Forschungsprofil

Seitdem der "spatial turn" wissenschaftlich Gehör gefunden hat, befassen sich vor allem in den Kulturwissenschaften viele Projekte mit räumlichen Perspektiven. Diese Reflexionen sind mehrheitlich eindimensional – oder besser gesagt: dreidimensional, denn die zeitliche Perspektive wird häufig außer Acht gelassen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit beiden Kategorien, deren Verknüpfungen und wechselseitigen Dynamiken hat sich die Erfurter RaumZeit-Forschung (ERZ) zur Aufgabe gemacht.

Ziel ist es, Projekte an der Universität Erfurt zusammenzubringen sowie neue Impulse zur theoretischen Debatte und zur Regionalisierung und Historisierung des Umgangs mit Raum und Zeit zu geben. Neben der weltregionalen Ausrichtung und dem epochenübergreifenden Zugang der RaumZeit-Arbeitsgruppe trägt vor allem der interdisziplinäre Ansatz zur positiven Resonanz bei. An den Forschungsprojekten nehmen Historiker*innen, Literatur- und Politikwissenschaftler*innen, Philosoph*innen, Geograph*innen, Religions- und Kommunikationswissenschaftler*innen teil. Weitere interessierte Kolleginnen und Kollegen sind dazu eingeladen, sich zu beteiligen. In erster Linie organisieren wir diskussionsintensive Workshops, internationale Tagungen und Publikationen mit von Beteiligten gewählten Themen, zu denen wir Forscher*innen verschiedener Fachrichtungen einladen.

Konzeptionell gehen wir davon aus, dass Räumlichkeit und Zeitlichkeit in ihrer Konstruiertheit lebens- und alltagsweltlich nicht voneinander zu trennen sind. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeitsgruppe liegt auf räumlichen und zeitlichen Praktiken. Um hierzu Zugang zu haben, wird mit Henri Lefebvre oftmals die Trialektik der materialisierten, produzierten und imaginierten Konstitution von Raum und Zeit angewandt. Analysiert werden unter anderem wirtschaftlich-technische Netzwerke hinsichtlich effizienter Bewegung im Raum, die gesellschaftliche Aushandlung von Klanglandschaften, die Verzeitlichung und Verortung von Gesellschaften in globalen Bezugssystemen, neben- und gegeneinander existierende Raum- und Zeitkonzepte, der Wandel von kulturell geprägten Umgangsformen mit Zeit und Raum, spezifisch räumlich-zeitlich konstruierte Wissensformationen sowie die Bedeutung von Räumlichkeit und Zeitlichkeit für die Selbst-Konstitution des Menschen.

Hier finden Sie es das Konzeptpapier von 2011 zum Download. Derzeit arbeitet die ERZ an einer Aktualisierung.

Forschungsbereich: Theorien und Theoretiker*innen der RaumZeitlichkeit

Profil

Die theoretisch-methodische Auseinandersetzung mit Konzepten von RaumZeitlichkeit sowie Räumlichkeit und Zeitlichkeit ist seit Gründung ein zentrales Forschungs- und Diskussionsfeld der ERZ. Die Reflexion von Theorien und Praktiken der RaumZeitlichkeit ist unhintergehbares Fundament ihrer Veranstaltungen und ihrer Publikationen. Dabei beschäftigen uns insbesondere die Werke von Henri Lefebvre und Michail M. Bachtin. Zugleich werden raumzeitliche Analyseverfahren in verschiedensten Forschungsfeldern angewandt und unterstützen damit auch die Weiterentwicklung der Theoriebildung.

Vergangene Veranstaltungen

"Everyday Poiesis – zur Platzierung des Politischen bei Lefebvre", 3. Workshop zu Henri Lefebvre, 19./20.05.2017, Basel.

Download der Einladung zum Workshop.

"Raum anders denken. Die Begriffe der Raumtrias, des Residualen und der Heterotopie bei Henri Lefebvre."

Download des Programms.

Veranstalter: DFG-Graduiertenkolleg "Topologie der Technik in Verbindung mit der Erfurter RaumZeit-Gruppe

"Lefebvre lesen. Plurale Zugänge zu einem vernachlässigten Raumdenker des 20. Jahrhunderts"

Download des Programms.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe in Kooperation mit dem DFG-Graduiertenkolleg „Dynamiken von Raum und Geschlecht“

"Taktungen: Zeiten. Rhythmen. Räume"

Download der Ankündigung.

Download des Programms.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe

Forschungsatelier „Historische Zeitforschung und globale Geschichtsschreibung: Krisen – Ordnungen – (Un-)Gleichzeitigkeiten"

Download des Programms.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe in Kooperation mit Thoralf Klein und Martina Winkler

"Raumzeitliche Praktiken - Interdisziplinäre Annäherungen"

Download des Programms.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe

"Theoretische Konzepte raumzeitlicher Ordnungspraktiken: de Certeau – Eliade – Koselleck"

Download der Ankündigung.

Download des Programms.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe mit Unterstützung durch die Plattform Weltregionen und Interaktionen, das Historische Seminar der Universität Erfurt und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Forschungsbereich: RaumZeitlichkeiten des Politischen

Profil

Als weiteres Forschungsfeld etablierte sich die Auseinandersetzung mit politischen Konzepten aus raum-zeitlichen Perspektiven. So veranstaltete die ERZ im Oktober 2014 ihre erste internationale Tagung zur RaumZeitlichkeit des Imperialen und hatte über einige Jahre eine Forschungsgruppe zu „Was ist westlich am Westen?“ sowie in Kooperation mit dem Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“ ein Projekt zum Kolonialen Erbe vor Ort. Auch daran knüpft die Beschäftigung mit der Bedeutung von Demokratien für die Lösung heutiger Problemlagen an. Dabei soll mit der Fokussierung auf die RaumZeitlichkeit von Demokratie(n) eine eigenständige Perspektive gewonnen werden. 

Vergangene Veranstaltungen

Vortrag: "Romanization and the Digital FutBilderure of Philology"

Vortrag: "Romanization and the Digital FutBilderure of Philology" von Prof. Dr. Christopher Gogwilt (Fordham University, New York)

Veranstalter: ERZ in Kooperation mit Forum: Texte.Zeichen.Medien (TZM)

"Die Raumzeitlichkeit des Imperialen"

Download des Konzepts der Tagung.

Download des Programms der Tagung.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe

Forschungsbereich: RaumZeitlichkeiten des Religiösen

Profil

Im Zuge einer ganz grundsätzlichen Ablehnung der religionsphänomenologischen Perspektive wurde seit den 1980er Jahren innerhalb der Religionswissenschaft die Erforschung der Rolle von Raum und Zeit in religiösen Weltbildern und Praktiken vernachlässigt. Zu Recht galten die Annahme einer grundlegenden Raumaufteilung in „sakral“ und „profan“ (Durkheim) ebenso wie die Rede von „Heiligem Raum“ und „Heiliger Zeit“ (Eliade) als unzulässige und für kulturelle Differenzen unsensible Verallgemeinerungen. Gerade jedoch die durch diese Kritik bedingte Hinwendung zum (Kultur-)Spezifischen, Lokalen, Alltäglichen, zur Religion vor Ort ebenso wie zu ihrer materiellen Dimension (vgl. z.B. die Arbeiten von Kim Knott) machte es schließlich möglich, die Frage nach der Raumzeitlichkeit von Religion auf neue Weise zu stellen. Religiöse Systeme und insbesondere die in ihrem Kontext auftretenden Spezialist*innen versuchen durch die Herausbildung spezifischer Strategien (Geschichtsschreibung, Kalender, exklusiv sakrale Räume etc.) Raum und Zeit zu kontrollieren, während gleichzeitig die Taktik von Alltagspraktiken (Michel de Certeau) darin besteht, die gegebenen Raum- und Zeitordnungen zu unterlaufen. Eine Analyse religiöser Praktiken, die auf diese Weise die Frage nach Raum, Zeit und Materialität in den Vordergrund stellt, ist dazu geeignet, sowohl die Machtstrategien religiöser Systeme als auch die „Eingebettetheit“ (embeddedness) und die Kreativität von gelebter, alltäglicher Religiosität adäquat zu erfassen und so erst sichtbar werden zu lassen. Die für unsere aktuelle gesellschaftliche Situation ebenso wie für historische Epochen charakteristische Vielfalt und Veränderlichkeit des religiösen Feldes lässt sich so an konkreten Beispielen, wie etwa der Individualisierung von Bestattungspraktiken, der Gestaltung sakraler Räume in Städten etc. in ihrer Spannung zu institutionalisierter Raum- und Zeitordnung analysieren. Eine derartige Analyse durchkreuzt die durch Begriffe wie „Monotheismus“ aber auch „Weltreligionen“, „religiöse Individualisierung“ und ähnliche Kategorien festgefahrenen wissenschaftlichen und alltäglichen Imaginationen des religiösen Feldes.

Vergangene Veranstaltungen

"Zwischenräume II - Raumvorstellungen und Raumpraktiken im Heterochronotopos"

Download des Programms.

Veranstalter: Sabine Schmolinsky (Erfurt), Muriel Gonzáles Athenas (Bochum) und Monika Frohnapfel-Leis (Erfurt), gefördert u.a von der Ernst-Abbe Stiftung, Erfurt

"Räume des Religiösen: Zwischenraum, third space oder Heterotopie?"

Download des Programms.

Veranstalter: Muriel González Athenas (Bochum) und Monika Frohnapfel-Leis (Mainz/Erfurt)

"Locating Matyrdom in Space/Time"

Download der Workshop-Skizze.

Download des Programms.

Veranstalter: :Prof. Dr. Katharina Waldner (Erfurt) und Prof. Dr. Harry Maier (Erfurt), Erfurt

Forschungsbereich: Wissen und RaumZeitlichkeit

Profil

Wissen entfaltet seine Dynamiken stets auch in raumzeitlichen Dimensionen; diese Beziehungen sind ein weiteres zentrales Forschungsfeld der ERZ. Einen materialen Schwerpunkt bilden die Bestände der Sammlung Perthes Gotha der Forschungsbibliothek Gotha, die globale bis lokale Forschungsperspektiven ermöglichen und RaumZeitlichkeit mit Wissensgeschichte verbinden.

"Zirkulation des Wissens"

Download des Programms.

Veranstalter: ERZ in Kooperation mit dem International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Justus-Liebig-Universität Gießen

"Arbeiten vor Ort, arbeiten am Raum. Geographische Expertisen zwischen den Weltregionen"

Download des Programms.

Download des Aushangs.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe, Forschungszentrum Gotha

"Historisches Kartenlesen"

Download des Programms.

Download der Ankündigung.

Veranstalter: Erfurter RaumZeit-Gruppe, Historisches Seminar Erfurt, Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes