre vergleichende Forschung zur Scharia durchführt und eine multivariable Datenbank mit unseren Ergebnissen erstellt. Die Ergebnisse werden für die gegenwärtigen akademischen und politischen Diskurse in Europa, dem Nahen Osten und anderswo sowie für das entstehende Feld der dekolonialen Rechtsstudien von großer Bedeutung sein.

Projektleitung

Irene Schneider
Irene Schneider
Leiterin des ERC Advanced Grant 2024: (De)Colonizing Sharia?
(Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien)
C19 – Forschungsbau „Weltbeziehungen“ / C19.01.31
Sprechzeiten
nach Vereinbarung