PD Dr. Andreas Pettenkofer

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Fellow / Leitung und Koordination des Projekts "Lokale Politisierung globaler Normen" (Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien)

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PD Dr. Andreas Pettenkofer

Curriculum Vitae

Kurzvita

  • 1992-1998 Studium der Soziologie (Nebenfächer: Jura und Philosophie) an der Freien Universität Berlin und an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (Paris)
  • 1999 Werkvertrag bei der Abteilung 'Normbildung und Umwelt' am Wissenschaftszentrum Berlin
  • 2000-2003 Mitglied des Graduiertenkollegs am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Bielefeld
  • 2003-2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Georg-August-Universität Göttingen, im Bereich Gesellschaftstheorie
  • Im SoSe 2003 Kollegiat am Max-Weber-Kolleg, WS 2003/2004 - SS 2007 Gastkollegiat am Max-Weber-Kolleg; 2007 Promotion mit "Kritik und Gewalt. Zur Genealogie der westdeutschen Umweltbewegung"
  • 7/07-9/07 Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln
  • 2007-2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Fernuniversität Hagen, im Bereich Allgemeine Soziologie
  • Seit 1/09 Postdoktorand am Max-Weber-Kolleg
  • Seit SoSe 09 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Weber-Kolleg
  • Seit März 2014 wissenschaftliche Koordination des Projekts "Die lokale Politisierung globaler Normen"
  • September 2015 Habilitation am Max-Weber-Kolleg (Habilitationsschrift: "Das Verstehen der Situation. Gewalt, Affekte und die Probleme einer hermeneutischen Soziologie")
  • SoSe 2016: Vertretung der Professur für Kultur- und Wissenssoziologie an der TU Darmstadt

Publikationen

Forschungsprojekte

Forschungsprojekte

Die lokale Politisierung globaler Normen
Teilprojekt: "Beweissituationen. Grundzüge einer soziologischen Theorie der lokalen Evidenz"

Dieses Teilprojekt soll einen systematischen soziologischen Zugang zum Problem der lokalen Evidenz entwickeln, das eine entscheidende Rolle spielt, wenn Erfolg und Scheitern einer lokalen Politisierung globaler Normen erklärt werden soll. Damit soll das Projekt zugleich einige allgemeine sozialtheoretische Konsequenzen ausarbeiten, die sich bei der Beschäftigung mit diesem empirischen Gegenstand zeigen, deren Relevanz aber über ihn hinausreicht.

Entwickelt werden soll eine Perspektive, die soziale Ordnung weder allein von der unterstellten Eigendynamik gesellschaftlicher Makrostrukturen her erklärt, noch auf gegebene Individuen und deren vermeintlich stabile Orientierungen (‚Präferenzen‘, ‚Habitusformen‘) abstellt, sondern stattdessen die Rolle von Situationen aufwertet und auch alle ‚Makro‘-Effekte als durch Situationen vermittelt begreift. Im Zentrum steht ein Konzept von Situationen, durch die eine bestehende Ordnung ihre Evidenz bestätigt sieht oder verliert, die also – auch wo diese Evidenz nicht reflexiv gesucht und geprüft wird, sondern zunächst affektiven Charakter hat – als Beweissituationen wirken. Soziale Ordnung erweist sich dann als prekäres Produkt einer Verkettung von Situationen, die geltende Deutungsmuster festigen oder destabilisieren, und die auch neuen Deutungsmustern Evidenz verleihen können. Auch der ‚Akteur‘ mit seinen ‚Präferenzen‘ lässt sich auf diese Weise als variables Produkt einer Verkettung von Situationen zu rekonstruieren. Das hilft auch, die sozialen Mechanismen genauer zu erfassen, die jene Art tiefgreifenden kulturellen Wandel antreiben, den das Entstehen neuer Normbindungen bedeutet.

Damit knüpft das Projekt zunächst an die neuen Moralsoziologien (Boltanski/Thévenot, J. Alexander, Joas) an. Es rekonstruiert diese Ansätze von diesem Bezugsproblem her: Welche je unterschiedlichen Typen lokaler Evidenz beschreiben sie? Von welchen Modellsituationen gehen sie aus? Welche sozialen Mechanismen identifizieren sie? Wie wird eine Verknüpfung mit Aussagen über Makrostrukturen hergestellt? Für diese Rekonstruktion nutzt es auch die zwischen diesen Ansätzen geteilten Theoriebezüge: Sie lassen sich erstens als teils konkurrierende, teils einander ergänzende Anknüpfungen an Durkheims Religionsbuch lesen, aus denen sich unterschiedliche Theorien darüber ergeben, was in solchen Beweissituationen bestätigt bzw. nicht bestätigt wird, und durch welche sozialen Mechanismen das jeweils geschieht. Ein zweiter gemeinsamer Bezugspunkt besteht in einer teils intensiven, teils erst begonnenen Pragmatismusrezeption.

Mit diesen Mitteln lässt sich auch das derzeit viel diskutierte Konzept ‚sozialer Praktiken‘ rekonstruieren. Dieses Konzept ist für die Frage nach den Bedingungen einer lokalen Politisierung globaler Normen zunächst sehr einschlägig: Es erhellt einen Teil der Mechanismen, die das In-Gang-Kommen eines Reflexionsprozesses bremsen, der zur Betrachtung lokaler Abläufe im Lichte allgemeinerer Normen führen könnten. Der pragmatistische Grundgedanke, dass Reflexivität nur durch spezifische Situationen ausgelöst wird, kann Theorien über ‚Praktiken‘ (als Teiltheorien der Vermeidung von Reflexivität) und die neuen moralsoziologischen Konzepte (als Teiltheorien des In-Gang-Kommens von Reflexivität) verknüpfen. Er hilft auch, differenzierter zu erfassen, warum ein Erfolg neuer Normen, der auf dem reflektierten Nachvollzug rationaler Begründungen gründet, einen voraussetzungsvollen Sonderfall darstellt. Denn auch ein erheblicher Teil der Erklärungen, die unter dem Stichwort ‚Praktiken‘ präsentiert werden, verweist tatsächlich auf Effekte der Situation. Berücksichtigt man das, dann lassen sich diese Erklärungen so rekonstruieren, dass der von Bourdieu verteidigte Habitusbegriff mit seinen übertriebenen Stabilitätsunterstellungen nicht mehr benötigt wird.

Insgesamt sollen – um das Wirksamwerden bzw. Nichtwirksamwerden neuer Normen genauer zu erklären – nicht nur normstützende Beweiseffekte erfasst werden, sondern auch gegenläufige Beweiseffekte: Mechanismen, die die gegenwärtigen Umstände der Hinterfragung entziehen; Mechanismen, die den Werten, durch die Normbindungen stabilisiert werden, gerade ihre Evidenz nehmen (Goffman); Mechanismen, die moralfreie Koordination auf Dauer stellen, auch weil sie den Eindruck fördern, jeder Versuch der Normdurchsetzung sei aussichtslos (Gambetta). So kann diese theoretische Rekonstruktion auch helfen, Modelle normorientierten Handelns und Modelle normfreier Kooperation differenziert zueinander in Bezug zu setzen; das hilft, auch die Grenzen und das Scheitern einer lokalen Politisierung globaler Normen zu erklären.

zur Projektseite: "Die lokale Politisierung globaler Normen"
 

ICAS:MP "Metamorphoses of the Political"
Teilprojekt: The Moral World of the Indian ‘New Middle Class’

How can we grasp the relationship between economic change and normative change, once simple base-superstructure models have lost their plausibility? My project – which is part of the Module “Normative Conflicts and Transformations” of the German-Indian project “Metamorphoses of the Political” (ICAS: MP) – addresses this problem through a case study on the Indian so-called new middle class, a social category that emerged as a result of the process of economic liberalization that India started in the 1990s. Through life-history interviews with individuals who identify as middle class, supported by document analyses, I try to understand in which ways, and to what extent, experiences of economic change translate into new moral understandings. Here, I am comparing narratives of individuals who have experienced the whole process since the early 1990s with narratives of individuals who were already born into a changed economic world; my focus is on Delhi. While most research on the Indian ‘middle’ classes, like most ‘middle class’ research in general, takes Bourdieu’s habitus theory (probably the most sophisticated base-superstructure model currently available) as its conceptual point of departure, my project is inspired by the theoretical alternatives offered by what has been called the new sociology of morality (Luc Boltanski, Laurent Thévenot, Hans Joas etc.). Hence, my project tries to take seriously the self-understandings of ‘middle class’ individuals, and asks through which kinds of social experiences certain moral attitudes have become plausible and attractive to them.

zur Projektseite: "ICAS:MP"