Eigentlich fing alles schon 2019 an, als Martin Christ, Post-Doc Fellow am Max-Weber-Kolleg, Seeman einlud, einen Hauptvortrag auf einer von ihm organisierten Konferenz zu halten, die im August 2021 in Erfurt stattfinden sollte: "The Moment of Death in Early Modern Europe, 1450–1800". Wie so oft in dieser Zeit konnte die Konferenz jedoch nicht in Präsenz stattfinden – die Corona-Pandemie machte es unmöglich. "Also nahm ich online teil", berichtet Erik Seeman und lacht: "Aber ich war dennoch in Deutschland, denn ich nahm an der Konferenz von einem Hotelzimmer in Frankfurt aus teil, damit ich in der gleichen Zeitzone sein konnte. Ich war angetan von der Konferenz und den Menschen, denen ich hier begegnete, also beschloss ich, mich für ein Fulbright-Stipendium zu bewerben, um meine Zusammenarbeit mit Martin Christ und seinen Kolleg*innen in Erfurt zu vertiefen. Denn eine ganze Reihe von ihnen arbeitet an den Themen, die mich in meiner Forschung ebenfalls interessieren. Und ich hatte Erfolg: Ich erhielt ein Lehr- und Forschungs-Fulbright-Stipendium und konnte so im März 2023 das erste Mal persönlich nach Erfurt kommen." Seit Beginn des Sommersemesters lehrt er nun in einem Seminar an der Universität Erfurt – das Thema: "Tod und Sterben in Amerika und Europa".
Als Historiker interessieren Erik Seeman besonders das koloniale Nordamerika und die frühneuzeitlichen atlantischen Welt. Sein Spezialgebiet: Religionsgeschichte. "In den Vergangenen zwei Jahrzehnten habe ich viel über die Geschichte des Todes gearbeitet: Rituale, Praktiken und die Bedeutungen, die Menschen daraus ziehen", berichtet er. In seinem aktuelle Buchprojekt "Boston's Pox of 1721: A People's History" geht es dagegen um die Pocken, die erste Epidemie in der westlichen Welt, bei der Impfungen zur Bekämpfung einer Krankheit eingesetzt wurden – Impfungen, die in Asien und Afrika schon lange vorher eingesetzt wurden. "Ja, auch andere Historiker haben bereits über diese Epidemie geschrieben, aber sie haben sich auf die Kontroverse um die Impfungen konzentriert. Im Gegensatz dazu konzentriert sich mein Buch auf die Lebenserfahrungen der rund 11.000 Einwohner der Stadt Boston. Ich gehe darin zum Beispiel der Frage nach, wie sie versorgt wurden, wie die Epidemie ihre finanzielle Situation aber auch ihre religiösen Überzeugungen beeinflusste und so weiter."
Seine Zeit in Erfurt möchte Professor Seeman aber auch nutzen, um über deutsche Leichenpredigten des 18. Jahrhunderts zu recherchieren und Sterbeszenen mit denen im puritanischen Neuengland zu vergleichen. Dafür wird er unter anderem in der Forschungsbibliothek in Gotha arbeiten, die dafür eine große Fülle an Material bereithält, denn gedruckte Leichenpredigten durchziehen den gesamten Bestand der Forschungsbibliothek. In mehr als 40 zumeist dicken Sammelbänden befinden sich mehr als 9.000 einzelne Drucke aus dem 16. bis 19. Jahrhundert. Bemerkenswert sind die zum Teil aufwendig gestalteten Gedächtnisbände auf Fürsten und Fürstinnen des mitteldeutschen Raumes und des Gothaer Herzoghauses.
"Ich freue mich auf neue Impulse und Entdeckungen", sagt der Historiker aus Buffalo. "Aber natürlich vor allem auch darauf, mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten, die ähnliche Forschungsinteressen wie ich haben, jedoch in anderen geografischen Kontexten arbeiten. Und ich bin neugierig darauf, von meinen Studenten zu erfahren, wie sie ihr Bildungssystem und den Stoff, den wir gemeinsam bearbeiten, sehen und reflektieren. Das wird mir auch noch einmal neue Einblicke verschaffen und meinen Horizont erweitern."
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