Die 5. Generation deutscher MESH-Studierender im Libanon (Februar - Juni 2017)

Erneut hat sich Anfang Februar eine Gruppe deutscher MESH-Studierender in den Libanon begeben. Damit gehen der Studiengang und das Austauschprogramm in ihren 5. Jahrgang. Die Studierenden verteilen sich wie gehabt auf die beiden Partneruniversitäten Saint Joseph (USJ) in Beirut und Saint-Esprit de Kaslik (USEK) in Jounieh.

Hi? Kifik? Ca va?

Gut angekommen in Beirut hatten wir in den ersten Tagen etwas mit der Kälte in unseren Wohnungen zu kämpfen. Denn die meisten Häuser hier sind nicht für „Wintertemperaturen“ gebaut ;) Und nicht überall gibt es große/kleine Heater. Svenja und Tatjana mussten daher einige Male Zuflucht bei Katrin suchen, da sie weder heißes Wasser, Strom oder einen Heater hatten. Aber mittlerweile ist das Wetter besser geworden und es gibt heißes Wasser. Und an die täglichen Power Cut (Stromausfälle) von 3 Stunden haben wir uns auch gewöhnt.

Die Wohnungssuche gestaltete sich bei uns allen ziemlich einfach, da wir alle sehr schnell etwas gefunden haben – die praktische Umsetzung des Umziehen stand allerdings auf einem anderen Blatt. So haben wir über Wgs und Mitbewohnern alle so einige Geschichten zu erzählen: von Vermietern mit Kontrollzwängen, Mitbewohnern, die keine Miete zahlen oder nicht ausziehen wollen und am Ende alle Möbel und sogar den Kühlschrank mitgehen lassen hat – wir haben schon viel erlebt!

Zum Arabisch lernen hilft es einem am meisten, mit Syrer/Syrerinnen oder Libanesen/Libanesinnen zusammen zu wohnen. Dabei kann man noch interessante kulturelle Einblicke bekommen. Daher sind wir alle recht zufrieden, da fast alle von uns mit Syrern/Syrerinnen, Libanesen/Libanesinnen oder anderen Internationals zusammen wohnen.

Was die Sprachen angeht, ist es schon eine Herausforderung in einem Land zu sein, in dem alle Menschen ganz selbstverständlich drei Sprachen in einem Satz sprechen (Siehe Überschrift, welche die gängige Begrüßung hier ist). So kommt es schon mal vor, dass man ausversehen im Restaurant auf Deutsch bestellen will oder von einem Servicefahrer aufgefordert wird Spanisch zu sprechen. Da die Libanesen/Libanesinnen jeweils arabische, englische oder französische Schulbildung genossen haben, weiß man leider auch nie so genau auf welcher Sprache man sich nun mit der betreffenden Person unterhalten kann. Am besten probiert man es gleich in jeder Sprache einmal ;)

An der USJ wurden wir von den Studentinnen aus dem letzten Jahr Soziologie herzlich empfangen und direkt zu einem libanesischen Essen an der Corniche eingeladen. Seitdem sind wir alle begeisterte Fans von Ful, Falafel, Fateh und anderen Köstlichkeiten. Da der nächste Power Cut kurz bevor steht, beenden wir diesen Eintrag lieber bevor hier alle Lichter ausgehen.

Es grüßen aus dem noch beheizten Wohnzimmer,

die USJ Crew

Vom Strand direkt zur Schneeballschlacht

Wir befinden uns nun schon seit über zwei Monaten im Libanon und die Zeit verging wie im Flug. Nach dem Prüfungsstress in Erfurt ging es für uns Studierende der USEK direkt nach Beirut. Die erste Woche haben wir in Kaslik verbracht und einfach nur das warme Wetter und das Meer genossen. An der Uni wurden wir über alles Wichtige für unseren Studienaufenthalt informiert, ansonsten war unsere Zeit mit der Wohnungssuche gefüllt. Wobei man mit jeder neuen Besichtigung ein Stück mehr von Beirut und seinen Bewohnern erkunden konnte. Am Ende haben wir alle ein Zimmer in ganz unterschiedlichen shared flats gefunden und leben jetzt über ganz Beirut verteilt.

Die täglichen Busfahrten nach Kaslik und zurück sind manchmal ein kleines Abenteuer, aber inzwischen haben wir uns alle an den Stau und die manchmal etwas rasante Fahrweise gewöhnt. An der USEK haben wir neben einem Standardarabisch- und einem libanesischen Dialekt-Kurs vor allem politikwissenschaftliche Seminare. So lernen wir zum Beispiel etwas über die libanesische Verfassung oder über die Bedeutung von Energie für die Politik der Region. Des Weiteren haben wir Kurse über die Zeitgeschichte des Libanon. Die Kurse sind alle sehr interessant und zur Hälfte auf Englisch und Französisch. Im Allgemeinen kommt man doch ab und zu etwas durcheinander bei dem Sprachenwirrwarr, der hier herrscht. Während wir uns untereinander auf Deutsch unterhalten, sind die Kurse auf Englisch oder Französisch.

Auf der Straße versuchen wir unser Arabisch anzuwenden, auch wenn die mühevoll konstruierten Sätze in Standardarabisch oftmals belächelt werden und einem dann erstmal die libanesische Aussprache beigebracht wird. Die Libanesen sind alle, inklusive Professoren und Studierende, wahnsinnig nett und wir haben uns alle hier gleich sehr wohl gefühlt. Der Libanon ist ein sehr vielseitiges Land und hat eine reiche Kultur. Von Phöniziern, Römern, der französischen Mandatszeit bis zum Bürgerkrieg gibt es viel an Geschichte, die man noch täglich sehen und hören kann. Auf der anderen Seite wartet das Land der Zedern mit einer unglaublichen schönen und abwechslungsreichen Landschaft auf, so dass man vom Strand innerhalb kürzester Zeit in den Bergen ist und dort eine Schneeballschlacht machen kann. Uns hat es aber auch vor allem die libanesische Küche angetan, die sehr viele leckere Köstlichkeiten zu bieten hat.

Somit gibt es hier jeden Tag etwas Neues zu entdecken und zu kosten und wir freuen uns jetzt schon auf die vielen Dinge, die es hier noch zu erleben gibt.

Michaela

Eine Küstenstadt
Ruinen im Schnee

Soziologische Case-Study libanesischer WG-Bewohner*innen

„This is our common room, we use it for daily stretching“. Der Mittzwanziger mit seinen langen Rastazöpfen grinst und bietet uns Tee an in dem etwas Kamille schwimmt. Während wir drei steifen Kartoffeln auf der Couch sitzen, sträunert die Katze um die einzige von uns, die eine Katzenallergie hat. „Wie sieht es denn mit dem Putzen bei euch aus?“, fragen wir zaghaft. „Wir arbeiten alle abends in einer Bar oder als DJ. Am Wochenende trinken wir gerne, dienstags haben wir frei – da wird abgewaschen.“ Der Kühlschrank ist sozialistisches Gut. Dieses Konzept kennen wir bereits aus anderen WGs. Während sich andere WGs jedoch gerne zum Rauchen im Gemeinschaftsraum treffen, kommen die lockeren WGs zum grünen Rauchen und Detoxen zusammen. „Wir haben auch eine Saftpresse“. Ein verlockendes Angebot, tatsächlich ist das Obst in Beirut nicht nur billiger als in Deutschland, sondern schmeckt auch intensiver. Der Preis ist doch etwas abschreckend: 400 Dollar für das Zimmer in der 4er Kommune. Allerdings wäre ein Kurs Nunchaku inklusive.

Episode zwei: Wieder drei steife Kartoffeln zur WG-Besichtigung, diesmal auf einer Hollywoodschaukel. Ein Feuer lodert und die zwei Künstler*innen erzählen von ihren Hobbys: Violine spielen und Illustrieren. Der Grillmeister bietet derjenigen eine gegrillte Ananas an, die eine Obstphobie hat. Klammheimlich wird sie unter dem Tisch weitergereicht.

Episode drei: Zu Besuch bei einem Filmemacher in einer kleinen Seitenstraße, Pflanzenranken verstecken den Hauseingang. Eine von uns erfreut sich an dem Vintage-Charme, da treten wir in einen großen Vorraum: Wo früher unterrichtet wurde, schmückt jetzt ein Palästinensertuch die Wand. Während wir uns auf dem Sofa Gedanken über die Kakerlake auf dem Boden neben uns machen, lädt uns der Mitbewohner ein, neben seinen Zeichnungen von Frauenkörpern unsere eigene Kunst auf den Wänden zu verewigen. Eine gute Idee, wir überlegen uns ein paar Herzchen daneben zu malen. Unsere romantischen Vorstellungen verpuffen, gestört durch ein knackendes Geräusch. Die Kakalake hat nicht überlebt. Wir wechseln das Gesprächsthema. „It is really hard to find a room in Beirut.“ Man bietet uns an zur Not auch zu viert einzuziehen, so könnte man sogar die Miete verringern - 70 Euro pro Person! Obwohl wir sofort zusagten, kam der Rückruf nie. Nichtmal für eine Person. Zwei Wochen warteten wir vergeblich auf Antworten. Wir sahen ein: Ein lockeres Auftreten bringt mehr Erfolg.

Episode 4 - der Tragödie letzer Teil? Forn El Chebekk, eine WG mit NGO-Mitarbeiter*innen. Erst freuen wir uns, eine der wenigen WGs ohne zugelaufenes Tier! Dann erhebt sich Kater Gustav vom gleichfarbigen Sofa. Wir werden nach unseren Lebensentwürfen gefragt, Gustav hüfpft freudig um uns herum. Es folgt eine Führung durch die Wohnung, in der Küche strahlt uns ein Putzplan entgegen. Wir fühlen uns zuhause. Die Tür neben uns geht auf und die zukünftige Mitbewohnerin begrüßt uns. Im Bett hinter ihr liegt ein Mann, er bewegt sich kaum, sagt aber höflich hallo. Etwas steif, denken wir. „He is not included!“ Schade – aber endlich sieht man die Kartoffeln mal lachen.

Svenja, Tatjana und Julia

* Um die Persönlichkeitsrechte der genannten Personen zu wahren wurden alle Angaben anonymisiert und kein Bildmaterial gesammelt.