Visuelle Wortakzentmarkierung und Lesekompetenz: Die prosodische Unterdeterminiertheit der deutschen Schrift – Visuelle Anreicherung als mögliche Hilfestellung beim Lesen

Promotionsprojekt von Philip Kehl

Wo steckt die Prosodie in der deutschen Schriftsprache?

Der Begriff Prosodie beschreibt alle Eigenschaften einer Lautkette, die die einzelnen Laute überlagern. U.a. geht es hierbei um die Betonung von Silben. Die deutsche Schrift gibt keine direkten Hinweise darauf, wie ein Wort oder ein Satz richtig betont wird. Leselernenden und Menschen mit geringer Lesekompetenz fällt es bereits beim Lesen einzelner Wörter schwer, die richtige Silbe zu betonen (d. h. den Wortakzent korrekt zuzuweisen). Die einzelnen Laute (durch Buchstaben oft eindeutig kodiert) zu Silben zusammenzuziehen ist nur ein Schritt beim Lesen. Gelingt die korrekte Wortakzentzuweisung, kann ein Wort auch besser als lexikalische Einheit verarbeitet werden, was sich positiv auf die Aussprache und das Verstehen auswirkt. Es scheint uns plausibel anzunehmen, dass insbesondere schwache Lesende, die Wörter noch nicht als Ganzes verarbeiten, davon profitieren, wenn bei Wörtern die wortakzenttragende Silbe mit einer Markierung versehen wird.

Hilft die Markierung der betonten Silbe beim Lesen eines Wortes?

Im Rahmen meines Projekts soll in einem ersten Experiment mit Erwachsenen untersucht werden, ob und welche Art der Markierung am effektivsten wirkt (Bögen unter den Silben, Unterstreichung / Fettdruck / farbige Markierung der betonten Silbe etc.). Anschließend soll getestet werden, ob diese Art der visuellen Wortakzentmarkierung die Leseperformanz von Kindern im Grundschulalter beeinflusst. Schwerpunkt soll dabei eine Lernstudie sein, in der herauszufinden ist, ob Kinder längerfristig von Trainingssitzungen inkl. Instruktion zum Lesen mit Wortakzentmarkierungen profitieren.

Projekt Philip Kehl

Nutzen für die Didaktik

In Lehrwerken für Leseanfänger*innen und Deutsch-als-Fremdsprache-Lernende wird die Silbe zwar thematisiert und teilweise als Einheit markiert, nur sehr selten jedoch wird die Betonung als Eigenschaft visuell hervorgehoben. Zeigt sich in unseren Untersuchungen belastbare Hinweise auf eine positive Wirksamkeit der Wortakzentmarkierung, spräche dies für eine stärkere Berücksichtigung prosodischer Aspekte in didaktischen Kontexten.