Die Promotionsordnungen der Universität Erfurt (Philosophische Fakultät) - gültig ab 2007, ab 2012 und ab 2022 - finden Sie auf der Seite https://www.uni-erfurt.de/universitaet/beratung-service/hochschulrecht/satzungsrecht/-verwaltungsvorschriften-der-universitaet-erfurt/studium/promotionsordnungen/philosophische-fakultaet .
DORIS FLEISCHER
"Denn was die meisten Menschen Frieden nennen, das sei ein bloßes Wort" (Plat. nom. 626a) Frieden im Krieg - ein Diskurs im klassischen Athen?
Weil Friedens- und Konfliktforschung unterschiedlichste wissenschaftliche wie auch gesellschaftliche Teilgebiete berührt, hat sich mein Dissertationsprojekt zur Aufgabe gemacht, Blickpunkte auf Krieg und Frieden von verschiedenen Seiten anzugehen. Es versucht anhand einer multiperspektivischen Darstellung kulturellen sowie historischen Wandel – die Dynamik des Krieges – systematisierbar, erzählbar und sichtbar zu machen. Denn obwohl die Moderne nur wenig über Häufigkeit, Ursachen, Motive und die Rolle des Krieges in der Antike auszusagen vermag, hält sich die Charakterisierung des klassischen Athens als Gesellschaft, die Krieg als Normalzustand erachtet – nicht nur in der althistorischen Forschung – hartnäckig. Hat der 'Frieden' (Aristoph. pax.) überhaupt Platz in der nach WEBER typisierten 'Kriegerzunft' (MWG I/22§5) oder bleibt er lediglich Teil phantastischer Utopie?
Dieser Fragestellung wie dem Verhältnis von Krieg und Frieden im klassischen Athen soll sich das Promotionsprojekt widmen. Anhand ausgewählter Paradigmen des antiken Schriftenkanons wird der häufig die realen Verhältnisse konterkarierende Diskurs nachgezeichnet, im Abgleich mit den realhistorischen Gegebenheiten die Divergenz von gesellschaftskulturellem Diskurs und politischer Akteursebene untersucht. Die kohärente Frage nach der Wahrnehmung von Konflikten auf unterschiedlichen sozialen Ebenen und die daraus resultierenden oder ausbleibenden Implikationen auf die realpolitischen Verhältnisse des klassischen Athens reagiert dabei nicht nur auf ein althistorisches Forschungsdesiderat. Zudem reflektiert das Projekt die Antike auch als Identifikationsobjekt und nimmt ausgehend Gegenwartsfragen – insbesondere dem Theorem des gerechten Krieges angesichts der Verhältnisse derzeitiger Konflikte – die Bedeutung der griechischen Denker für Debatten der Gegenwart in den Blick.
Betreuung: Kai Brodersen / Claudia Tiersch (HU Berlin). Annahme als Doktorandin in Erfurt am 18.5.2018
Kontakt: doris.fleischer@uni-erfurt.de
LUISA MOLLWEIDE
Religion auf der Bühne: Sakrale Elemente in Dramen der römischen Republik
Betrug, Geiz, Gewalt und Zuhälterei als beliebte Motive der Komödie haben vordergründig die Funktion der Erheiterung des Publikums und doch ist im republikanischen Drama ein verbindendes Element erkennbar: die antike Religion. Das Theater und damit verbunden die Aufführung von Dramen in der römischen Republik ist besonders interessant, um ein Abbild der Gesellschaftsstrukturen und der damit verknüpften Religion zu erhalten. Dichter wie Lucius Livius Andronicus (ca. 284 – 205 v. Chr.), Gnaeus Naevius (ca. 270 – 201 v. Chr.) und Quintus Ennius (ca. 239 – 169 v. Chr.) travestierten griechische Komödien wie Tragödien und integrierten römische Kulturelemente. Spätere republikanische Dichter wie Titus Maccius Plautus (ca. 250 – 184 v. Chr.), Publius Terentius Afer (ca. 195 – 159/8 v. Chr.), Marcus Pacuvius (ca. 220 – 130 v. Chr.) und Lucius Accius (ca. 170 – 90 v. Chr.) führten diese Travestie fort. Obwohl das römische Drama besonders markante sakrale Bezüge aufweist - erkenntlich zum einen durch die Aufführungsart, da Theaterstücke immer zu Ehren der Götter aufgeführt wurden, und zum anderen durch den Aufführungsort und die damit verbundene topographische Nähe zu einem Heiligtum - nehmen Kultpraktiken und deren Funktion in der modernen Forschungsliteratur keine hervorgehobene Position ein.
Der Großteil der wissenschaftlichen Arbeiten konzentrierte sich bisher auf philologische Untersuchungen. Die Problematik einer Analyse von Kultpraktiken auf der Bühne besteht darin, dass Dramen auch immer eine fiktive, inszenierte und überspitzte Welt abbilden und dadurch ein karikiertes Abbild der lokalen oder auch regionalen religiösen Traditionen, Bräuche und Vorstellungen der römischen Republik darstellen. Um diese Hürde zu überwinden, werden sowohl das Theater, in seiner Gesamtheit mit Musik, Bühnenbild, Schauspiel, Publikum als auch die ausgewählten republikanischen Dramen als uns fassbare literarische Quelle als Abbilder von Erinnerungsdynamiken beleuchtet. Dieser Blickwinkel eröffnet neue Räume für ein Verständnis von religiösen Praktiken der Antike. Im Zentrum der Untersuchung stehen zwei Fragestellungen: Zum einen soll herausgearbeitete werden, welche Funktion der Inszenierung von religiösen Elementen auf der Bühne zukommt, zum anderen, in welchen Sujets Religion und Humor zusammengebracht werden können und was dies für eine Aussage über die gesellschaftlichen Strukturen der Republik machen kann. Dafür wird eine multidisziplinäre Herangehensweise forciert, die historische, archäologische, religionswissenschaftliche, soziologische und sprachwissenschaftliche Ansätze miteinander vereint.
Betreuung: Kai Brodersen / Katharina Waldner. Annahme als Doktorandin in Erfurt am 25.9.2020
Kontakt: Luisa.Mollweide.01@uni-erfurt.de
OTTO RITTER
Dichter und Dichtung in der römischen Republik, 240–90 v.Chr.
In jüngerer Zeit hat sich die Alte Geschichte auch der Erforschung der Literatur der römischen Republik im 3. und 2. Jh. v.Chr. zugewandt. Große Aufmerksamkeit haben hier v.a. die Historiographie und verwandte Prosagattungen erfahren, kaum jedoch die Werke der Dichtung. Dies kann auf drei überkommene, doch noch immer wirksame Vorurteile zurückgeführt werden: dass sie zu trümmerhaft überliefert seien, als dass eine Beschäftigung lohnend erschiene; dass ihre Schöpfer ohnehin ‚nur‘ Nicht-Römer von minderer sozialer Stellung gewesen seien; dass diese Dichtwerke ohnehin ‚nur‘ Übersetzungen griechischer Vorbilder darstellen. Entsprechend wird der Dichtung auch nur in ihrer Totalität historischer Quellenwert zuerkannt, als Kronzeugin für den Hellenismus der Römer, der erst in der augusteischen Epoche seinen klassischen Abschluss fand. Das Projekt versucht, abseits dieser Vorurteile zu einer angemessenen Würdigung der älteren lateinischen Dichtung zu gelangen und ihre Texte als historische Quellen fruchtbar zu machen. Dies, so die Ausgangsthese, kann nur erreicht werden, indem die Dichtung dieser Epoche nicht nur als künstlerische, sondern auch als soziale Institution – als „das von der Gelegenheit und der Gesellschaft geforderte Wort“ (K. Büchner) – betrachtet und dezidiert in ihren historischen Kontext eingebettet wird.
In diesem Sinne wird der Gegenstand in drei Teilen untersucht: Der erste fragt nach dem Aufkommen literarischer Dichtung im ‚Epochenjahr‘ 240 v.Chr. und versucht, abseits des Hellenismus-Narrativs Bedingungen und Ursachen für die betreffenden Vorgänge innerhalb der römischen Gesellschaft namhaft zu machen. Der zweite Teil widmet sich der Frage, was eigentlich ein Dichter sei und welche soziale Rolle er für sich und sein Tun vindizierte bzw. ihm von der Gesellschaft beigemessen wurde. Der dritte Teil schließlich behandelt die erhaltenen Fragmente und fragt, in welchem Verhältnis die mit Mitteln der Sprache entworfenen Welten der Dichtwerke zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld stehen. Was verbindet etwa die poetische persona eines Ennius mit dem Habitus der nobiles seiner Zeit? Welche strukturellen Beziehungen bestehen zwischen den Satiren des Lucilius und der Politik des Tiberius Gracchus? Was sagen solche Beziehungen über den jeweiligen Zustand der römischen Gesellschaft aus und wie hat die Dichtung auf diesen eingewirkt? In einer Zeit, in der der politische und gesellschaftliche Diskurs zunehmend von exklusiven Wahrheitsansprüchen geprägt wird – sprachlich emphatisch vorgetragen in Form von sog. ‚alternativen Fakten‘ und ‚Hasskommentaren‘, deren imaginierte Gewalt gegen Andersdenkende immer häufiger in reale Gewalt umschlägt –, erscheint eine solche Untersuchung höchst aktuell.
Betreuung: Kai Brodersen / Gerrit Kloss (Heidelberg). Annahme als Doktorand in Erfurt 3.11.2016
Kontakt: otto.ritter@uni-erfurt.de
PROMOVIERTE
J. MANUEL SCHULTE
Speculum Regis: Studien zur Fürstenspiegel-Literatur in der griechisch-römischen Antike
Betreuer: Kai Brodersen (Mannheim), Stefan Rebenich (Mannheim). - Abschluss des Promotionsverfahrens in Mannheim.
Publikation: J. Manuel Schulte: Speculum Regis. Studien zur Fürstenspiegel-Literatur in der griechisch-römischen Antike. Antike Kultur und Geschichte 3, Münster: Lit 2001. ISBN 3-8258-5249-0
AMINA KROPP
"Wenn Worte töten könnten ..." Sprachverwendung in aggressiv-magischen 'Ich-Ritualen' der römischen Antike
Betreuer: Wolfgang Raible (Freiburg), Kai Brodersen (Mannheim). - Abschluss des Promotionsverfahrens in Freiburg am 4.12.2006 (summa cum laude).
Publikation: Amina Kropp, Magische Sprachverwendung in vulgärlateinischen Fluchtafeln (defixiones) ScriptOralia 135, Tübingen: Narr 2008. 341 S., ISBN 978-3-8233-6436-8 - Amin Kropp, defixiones - Ein aktuelles Corpus lateinischer Fluchtafeln, Speyer: Kartoffeldruck-Verlag 2008. 412 S. ISBN 978-3-939526-02-5
MARTIN ANDREAS LINDNER
Rom und seine Kaiser im Historienfilm
Betreuer: Tanja Scheer (Oldenburg), Kai Brodersen (Mannheim). - Abschluss des Promotionsverfahrens in Oldenburg am 30.1.2007.
Publkation: Martin Lindner, Rom und seine Kaiser im Historienfilm. Frankfurt/M.: Verlag Antike 2007. 332 S. ISBN 978-3-938032-18-3
KATHARINA WEGGEN
Studien zu M. Licinius Crassus
Betreuer: Rainer Bernhardt (Rostock), Kai Brodersen (Mannheim). - Abschluss des Promotionsverfahrens in Mannheim am 30.11.2007.
Publikation: Katharina Weggen, Der lange Schatten von Carrhae: Studien zu M. Licinius Crassus. Hamburg: Kovac 2011. ISBN 978-3-8300-5520-4
WOLFGANG MOSCHEK
Der römische Limes – Eine Untersuchung zur kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Bedeutung der Bauwerke an den Enden des Römischen Reiches
Betreuer: Kai Brodersen (Erfurt), Veit Rosenberger (Erfurt). – Abschluss des Promotionsverfahrens in Erfurt am 24.1.2009.
Publikation: Der Römische Limes. Eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte. Speyer: Kartoffeldruck-Verlag 2011. 272 S: ISBN 9783939526100.
KATRIN HERRMANN
Gordian III. - ein Kaiser der plebs Romana?
Betreuer: Kai Brodersen (Erfurt), Veit Rosenberger (Erfurt). - Abschluß des Promotionsverfahrens in Erfurt am 5.1.2011.
Publikation: Gordian III. - Kaiser einer Umbruchszeit. Speyer: Kartoffeldruck-Verlag 2013. 203 S. ISBN 978-3-939526-20-9
UWE HERRMANN
Zorn, Rache und Gewalt im archaischen Griechenland
Betreuer: Kai Brodersen (Erfurt), Veit Rosenberger (Erfurt). - Abschlulss des Promotionsverfahrens in Erfurt (MWK) am 17.2.2012.
Publikation: Anthropos Deinos: Zur Rolle der Gewalt in der griechischen Archaik im Spiegel der epischen und lyrischen Dichtung. (Antike Kultur und Geschichte 15) Münster: Lit 2014. ix, 440 S., ISBN 978-3-643-12525-5
KIRSTEN DZWIZA
Schrifttragende Artefakte in den Praxisanleitungen zur Interaktion mit höheren Mächten aus den griechischen, demotischen und koptischen Sammelschriften des 1.-7. Jahrhunderts. Untersuchung und Kontextualisierung von Materialität, Funktion, Handhabung und Beschriftungselementen.
Betreuer: Kai Brodersen (Erfurt), Joachim F. Quack (Heidelberg). - Abschluss des Promotionsverfahrens in Erfurt am 18.9.2013.
Publikation: Schriftverwendung in antiker Ritualpraxis anhand der griechischen, demotischen und koptischen Praxisanleitungen des 1. - 7. Jahrhunderts [http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=23500]
JOHANNES EBERHARDT
Musikkultur in der spätrömischen Gesellschaft
Betreuer: Kai Brodersen (Erfurt), Veit Rosenberger (Erfurt). - Abschluss des Promotionsverfahrens in Erfurt am 18.3.2014
Publikation: Ungezähmte Musen. Musikkultur in der griechisch-römischen Spätantike (Antike Kultur und Geschichte 19) Münster: Lit 2018. 456 S. ISBN 978-3-643-13915-3
SOFIA BIANCHI
Visible and Invisible Powers: A Case Study on the Socio-Political Dimension of Curse Tablets in Selinous and Athens.
Betreuung: Kai Brodersen / Katharina Waldner. - Abschluss des Promotionsverfahrens in Erfurt am 8.12.2021.
Publikation in Vorbereitung
HABILITIERTE
KAREN PIEPENBRINK
Im Apri 2005 hat sich an der Universität Mannheim Dr. Karen Piepenbrink mit einer Arbeit über "Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike" für "Alte Geschichte" habilitiert. Sie ist seit 2011 Professorin an der Universität Gießen.