Im Rahmen des Lehrprojekts „Clinical Education in Global Justice“ setzen sich Studierende mit Fällen aus der Praxis von strategischer Rechtsermächtigung und Prozessführung auseinander. Im Kontext der Clinic-Ausbildung durchlaufen die Studierenden eine grundständige Ausbildung im Völkerrecht mit dem Schwerpunkt Menschenrechte. Bereits in die Ausbildung sind Menschenrechtspraktiker*innen eingebunden. Darüber hinaus arbeiten die Studierenden in verschiedenen Formaten an realen Fällen aus Menschenrechtspraxis. In den letzten Jahren haben die Studierenden die Partnerinstitutionen der Clinic dabei bei zahlreichen rechtlichen Hintergrundrecherchen sowie der Ausarbeitung von Klage- und Advocacy-Strategien unterstützt. Schwerpunktthemen waren u.a. die menschenrechtliche Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen etwa im Rahmen des Lieferkettengesetzesder Kampf gegen moderne Sklaverei und gegen die Klimakrise.
Ein Beispiel veröffentlichter Projektergebnisse der Clinic finden Sie hier:
Policy Briefing Paper: Strengthening Stakeholder Engagement in the EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (Juni 2023), siehe auch [hier] und [hier]
Ein Fallbeispiel: Studierende der Global Justice Clinic der Universität Erfurt unterstützen den Kampf gegen moderne Sklaverei auf brasilianischen Kaffeeplantagen
Millionen von Menschen in Deutschland trinken Kaffee – doch der wird zu oft unter sklavereiähnlichen Bedingungen hergestellt. Im Wintersemester 2024/2025 bearbeiteten die BA-Studierenden der Global Justice Clinic Fallkonstellationen zu moderner Sklaverei auf Kaffeeplantagen in Brasilien. Gemeinsam mit der Modern Slavery and Human Trafficking Clinic der Bundesuniversität Minas Gerais (Brasilien) analysierten sie die Auswirkungen des deutschen Gesetzes zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Lieferketten (LkSG) auf die Arbeitsbedingungen in der Kaffeeproduktion in Brasilien. Ein Großteil des Kaffees, der auf Farmen produziert wird, auf denen Fälle von moderner Sklaverei bekannt sind, wird in Länder wie Deutschland geliefert. Deutsche Verbraucher trinken so unwissentlich Kaffee, der unter sklavereiähnlichen Bedingungen hergestellt wurde. Ehrliche Produzenten, die auf faire Arbeitsbedingungen achten, werden durch unfairen Wettbewerb benachteiligt.
Hintergrund:
Die Organisation Anti-Slavery International definiert moderne Sklaverei als eine Situation der Freiheitsberaubung und Ausbeutung einer Person durch andere Personen, wobei die Ausbeutung entweder dem Erzielen eines persönlichen oder eines kommerziellen Gewinns dient. Den Betroffenen wird dabei ihre Freiheit genommen, sei es durch Täuschung, Zwang oder Gewalt. Diese Definition umfasst neben Menschenhandel und Zwangsarbeit auch Schuldknechtschaft. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass 49,6 Millionen Menschen in moderner Sklaverei (einschließlich Zwangsarbeit und Zwangsheirat) leben, wobei etwa ein Viertel davon Kinder sind. Von solchen Formen modernen Sklaverei profitieren viele Unternehmen in Deutschland und Europa, während sie oft gleichzeitig ihr Engagement für den Schutz der Menschenrechte und für menschenwürdigen Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten betonen. Ihre Audits und Inspektionen der Zulieferbetriebe sind jedoch oft oberflächlich und können die Missstände, wie sie auch auf den brasilianischen Kaffeefarmen zu finden sind, nicht aufdecken oder verhindern.
Zentrale Fragen:
In diesem Zusammenhang sind die Aktivitäten der Global Justice Clinic von großer Bedeutung, da das Projekt „Moderne Sklaverei in der Kaffeelieferkette zwischen Brasilien und Deutschland“ die Herausforderungen der juristischen Verantwortung in globalen Lieferketten untersucht. Inwieweit kann das deutsche Lieferkettengesetz die Arbeitsbedingungen auf Kaffeeplantagen in Brasilien positiv beeinflussen und faire Wettbewerbsbedingungen sichern? Können deutsche Unternehmen Fälle moderner Sklaverei bei brasilianischen Zulieferern erkennen und verhindern, oder zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie moderne Sklaverei bewusst ignorieren? Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft im Kampf gegen moderne Sklaverei? Das waren einige der Fragen, mit denen sich die Erfurter Studierenden in diesem Projekt mit Partnern aus Brasilien auseinandersetzten und mit den Partnern und in einem Abschlussbericht zusammenfassten.
Lehrveranstaltungen im Rahmen der Global Justice Clinic
Sommersemester 2025
- Global Justice Clinic. Praktikerseminar zum Völkerrecht (B.A.)
- State and Law in Multilevel Systems: Global Justice Clinic in the Practice and Policy of Human Rights (M.A.)
Wintersemester 2024/2025
- Global Justice Clinic: Menschenrechte und Modern Slavery (B.A.):
Die „Global Justice Clinic“ verbindet Lehre, Forschung und rechtlichen Aktivismus. Im Clinic-Kurs bearbeiten Studierende reale Fälle aus dem Bereich Menschenrechte. Das Seminar ist in thematische Unterrichtseinheiten gegliedert. In diesen Einheiten werden theoretische und praktische Fragen im Zusammenhang mit dem internationalen Schutz der Menschenrechte und den Beziehungen zwischen dem globalen Süden und Norden erörtert.
Ziel ist es, die Studierenden auf die Final-Output vorzubereiten, die in Zusammenarbeit mit der Klinik für Sklavenarbeit und Menschenhandel der juristischen Fakultät der Bundesuniversität von Minas Gerais (Clínica de Trabalho Escravo e Tráfico de Pessoas da Faculdade de Direito da Universidade Federal de Minas Gerais), Brasilien, entwickelt wird. Die Kooperation fokussiert sich auf die Problematik der Sklavenarbeit auf brasilianischen Kaffeeplantagen. Der dort gewonnene Kaffee wird nach Deutschland (und auch nach andere EU-Ländern) exportiert. Mit dem Inkrafttreten des deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) und der Verabschiedung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsprüfung von Unternehmen erlangt der mögliche Einsatz von Sklavenarbeit bei der Produktion von aus Brasilien importiertem Kaffee für Deutschland und die gesamte Europäische Union eine gesteigerte Relevanz.
In diesem Kontext werden die Studierenden in interdisziplinärer Weise das Vorhandensein von Sklavenarbeit in den Produktionsketten des in Deutschland konsumierten Kaffees sowie die Konsequenzen des LkSG analysieren.
Der Kurs wird in deutscher Sprache unterrichtet, jedoch werden Gastvorträge in englischer Sprache gehalten. Zudem wird ein Teil der Kursbibliografie in englischer Sprache zur Verfügung gestellt.
Im Moodle kann der Kurs unter dem Titel „[WS 2024] Global Justice Clinic (BA): Internationaler Menschenrechtsschutz und Modern Slavery“ gefunden werden und die Studenten können sich mit dem Universaleinschreibeschlüssel einschreiben.
*Der Kurs ist Teil des Lehrprojekts „Clinical Education in Global Justice“ gefördert von der Stiftung für Innovation in der Hochschullehre; mehr Informationen dazu finden Sie auf der Website der Professur unter „Projekte“ und „Global Justice Clinic“.
- Global Justice Clinic (M.A.):
Heute sind Menschenrechtsaktivisten mit einer widersprüchlichen Situation konfrontiert. Einerseits setzt sich die Ausdehnung von menschenrechtlichen Ansprüchen auf immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens fort. Andererseits leidet die Menschenrechtsgemeinschaft unter einem wachsenden Krisengefühl. Der bestehende Rahmen der Menschenrechte scheint nicht in der Lage zu sein, das Ausmaß der heutigen globalen Herausforderungen zu bewältigen und schrumpfende Räume für die transnationale zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit und verschiedene „Contestations“ stellen das Konzept der Menschenrechte ebenso in Frage wie die materiellen Bedingungen für Menschenrechtsaktivismus.
In diesem Kurs arbeiten die Studierenden an realen Fallstudien aus der Menschenrechtspraxis, die von Menschenrechtspraktiker*innen betreut werden. Dabei lernen sie neben den Grundlagen des Rechts und der Advocacy-Arbeit im Bereich der Menschenrechte auch die Krisen und aktuellen Entwicklungen des Sektors kennen. In der Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen werden die Studierenden darüber hinaus ermutigt, die Menschenrechtspraxis aus ethnographischer, kritisch-theoretischer und organisationswissenschaftlicher Perspektive zu beobachten und zu reflektieren. Der Kurs ist interdisziplinär und richtet sich an Studierende mit oder ohne juristische Vorkenntnisse. Der Kurs wird in englischer Sprache abgehalten.
Sommersemester 2024
- Global Justice Clinic. Praktikerseminar zum Völkerrecht (B.A.):
Im Sommersemester 2024 fand erstmals ein Clinic-Seminar auf BA-Ebene statt. Der Kurs begleitete die Vorlesung im Völkerrecht als Teilmodul „Praktikerseminar Völkerrecht“. Er richtete sich an ausgewählte Studierende und bot die Möglichkeit, durch erfahrungs- und forschungsbasiertes Lernen an realen Fällen Kompetenzen in der Anwendung und kritischen Reflexion des Völkerrechts zu erwerben.
In der ersten Hälfte des Semesters wurden die Studierenden in wöchentlichen Sitzungen in die Grundlagen des Völkerrechts und der Gerechtigkeitstheorie eingeführt.
In der zweiten Hälfte des Semesters fanden drei parallele Blockkurse statt, in denen die Studierenden an realen Fällen und Problemen arbeiteten. Jeder Kurs wurde von Praktiker*innen aus den Bereichen Völkerrecht, Menschenrechte oder Entwicklungszusammenarbeit geleitet, die u.a. bei der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in Genf, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Internationalen Sekretariat des Food First International Action Network (FIAN) arbeiten.
Die Studierenden befassten sich mit:
- (1) den Verhandlungen über ein WHO-Pandemieabkommen
- (2) der bilateralen Unterstützung und des rechtlichen Rahmens der ökologischen Transformation und des Kohleausstiegs in Indien
- (3) der Menschenrechtsarbeit bei der UNO im Namen der Rechte ecuadorianischer Bäuer*innen und indischer Fischer*innen.
- State and Law in Multilevel Systems: Global Justice Clinic in Business and Human Rights (M.A.):
Im Mittelpunkt der Clinic stand die menschenrechtliche Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen, die im deutschen und internationalen Recht zunehmend an Bedeutung gewinnt. Im Rahmen der klinischer Arbeit bearbeiteten die Studierenden reale Fallstudien aus der Praxis im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Ein besonderer Fokus lag dabei auf menschenrechtlicher Governance transnationaler Lieferketten, wie sie das deutsche Lieferkettengesetz von 2021 und vergleichbare ausländische und europäische Regelungen fordern. Gastdozierende aus der Menschenrechtspraxis, der Wirtschaft und verschiedene Expert*innen gaben Einblicke in ihre praktische Arbeit und betreuten die Gruppenarbeiten zu den Fallstudien.
Im Rahmen des Kurses arbeiteten die Studententeams mit Partnern an den folgenden praktischen Projekten:
- Rechtliche Hintergrundrecherche zum Konzept der Corporate Climate Due Diligence
- Strategische Kommunikation zur Begleitung eines strategischen Rechtsstreit gegen ein deutsches Unternehmen. Die in Deutschland eingereichte Zivilklage beinhaltet Vorwürfe der Fahrlässigkeit im Bergbau und bei der Zertifizierung, die zu einem tödlichen Unfall und Tausenden von Opfern in Brasilien führten.
- Explorative Recherchen im Bereich Klima- und Carbon-Accounting zum Fußabdruck deutscher „Carbon Majors“ und anderer Unternehmen mit hohen Emissionen zwecks Vorbereitung rechtlicher Untersuchungen und möglicher Prozessführung in Bezug auf deren Verantwortung für extreme Wetterereignisse und daraus resultierende Verluste und Schäden im globalen Süden
- Rechtliche Analysen zum Thema Responsible Contracting (verantwortungsvolle Vertragsgestaltung) in Bezug auf einseitige Menschenrechtsverpflichtungen durch große multinationale Unternehmen
Clinic Cycle 2023
- Rechtliche Interventionen und politische Arbeit im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte:
Im Rahmen des Kurses der Clinic 2023 arbeiteten die Teilnehmer mit Partnern und Experten an Fällen, die von strategischer Prozessführung im Zusammenhang mit einer Staudammkatastrophe in Brasilien über rechtliche Interventionen auf der Grundlage des deutschen Lieferkettengesetzes bis hin zu politischer Arbeit zur Förderung des Engagements von Stakeholdern in der EU-Gesetzgebung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen reichen.
Am 12. Juni 2023 veranstaltete die Klinik eine öffentliche Auftaktveranstaltung für das Policy Briefing Paper "Strengthening Stakeholder Engagement in the EU Directive on Corporate Sustainability Due Diligence", das auf der Forschung von Public Policy-Experten der Willy Brandt School basiert und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte und der Universität Luxemburg entwickelt wurde. Mitwirkende Autoren und Experten diskutierten das Briefing-Papier und den weiteren Verlauf der politischen Verhandlungen auf EU-Ebene.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Clinic Cycle 2022
- Seminar zu Wirtschaft und Menschenrechten in transnationalen Wertschöpfungsketten:
Die Verantwortung von Unternehmen im Bereich der Menschenrechte gewinnt im deutschen und internationalen Recht zunehmend an Bedeutung. Die Global Justice Clinic analysiert die rechtlichen Techniken, die staatliche und nicht-staatliche Akteure einsetzen, um menschenrechtliche Herausforderungen in einer globalisierten Wirtschaft zu bewältigen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der menschenrechtsbasierten Steuerung transnationaler Wertschöpfungsketten, wie sie im deutschen Lieferkettengesetz von 2021 und ähnlichen Regelungen im vergleichenden und europäischen Recht verankert sind. Die Studierenden arbeiteten 2022 an realen Fallstudien aus der Wirtschafts- und Menschenrechtspraxis, und Gäste aus dem Menschenrechts- und Wirtschaftsbereich geben Einblicke in die praktische Arbeit.
Im Kurs 2022 arbeiteten die Studententeams an den folgenden Praxisprojekten:
- OECD-Beschwerdeverfahren: Das erste Team recherchierte und entwarf ein juristisches Memorandum für eine Menschenrechts-NGO, das die Praktiken der nationalen OECD-Kontaktstellen analysierte und verglich, um die Einreichung einer Beschwerde gegen ein im Ausland tätiges deutsches Unternehmen vorzubereiten.
- Deutsches Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Wertschöpfungskette: Das zweite Team recherchierte und verfasste ein juristisches Memorandum für eine Menschenrechts-NGO, in dem die Anwendung des neu in Kraft getretenen deutschen Gesetzes über die Sorgfaltspflicht in der Wertschöpfungskette auf ein deutsches Einzelhandelsunternehmen analysiert wurde.
- Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Menschenrechte auf EU-Ebene: Das dritte Team hat ein Strategiepapier verfasst, in dem es sich für eine Verschärfung der Bestimmungen über die Vertretung der Interessengruppen im Vorschlag für die EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit ausspricht, der derzeit von den europäischen Institutionen erörtert wird. Das Papier wurde mit Experten diskutiert und wird in Zusammenarbeit mit der Willy Brandt School und dem Deutschen Institut für Menschenrechte veröffentlicht und verbreitet.
Eine einseitige Zusammenfassung mit Empfehlungen zur Stärkung des Stakeholder-Engagements in der EU-Richtlinie wurde im November 2022 an politische Entscheidungsträger verschickt. Sie kann hier abgerufen werden.