Gelehrsamkeitspraktiken – Wissensproduktion – arkanes Wissen

Die Erforschung von Gelehrsamkeitspraktiken und ihrer Bedeutung für die gelehrte Wissensproduktion der Frühen Neuzeit gehört seit langem zu den Forschungsschwerpunkten des FZG und seines Direktors Martin Mulsow. So wurden seit 2013 u. a. Projekte und Tagungen zu den bedeutenden Orientalisten Johann Ernst Gerhard (1621–1668) und Hiob Ludolf (1624–1704) sowie zur Wissensproduktion der Aufklärung durchgeführt, aus denen jeweils eine Reihe von Publikationen hervorgegangen sind (s. u.)

Zentrale Bedeutung für dieses Forschungsfeld hat die Erforschung frühneuzeitlicher (Gelehrten-)Briefnetzwerke. Handschriftliche Gelehrtenkorrespondenzen zählen zu den wichtigsten noch ungehobenen Schätzen der Bibliotheken. Am FZG sind bereits mehrere Editionen und Projekte zur Erforschung von Briefwechseln entstanden, u. a. zu denen des Botanikers Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840), der Gothaer Herzogin Luise Dorothea (1710–1767) mit ihrer Hofdame Friedrike von Montmartin (1729–1752), des baltischen Schriftstellers Garlieb Merkel (1769–1850), des Theosophen Friedrich Breckling (1629−1711) sowie der radikalpietistischen Netzwerke der sogenannten Philadelphier. Aktuell laufen Vorarbeiten zur Edition des Briefwechsels von Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486–1535) sowie zur vollständigen Edition der Schriften Jacob Böhmes (1575–1624). Künftig sollen in Kooperation mit der Forschungsbibliothek Gotha und dem Thüringer Landesarchiv – Staatsarchiv Gotha die Briefwechsel von Wilhelm Ernst Tentzel (1659–1707) sowie der Briefwechsel zwischen Herzogin Luise Dorothea und Ernst Christoph von Manteuffel (1676–1749) durch digitale Editionen erschlossen werden.

Eines der renommiertesten Felder der philosophischen und juristischen Wissensproduktion des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts war das frühneuzeitliche Naturrecht, zu dessen Erforschung das FZG in Kooperation mit dem Max-Weber-Kolleg und dem Netzwerk „International Law 1625-1850. An International Research Project“ seit 2019 eine Forschungsstelle unterhält. In diesem Zusammenhang werden aktuell mehrere Einzelprojekte und Studien durchgeführt oder vorbereitet, u. a. zum Naturrecht an den Universitäten im Ostseeraum, zum Naturrecht bei Heinrich und Samuel Cocceji sowie bei Samuel Pufendorf und zum christlichen Naturrecht bei Johann Christian von Boineburg (1622–1672), sowie ein Teilprojekt im Rahmen des SFB „Strukturwandel des Eigentums“, der die naturrechtlichen Bezüge zwischen Besitz und Gewohnheit erforscht.

Zu den prestigeträchtigsten Feldern gelehrter Wissensproduktion gehörten in der Frühen Neuzeit arkane ‚Wissenschaften‘ wie die Alchemie. Am Gothaer Hof wurde am Ende des 17. Jahrhunderts intensiv Alchemie betrieben, um Gold herstellen zu können; parallel sammelten die Fürsten Handschriften und Bücher zum Thema. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Historikern und Chemikern  arbeitet seit einigen Jahren mit Unterstützung der Gerda-Henkel-Stiftung die Prozessvorschriften auf (zum Teil experimentell). Ein Sammelband zur Alchemie in Gotha ist in Vorbereitung. Der Schwerpunkt „Arkanes Wissen“ adressiert schließlich auch die Forschung zu Illuminaten und Freimaurern, die im Forschungsfeld „Hof – Vergesellschaftung – Aufklärung“ ausführlicher beschrieben wird.

Ein relativ neuer Schwerpunkt, mit dem Martin Mulsow zugleich zu seiner Dissertation zurückkehrt, beschäftigt sich mit Renaissancephilosophie und späthumanistischer Gelehrsamkeit. Neben einem Projekt zur Edition von Matteo Palmieris „Della Vita Civile“ sind hier v.a. mehrere deutsch-italienische Sommerschulen zur Renaissance zu nennen, die ab 2024 in einer Kooperation mit der Villa Vigoni , dem Deutsch-Italienischen Zentrum für Europäischen Dialog, alle zwei Jahre in Loveno die Menaggio stattfinden werden. Ebenfalls neu ist die Programmatik einer Intellektuellen Tiefengeschichte. Geschichtsschreibung blieb bisher weitgehend auf schriftliche Zeugnisse beschränkt; der Horizont reicht zumal meist nur bis zum antiken Griechenland zurück. „Deep History“ fragt dagegen nach Kontinuitäten zur sogenannten Urgeschichte.

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