Protestantische Bildungsgeschichte

Mehrgliedriges Schulsystem für Sachsen-Gotha, 1644.

Die Forschungsbibliothek Gotha, das Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Gotha, das Stadtarchiv Gotha und die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha verfügen über eine der bedeutendsten, weitestgehend vollständig überlieferten Sammlungen zur Schul- und Bildungsgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Diese Ausnahmestellung gründet in der Reformpolitik Herzog Ernsts I. (1601–1675), die ihren Niederschlag zum Beispiel in den Akten der landesherrlichen Schulaufsichtsbehörden gefunden hat. Diese heute im Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Gotha aufbewahrten Quellen, zu denen Zeugnislisten, Seelenregister und Visitationsprotokolle gehören, ermöglichen genaue Einblicke in den Alltag und die sozialen Rahmenbedingungen von schulischer und kirchlicher Bildungsvermittlung in Stadt und Land.

Die Bestände der Forschungsbibliothek Gotha und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha gehen auf die durch Herzog Ernst I. noch während des Dreißigjährigen Krieges zielstrebig begonnene Sammlungstätigkeit des Herzoghauses Sachsen-Gotha zurück. Zu diesen Sammlungen gehörten von Beginn an auch ausdrücklich bildungsgeschichtliche Bestände. So bewahrt die Forschungsbibliothek unter ihren frühneuzeitlichen Beständen rund ein Viertel bildungsgeschichtlicher Quellen im engeren und weiten Sinne. Hervorzuheben sind vor allem die Nachlässe bedeutender Pädagogen wie Wolfgang Ratke (1571–1635) und Andreas Reyher (1601–1673). In den Sammlungen der Stiftung Schloss Friedenstein spiegeln die Objekte der für Schulzwecke verwendeten fürstlichen Kunst- und Naturalienkammer die außerordentlich frühe Förderung der Naturlehre und anderer „Realien“ wider. Besonders wichtig sind auch die handschriftlichen Dokumente des Gelehrten Veit Ludwig von Seckendorff (1612–1692), der zwischen 1645 und 1664 im Dienst des Herzogs stand und als Ideengeber und Organisator der Gothaer Reformen von Staat, Gesellschaft und Bildungswesen eine entscheidende Rolle spielte. Diese Dokumente erschließt die Forschungsbibliothek seit 2020 im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts. Singulär überliefert sind daneben handschriftliche Dokumente zum Gothaer Gymnasium, an dem Seckendorff und August Hermann Francke (1663–1727) ausgebildet wurden. Dazu zählen neben Lehrplänen, Unterrichtskonzepten, Schülermatrikeln und Korrespondenzen auch die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Forschungsbibliothek integrierte, etwa 50.000 Bände umfassende Bibliothek des Gymnasiums.

Zur weiteren Erforschung der bildungsgeschichtlichen Sammlung hat die Forschungsbibliothek gemeinsam mit dem Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt von 2014 bis 2017 das Projekt „Bildungslandschaft und Wissenskultur. Sammlungsbezogene Forschung zur frühneuzeitlichen Bildungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg“ durchgeführt. Das vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft geförderte Projekt ist in zwei exemplarischen Pilotstudien unter unterschiedlichen Fragestellungen der Genese, Struktur und Entwicklung der Gothaer bildungsgeschichtlichen Sammlungen nachgegangen. Die Forschungsbibliothek Gotha hat daneben das „Digitale Repertorium. Bildungsgeschichtliche Sammlungen Gotha (1640–1732)“ erarbeitet und darin die bildungsgeschichtlichen Quellen aus den vier Gothaer Institutionen verzeichnet.

Weitere Informationen zur Sammlung.

Digitales Repertorium. Bildungsgeschichtliche Sammlungen Gotha (1640–1732)