Mysterienkulte und Bestattungspraktiken in der römischen Antike

Mein Hauptforschungsgebiet ist die Religionsgeschichte der Randprovinzen des Römischen Reiches der Kaiserzeit, insbesondere Galliens und Germaniens. In diesen Provinzen bildeten sich eigene regionale religiöse Systeme (Provinzialreligionen), welche die Einflüsse der Reichszentrale Rom aufnahmen und vor dem Hintergrund der eigenen Panthea sowie Werte-, Zeichen- und Symbolsysteme deuteten. Dieser Prozess verlief regional auf höchst unterschiedliche Weise; während die hellenisierte Welt des Ostens auf eine jahrhundertealte Tradition entsprechender religiöser Kontakte zurückblicken konnte, waren die Kulturen an der Peripherie des Reiches im Donauraum, Gallien, Germanien und Britannien zum großen Teil schriftlos und unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von denen des mediterranen Raumes. Mit der Einführung der römischen Kultur, der Verwaltungsstrukturen und vor allem der lateinischen Sprache als Schriftsprache – auch im kultischen Bereich – vollzog sich im religiösen Bereich ein eminenter Bruch. Im Rahmen der Romanisation entwickelte sich hier spätestens seit dem 2. Jh. n. Chr. in einem Prozess der gegenseitigen Beeinflussung (Interpretatio) eine eigene regionale Religion. Diese gallo-römische Provinzialreligion lässt sich damit weder allein aus keltisch/germanischen noch aus römischen Wurzeln ableiten, sie ist ein tertium sui generis. Das Christentum konnte sich zumindest bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts im Hinterland kaum und wohl auch nicht gänzlich in den Städten durchsetzen, so dass zu den noch vorhandenen polytheistischen Religionen der ansässigen Bevölkerung die der germanischen Neusiedler hinzukamen: ein Prozess, mit dem dieses Gebiet seit Jahrhunderten vertraut war. Erst das Frühmittelalter brachte eine umfassende christliche Missionierung.
Weitere Forschungen gelten dem Verhältnis von Religion und Literatur im 2. Jh. n. Chr. am Beispiel des Satirikers Lukian von Samosata, einem wichtigen Exponenten der 2. Sophistik.
Ausgangspunkt für meine religionsgeschichtliche Untersuchung ist insbesondere die Frage, welche Rolle die exotischen, fremden Gottheiten in den religiösen Diskursen des Lukian spielen. Was ist fremd, was wird im Gegensatz dazu als Eigenes angesehen?
Religionsgeschichtlich bedeutsam ist hier vor allem die Schrift „Dea Syria“, da es hier um die konkrete Auseinandersetzung mit einem aus griechisch-römischer Sicht exotischem Kult geht. Zentrale Schriften sind ferner das „Deorum concilium“, wo die alte olympische Götteraristokratie vor dem Zustrom neuer Gottheiten gewissermaßen karikiert wird, sowie die Schriften „Iupiter confutatus“, „Iupiter tragoedus“ und die „Dialogi De Deorum“.
Ferner beschäftige ich mich mit dem Verhältnis von Kirche und Staat in der Spätantike, insbesondere mit der Organisation der spätantiken Bistümer. Die Bischöfe leiteten häufig einen immensen eigenen Wirtschaftsbetrieb – oft der größte innerhalb der Stadt – mit großen zu unterhaltenden Bauten und weiteren Bauvorhaben, organisierten die städtische Armen- und Krankenfürsorge, sorgten für den Rückkauf von Gefangenen, bzw. überwachten deren Haftbedingungen, und fungierten als Richter in innerkirchlichen und außerkirchlichen Rechtsverfahren. Aber sie wurden in den seltensten Fällen militärische und politische Oberhäupter ihrer Stadt. Umso bedeutender war die Stellung des Bischofs an der Spitze eines kirchlichen Verwaltungsapparates, der sich immer mehr organisierte und professionalisierte und somit innerhalb der Stadt subsidiär wirken konnte. Die Kirche wurde zur Ordnungsmacht, weil ihre Organisation sich auch da bewährte, wo die staatliche Verwaltung immer mehr versagte, insbesondere in Krisenzeiten.
Am Max-Weber-Kolleg werde ich mich in der Kollegforschergruppe „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“ der Frage nach dem Zusammenhang von sogenannten Mysterienkulten und Bestattungspraktiken widmen. Erstmals sollen alle in archäologischen, inschriftlichen und literarischen Quellen auffindbaren Zusammenhänge zwischen Mysterieneinweihung und Bestattungspraktiken zusammengestellt und neu interpretiert werden. Aufgrund dieser breiten Materialbasis wird individuelle religiöse Praxis an der Schnittstelle zwischen der Option der Einweihung in Mysterienkulte und der Wahlmöglichkeit der Bestattungsform diachron von der frühen Kaiserzeit bis in die Spätantike rekonstruierbar. Gleichzeitig wird die Frage nach dem Ursprung dieser Verbindung gestellt, der offenbar in Griechenland liegt. Im Mittelpunkt wird dabei die Frage stehen, wie – d.h. in welchen Medien (Inschriften, Rituale, Bilder etc.) – Individuen oder Gruppen über ihre Einweihung in Mysterienkulte mit ihrer Um- und Nachwelt kommunizierten, wie sie sowohl sich selbst als auch ihrer Umgebung die Erfahrung der Zugehörigkeit zum Mysterienkult und die Erfahrung des Todes plausibel machten.