Wirtschaft und Gesellschaft durchlaufen einen nie gekannten Wandel. Die Menschheit hat die Erde und das Klima im Griff. Und doch gerät so einiges außer Kontrolle. Das gilt schon länger für individuelle Entfremdungserfahrungen wie auch für soziokulturelle Rissbildungen. Die Moderne hört nicht auf, in diesem Sinne immer moderner zu werden. Es zeigt sich, dass Fortschritt und Verlust keine Gegensätze sind, sondern offenbar einander so notwendig bedingen wie etwa die Irrationalität von Profitmotiv und „schöpferischer Zerstörung“. Bisher hat noch jede Zivilisation ihre Kinder gefressen. Gesellschaftliche Spaltung hat aus dieser geschichtlichen Perspektive nicht nur Tradition, sondern durchaus auch System. Ob und wie sie aber Zukunft hat, liegt in unserer Hand, in der Hand der heute Lebenden.
Der interdisziplinäre Fachtag widmet sich einerseits der Frage, wie eine Wissenschaftsdisziplin beschaffen sein muss, die die sozialen, ökonomischen und ökologischen Problemkonstellationen unserer Zeit angemessen verstehen und erklären kann. Andererseits werden aktuelle Probleme und konkrete Fragestellungen herausgegriffen und diskutiert – von „antifaschistischer Ökonomik“ und Wirtschaftspolitik bis hin zur Rolle der Sozialethik in einer Zeit, in der die Päpste über größeres systemkritisches Gespür verfügen zu scheinen als so manche „moderne“ politische Parteien. Die gemeinsame Annäherung an die Problem- und Gemengelage in Wirtschaft und Gesellschaft findet vor dem Hintergrund der übergreifenden historischen Wissenschaftsdisziplin der Sozialökonomik statt. Es war der Ökonom und Soziologe Max Weber, der dieses Forschungsprogramm am Anfang des 20. Jahrhunderts wie kein anderer verkörperte. Der gebürtige Erfurter hinterließ ein reiches und vielfältiges Lebenswerk, u.a. die Lehrbuchreihe Grundriss der Sozialökonomik mit dem berühmten Aufsatz Wirtschaft und Gesellschaft (1921/22), den Marianne Weber nach seinem Tod veröffentlichte.
Die Sozialökonomik tritt heute an Universitäten und Instituten oftmals hinter ihre bekannteren Teil- und Spezialdisziplinen wie Volkswirtschaftslehre und Soziologie zurück. Die zweiteilige Gesamtveranstaltung soll sie wieder als Ganzes sichtbar werden lassen.
Der Fachtag ist öffentlich. Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen der Fächer Staats- und Rechtswissenschaften, Volk- und Betriebswirtschaftslehre, Soziologie, Politik- und Geschichtswissenschaften sowie der Theologie, Pädagogik, Kultur- und Religionswissenschaften sind besonders willkommen. Um Anmeldung wird gebeten.
Das Programm im Überblick:
Abendveranstaltung am 19.11.2025 um 19 Uhr im Erfurter Rathausfestsaal
- Sozial. Ökonomisch. Ökologisch. Thüringer Sozialwissenschaft gestalten
- mit Klaus Dörre (Hauptvortrag) sowie Staatssekretär Bernd Uwe Althaus (Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) und Bettina Hollstein (Geleitworte)
- Anmeldung
Fachtag am 20.11.2025 ab 09.30 Uhr im Zinzendorfhaus in Neudietendorf
- Spaltung hat Tradition, aber keine Zukunft. Gegenwartsperspektiven der Sozialökonomik
- mit dem Wirtschaftsweisen Achim Truger sowie Gertraude Mikl-Horke, Stephan Kaufmann, Traugott Jähnichen u.a.
- Anmeldung
Näheres entnehmen Sie bitte der Programmübersicht in der Marginalie.

