| Campus Gotha, Forschungsbibliothek Gotha

Lokale Handschriften-Broker: Zwischen Bewahrung und Verkauf des literarischen Erbes

Die Veranstaltungsreihe "Gotha Manuscript Talks" der Forschungsbibliothek Gotha der Uni Erfurt wird im Frühjahr 2023 fortgesetzt. Sie steht diesmal unter dem Titel: "Lokale Handschriften-Broker: Zwischen Bewahrung und Verkauf des literarischen Erbes".

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren europäische Missionare, Händler und Reisende nicht mehr die Hauptquelle für arabische, persische und osmanische Handschriften für europäische Sammler und Institutionen. Eine noch unzureichend untersuchte Gruppe von einheimischen Sammlern und Verkäufern von Handschriften trat in Erscheinung. Diese Individuen vermittelten den Transfer großer Sammlungen von Handschriften an Bibliotheken in Europa, Amerika und in anderen Teilen der Welt. Sie gehörten zu einer Gruppe von Forschern und Gelehrten, die außerhalb der Mainstream-Forschung standen, die während der so genannten nahḍa – häufig übersetzt als „arabische literarische Renaissance“ – produziert wurde. Trotz enger Bindungen an Kreise von Intellektuellen und Verlagshäuser gingen diese Individuen ihrer Arbeit am Rande der literarischen, journalistischen und wissenschaftlichen Produktion nach. Sie hatten verschiedene religiöse Hintergründe, aber viele von ihnen gehörten jüdischen, christlichen und islamischen religiösen Eliten an und/ oder waren Geistliche. Dieser Hintergrund ermöglichte es ihnen, Zugang zu Handschriften zu erhalten und öffnete ihnen Türen zu Büchersammlungen in lokalen Kontexten.

Als Bewahrer und Verkäufer des literarischen Erbes fungierten die beschriebenen Personen als Vermittler, als „Broker“, die Handschriften bewahrten und auf den Markt brachten. Einige von ihnen waren Bücherliebhaber und arbeiteten darauf hin, ihre eigenen Sammlungen zu schaffen – aus Begeisterung an Büchern oder für verschiedene wissenschaftliche Ziele. Sie erfassten die Bestände ihrer Sammlungen im Detail, produzierten und publizierten Indexe und zu einem späteren Zeitpunkt verhandelten sie auch über den Verkauf dieser Sammlungen, manchmal in Kriegszeiten und in Perioden konfessionalistischer Ausschreitungen. Prominente Beispiele sind der muslimische religiöse Gelehrte Amīn al-Madanī (gest. 1898), der Geistliche, Theologe und Orientalist Alphonse Mingana (gest. 1937), der syrisch-katholische Geistliche Paul Sbath (gest. 1945) und der jüdische Gelehrte und Sammler Abraham Shalom Yahuda (gest. 1951), der im osmanischen Jerusalem aufwuchs und später in verschiedenen europäischen Städten studierte und lehrte. Diese und weitere Persönlichkeiten vermittelten den umfassenden Transfer von Handschriften – eine Tatsache, die sich in den Namen bedeutender Sammlungen von Bibliotheken weltweit niedergeschlagen hat.

Die Frühjahrsreihe der Gotha Manuscript Talks 2023 fokussiert einheimische Handschriften-Broker – Händler von arabischen, persischen und osmanischen Handschriften, die an der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert eine zentrale Rolle bei der Bewahrung und dem Transfer von Handschriften und Handschriftensammlungen aus dem Nahen Osten, der Türkei, Westasien und Nordafrika nach Europa, Amerika und an andere Orte weltweit spielten. Die Vortragenden befassen sich mit dem sozialen und intellektuellen Hintergrund dieser Bücherliebhaber und -verkäufer und mit ihren Motiven für den Kauf von Büchern, ihre Bewahrung und den Handel mit ihnen. Sie zeichnen die intellektuelle Geografie nach, in der Bücher zirkulierten, bevor sie schließlich in moderne orientalische Handschriftensammlungen in Bibliotheken von Sankt Petersburg bis Rom und New Haven Eingang fanden.

Termine

  • 8. März 2023: "Paul Sbath’s Manuscript Library: From Guardian to Seller of the Eastern Christian Heritage" mit Dr. Celeste Gianni (Hill Museum & Manuscript Library)
  • 22. März 2023: "Selling Manuscripts to Soviet Orientalism: The Book Trade of Sabir 'Alimov (1872-1942)" mit Dr. Alfrid Bustanov (University of Amsterdam)
  • 5. April 2023: "Local Agents and their Power Articulation in Manuscript Translocations: The Case of Jamāl/ Aḥmad al-Miṣrī and Johann Gottfried Wetzstein" mit Farid El-Ghawaby (Freie Universität Berlin)
  • 19. April 2023: "Agent and Architect: Abraham Shalom Yahuda's Role in Developing the Islamic Manuscripts Collection at the University of Michigan" mit Evyn Kropf (University of Michigan)

Weitere Informationen zu den einzelnen Terminen entnehmen Sie bitte der Website zu den "Gotha Manuscript Talks".

Vorschaubild Video Orientalische Handschriften

Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Datenschutzerklärung.

+++ Bitte beachten Sie: Alle Veranstaltungen finden digital und in englischer Sprache statt! +++

Link zu den Veranstaltungen

Ansprechpartner

Wissenschaftlicher Referent orientalische Handschriftensammlung
(Forschungsbibliothek Gotha)
Forschungsbibliothek Gotha (Gotha, Schlossplatz 1)
Sprechzeiten
nach Vereinbarung
zur Profilseite