Kristina Kuhn, M.A.

Projektskizze

Projektskizze

"Die letztere Bemerkung wird hier nicht als beweisend angeführt, ist aber doch nicht unerheblich."1 
 

Die Dissertation widmet sich der Erheblichkeit von Subtexten im Genre der „Geschichtsphilosophie“ um 1800. Dass die strukturelle Variable des Subtextes – die changierende Figurierungen ausprägen kann – für diese Gattung konstitutiv ist, stellt eine Arbeitshypothese dar, die bereits ausführliche Analysen gezeitigt hat. Sowohl Kants Essays2 (1784-1798) als auch Chr. M. Wielands „Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit“ (1769-1777) bilden Konvolute aus divergierenden (literarischen) Gattungen zurechenbaren Sub-Texten, die sich in ihrer Anordnung und Struktur somit zum Projekt einer geschichtsphilosophischen Gattung verhalten. Totalität und Systematik gehören nicht den Merkmalen jener Gattung an, sondern stellen eine retrospektive Projektion der Philosophiegeschichte dar, die sich (in der Tradition Hegels) wiederum selbst als Geschichtsphilosophie rückversichern muss. Diesem Selbstverständnis gemäß deutet sie das, was nicht die Entwicklung des Geistes nachzeichnet, im Sinne des universalistischen Plots um. Die Möglichkeit eines solchen Plots wird sowohl in den genannten Schriften Kants und Wielands als auch in Herders „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ (1774) und in seinen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (1784-1791) einerseits reflexiv hinterfragt, andererseits im Zuge literarischer Experimente reformuliert oder ad absurdum geführt. Entweder bilden genannte Subtexte eine verborgene Dimension der Argumentation bzw. der forcierten historiographischen Modelle aus oder sie bringen die Tiefendimensionen historischer sowie empirischer Diskurse generell an die Oberfläche: nicht ohne im Zuge dieses Verfahrens das Funktionieren oder die Funktionsbedingungen jener Diskurse metareflexiv zu kommentieren. Kommentierung ist als ganz umfassendes Programm der Texte aufzufassen. Denn die Subtexte entstehen vor allem über Gesten des eigentlichen und uneigentlichen Zitierens, sie adressieren das Unerreichbare über rhetorische Figuren, erschreiben sich jedoch auch eine neue Form doppelter Intertextualität, welche die Diskussionspartner als intersubjektives Korrektiv im Projekt der Historia Literaria auf vielfältigen Ebenen mit einzubeziehen sucht.

 

1 I. Kant, Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie, in: Kants Werke, Akad.-Ausg., VIII, 174f.

2 „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ (1784), „Rezensionen von J. G. Herders ‚Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit‘“ (1785), „Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte“ (1786), „Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie“ (1788), „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“ (1793), „Das Ende der Dinge“ (1794), „Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei“ (1798).

Wissenschaftlicher Werdegang

Wissenschaftlicher Werdegang

2006 | Magister in Philosophie, Neuerer deutscher Literatur- und Medienwissenschaft, Älterer deutscher Literaturwissenschaft/ Deutscher Sprachwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Magisterarbeit: „Rhetorik und narratologische Strategien im Verhältnis von Philosophie und Geschichte. J. G. Herders Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ 

2007-2010 | Mitglied im Kolleg „Zeitkulturen“ des Exzellenzclusters 16 an der Universität Konstanz

seit 2010 | Stipendiatin im Graduiertenkolleg des Forums „Texte. Zeichen. Medien“ an der Universität Erfurt.
Dissertationsprojekt: „Wir gewinnen im Kleinen, und verlieren im Großen.“ – Literarisierung von Geschichtsphilosophie um 1800 (Betreuer: Prof. Struck)

Publikationen

Publikationen

  • Artikel „Spiegel“, in: „Wörterbuch der philosophischen Metaphern“, hg. v. Ralf Konersmann, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2007, S. 375-388.
  • „Das augenfällig Geheime – Zur vermittelten Unmittelbarkeit spätaufklärerischer Historiographie. Wielands Beyträge zu einer geheimen Geschichte der Menschheit“, in: Wieland/Übersetzen. Sprachen, Gattungen, Räume, hg. v. Bettine Menke, Wolfgang Struck, Walter de Gruyter, Berlin/New York, 2010, S. 297-317. 
  • „Zur Bedenklichkeit des Marginalen: Kant und die Reisebeschreibung“  in: Klopffechtereien - Missverständnisse - Widersprüche? Methodische und methodologische Perspektiven auf die Kant-Forster-Kontroverse, hg. v. Rainer Godel, Gideon Stiening, Fink, München, 2011, S. 245-270. [Laboratorium Aufklärung 10] (erscheint im Dezember 2011)

Lehrveranstaltungen

Lehrveranstaltungen

  • "Brechts dramentheoretische Schriften." Sommersemester 2007 (Universität Erfurt)