Sammlungsgeschichte – materielle Kultur – globale Netzwerke des Wissens

Stiftung Schloss Friedenstein Inventarnr. G92.08

Die Erforschung der Gothaer Sammlungszusammenhänge stellt nicht erst seit der Gründung des Sammlungs- und Forschungsverbundes Gotha im Jahr 2016  einen Schwerpunkt des Forschungszentrums dar. So wurden bereits in den Jahren 2012–2016 in Kooperation mit der Forschungsbibliothek Gotha und Professor Dr. Susanne Rau (Erfurt) sowie mit Unterstützung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (seit 2014 Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft) „Sammlungsbezogene Forschungen zum Verlag Justus Perthes“ am FZG durchgeführt. 2014–2017 wurden in einem ebenfalls vom TMWWDG geförderten und gemeinsam mit der Forschungsbibliothek Gotha durchgeführten Projekt die bildungsgeschichtlich relevanten Quellen in der Forschungsbibliothek, im Thüringischen Landesarchiv – Staatsarchiv Gotha, in der Stiftung Schloss Friedenstein sowie im Stadtarchiv Gotha erschlossen und in einem digitalen Repertorium zusammengeführt. Aktuell widmet sich ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt der Entstehung des Chinesischen Kabinetts auf Schloss Friedenstein zur Zeit von Herzog August (1772–1822).

Im Fokus dieser Forschungen zur Materiellen Kultur stehen neben den Objekten selbst auch Kontexte, Praktiken und Ordnungsstrukturen von Anschaffungen am Gothaer Hof ebenso wie von anderen Sammlungen wie auch die dazugehörigen Wissenstechniken und gelehrten Praktiken, wie sie sich beispielsweise in Kontroversen über Haare, Bärte und Perücken  oder im  Antiquarianismus des 17. und 18. Jahrhunderts entwickelten. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Numismatik, die in der Frühen Neuzeit hohes Prestige genoss und geradezu als antiquarische „Leitwissenschaft“ gelten kann. Dazu wurde in den vergangenen Jahren in mehreren Projekten intensiv Grundlagenforschung betrieben und u.a. das in der Forschungsbibliothek Gotha befindliche „Magnum ac Novum Opus“ Jacopo Stradas (etwa 1515–1588), ein 30 Bände umfassendes Corpus mit Münzzeichnungen, umfassend bzgl. seines historischen und künstlerischen Kontexts und seiner Quellen analysiert sowie im BMBF-Verbundprojekt „[NUMiD] Geschichte prägen/Werte bewahren“ die Entstehung universitärer Münzsammlungen im 18. Jahrhundert erforscht. Künftig sollen in Zusammenarbeit mit der Forschungsbibliothek sowie in Kooperation mit der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha unter der Überschrift „Numismatik im Kontext“ die reichen Gothaer Münzbestände, die Praktiken ihrer Sammlung und Verzeichnung sowie deren Einbettung in unterschiedliche disziplinäre Kontexte näher erforscht werden. Auch die Erweiterung der Numismatik im Kontext der Globalgeschichte spielt dabei eine Rolle. Ein erster Schritt dazu ist die Zusammenführung der entsprechenden Bestände in einem virtuellen Münzkabinett. 

Von den Gothaer Sammlungen aus lassen sich zahlreiche Bezüge auf und Verflechtungen mit Außereuropa feststellen. Die Frage nach der Herkunft von Objekten und der Erforschung ihrer Biographien ist daher eng verbunden mit der Rekonstruktion globaler Netzwerke des Wissens und den Potentialen und Problemen einer Globalen Ideengeschichte, die Martin Mulsow in einer Monographie exemplarisch vorgeführt hat. Diese Thematik wird ab dem Jahr 2023 dank eines spezifischen Stipendienprogramms der Gerda-Henkel-Stiftung zu einem Schwerpunktthema des Forschungszentrums ausgebaut werden. Im Vordergrund stehen dabei zum einen methodische Fragen und Probleme sowie deren Überwindung durch eine multidisziplinäre Herangehensweise, zum anderen konkrete Fallstudien zur kulturellen Übersetzung orientalischer und „asiatischer“ Materialien, etwa in einem Projekt im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "Transottomanica".

Nicht zuletzt mit Blick auf diese globalen Bezüge der Wissensgeschichte lautet das Thema der 15. Arbeitstagung der AG Frühe Neuzeit im Verband der Historiker und Historiker, die im September 2024 in Gotha stattfinden wird, „WissensWelten“.

Forschungsprojekte und Netzwerke

Dissertationen

Veranstaltungen

Publikationen (Auswahl)

Andreas Mahler, Martin Mulsow (Hg.): Texte zur Theorie der Ideengeschichte. Stuttgart 2014. 

Annette Cremer, Martin Mulsow (Hg.): Objekte als Quellen der historischen Kulturwissenschaften. Köln 2017. 

Martin Mulsow (Hg.): New Perspectives on Global Intellectual History. Global Intellectual History 2/1 (2017), mit Beiträgen von C. Ginzburg, S. Subrahmanyam, K. Raj, K. Haakonnssen und R. Whatmore. 

Martin Mulsow (Hg.): Das Haar als Argument. Zur Wissensgeschichte von Bärten, Frisuren und Perücken. Stuttgart 2022. 

Monographien

Volker Heenes, Dirk Jacob Jansen: Jacopo Strada's Magnum Ac Novum Opus. A Sixteenth-Century Corpus of Ancient Numismatics. Petersberg 2022.

Martin Mulsow: Überreichweiten. Perspektiven einer globalen Ideengeschichte. Berlin 2022.