Hartmut Nitsche

Kurzbiographie

  • Seit 1999: Berufsschullehrer am Bildungscampus in Mühlhausen
  • 2012 bis 2014: berufsbegleitendes Ergänzungsstudium an der Universität Leipzig, Institut für Förderpädagogik, Erweiterungsprüfung für das Lehramt an Förderschulen, Lernbehindertenpädagogik
  • 1997 bis 1999: Thüringisches Staatsarchiv Gotha, Projektarbeit zur Erstellung sachthematischer Inventare zur Baugeschichte
  • 1994 bis 1996: URANIA Landesverband Thüringen, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kultur- und Bildungsverein Gotha, Veranstaltungsservice und Projektarbeit zu landesgeschichtlichen Themen und Stiftungen
  • 1991 bis 1994: Weiterbildung im Management-Training; Wirtschaftstrainer in den Arbeitsfeldern DTP, Marketing und Kommunikation, Werbebetriebslehre und technische Redaktionsarbeit, Tätigkeit für das VHS-Bildungswerk und die Thüringische Landeszeitung
  • 1987 bis 1991: Gummiwerke Thüringen, später Phoenix Thüringen GmbH, kaufmännischer Sachgebietsleiter mit Lehrauftrag in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung
  • 1988 bis 1990: Universität Leipzig, Sektion Wirtschaftswissenschaften, berufsbegleitender Aufbaustudiengang Betriebs- und Leitungsorganisation
  • 1984 bis 1987: Lehrer in Gotha, Unterbrechung zur Ableistung des Grundwehrdienstes
  • 1978 bis 1984: Studium an der Bergakademie Freiberg und der Universität Leipzig, Abschluss als Diplomfachlehrer für Deutsch und Geschichte
  • 1978: Abitur, Salzmannschule Schnepfenthal

Forschungsinteressen

  • Rechts- und Verfassungsgeschichte
  • Thüringische Landesgeschichte
  • Bildungsgeschichte, Geschichte des Kindes in der Neuzeit und pädagogische Handlungskonzepte
  • Stereotypenbildung sowie veränderte Rhythmen und Zeitstrukturen ab 1770 in ihrer Emergenz
  • Lebenswelten, Diversität, Teilhabe und Inklusion in ihren räumlichen Dimensionen

Dissertationsprojekt

Landesherrliches Kirchenregiment im Aufgeklärten Absolutismus – Studien über das Oberkonsistorium im Fürstentum Gotha im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts

Mein Projekt ist auf das Gothaer Oberkonsistorium und dessen nachgeordnete Behörden fokussiert. Kirchen- und Schulaufsicht werden intensiv analysiert, der Verwaltungsprozess zwischen den Oberbehörden wird auf „konsistoriale Themenfelder“ und daraus erwachsende Interaktionen untersucht.

Hauptziel ist das Erfassen, Darstellen und die Charakterisierung der Behördenstruktur auf Grundlage einer breit angelegten Aktenauswertung im Thüringischen Staatsarchiv Gotha. Die Regentschaft Ernsts II. (1772-1804), bildet weitgehend den zeitlichen Rahmen der Erhebung. Ausgehend von der These, dass im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein dynamischer Wandlungsprozess einsetzte, wird mittels kategoriegeleiteter Textanalyse der Primärquellen eine stützende Argumentationskette aus den Quellen aufgebaut.

Nach knapper Darstellung der territorialen und politischen Entwicklung folgt eine aktenkundliche Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation der Behörde. Das Kirchenregiment präsentiert sich streng landesherrlich strukturiert. Von besonderem Interesse ist das in der sogenannten Sattelzeit entstehende Spannungsfeld mit Tendenzen der Bewahrung und Anpassung einerseits und der Wahrnehmung von Veränderungsprozessen an der Schwelle zur Moderne andererseits. Dessen Niederschlag im Verwaltungshandeln zu ergründen, wird die zentrale Aufgabe sein. Hierzu ist die eingehende Untersuchung der zeitgenössischen personellen Ressourcen neben der Aktenbildung und Archivierung notwendig. Personelle Beziehungen zwischen den Oberbehörden des Herzogtums und sich ergebende Karrierewege werden verfolgt. Um die Kontinuität von Vorgängen zu erfassen, ist regelmäßig eine zeitliche Rückschau zum Ergründen des Verwaltungshandelns und eine Nachverfolgung von Handlungssträngen bis ca. 1825 notwendig. Die Erfassung linguistischer Konnotationen rundet das Bild ab, beispielsweise die Verwendung des Lexems „im jetzigen Zeitgeiste“, aktenkundlicher Nachweis auf das Jahr 1801.

Auch das Verhältnis zwischen dem Geheimen Ratskollegium und Oberkonsistorium ist Gegenstand der Aufarbeitung. Die Entscheidungspraxis wird mit Hilfe der Akten des Konsistorialarchivs erörtert, da die Ratsprotokolle weitgehend kassiert wurden. Im Zusammenwirken mit dem Medizinalkollegium interessieren Festlegungen der Themenkreise Geburt, Arbeit der Hebammen und deren Überwachung, das Anatomische Theater Gotha, Fragen zu Tod und Bestattung sowie Samuel Hahnemanns Aktivitäten in Gotha und Georgenthal 1792/93.

Praktische Aufgaben der Kirchenaufsicht werden beispielhaft am Kirchbauwesen und der Bewirtschaftung der Kirchhöfe untersucht. Das Auswahlverfahren zur Bestellung des Generalsuperintendenten, dessen Geschäftskreis und der Ablauf der fünf Zirkel der Generalvisitation verdienen besondere Aufmerksamkeit.

Langfristig wirkt die Art des Weges vom Theologiestudenten über die Kandidatenzeit bis zur Ordination auf die Kultur des Pfarramtes. Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl, welchen Zeitraum umfasste die Anwartschaftszeit, auf welche Weise bestritten die Theologen im Wartestand ihren Lebensunterhalt, welche Veränderungen zeigten sich im Untersuchungszeitraum? Damit verbunden ist die Stellenplanung in den Kirchsprengeln. Diese Übersicht erfordert umfangreiche statistische Erhebungen, die Fragestellungen über die Kirchbuchführung, Aufbau der lokalen Pfarrarchive, Inhalte der „Neujahrstabellen“ und standesamtliche Register beinhalten. In diesem Zusammenhang wird Kirche als Ort öffentlicher Information durch Abkündigung, Bekanntmachung und Erinnerung an die Einhaltung von Vorschriften untersucht. Neben der Bekämpfung von Aberglauben, Magie und Hexerei spielt auch der Umgang mit Ängsten eine wichtige Rolle. Beispielhaft wird dies an den Erdbeben von 1756 (Epizentrum vermutlich nahe Düren) und 1767 (Epizentrum vermutlich bei Rotenburg an der Fulda), Krankheitsausbrüchen und Impfaktionen, Hunger, Trockenheit, Krieg und anderen Elementarschäden dargestellt.

Die Schulaufsicht über Stadt-, Land- und Privatschulen, ausgehend vom Gothaer Schulmethodus (1642) und dessen Weiterentwicklung, wird breit untersucht, um die Entwicklungen inhaltlich und zeitlich zu benennen. Die Aktenlage des Konsistorialarchivs spiegelt die Interessen, Sorgen und Abwägungsprozesse dieser Entwicklung breit und treffend. Stundentafeln, Aufträge zum Druck von Schulbüchern und Festlegungen zum Realienunterricht runden das Entwicklungsbild ab. Die Arbeitsweise der Schulinspektion wird am Beispiel des Landschulinspektors Johann Ernst Christian Haun (1748-1801) dargestellt. Wie verlief die Ausbildung der Schulamtskandidaten vor 1780 und danach am Landschullehrerseminar ab, wie waren Prüfungswesen und Anstellung in den Schuldienst geregelt? Dieser Komplex wird quellengestützt unter dem Aspekt der Professionalisierung der Lehrerbildung geklärt. Die statistische Aufbereitung des Datenbestandes ist vorgesehen.

Die „geistliche“ Gerichtsbarkeit stellt sich als Ergänzung und Konkurrenz zur „weltlichen“ Gerichtsbarkeit dar. Zusätzlich sieht sich Gothas Oberkonsistorium in der Pflicht zur Wahrung der Konformität der Ernestiner in Religionsfragen. Dies zeigt sich besonders bei den Ordnungen zur Kirchen- und Sittenzucht auf Grundlage der Casimirianischen Kirchenordnung (1626, Neuausgabe 1713) als Dilemma zwischen dem Erbe der lutherisch-orthodoxen Rechtsetzung und den Vota der geistlichen und weltlichen Räte des Oberkonsistoriums mit ihren oft „erkennbar aufgeklärten“ Gedanken. An Beispielen der Ehe-, Sitten- und Rügegerichtsbarkeit und Fragen der Kirchenzensur, Kirchenbuße und Ahndung von Kindsmord wird dieses Spannungsfeld ergründet und bewertet.

Das Oberkonsistorium tritt neben der Regierung als Zensurbehörde in Erscheinung. Untersuchungsgegenstände sind einerseits der Kompetenzstreit zwischen den beiden Oberbehörden in Zensurfragen, andererseits Beispiele der Wahrnehmung dieses Rechts bei Druck- und Zeitungskonzessionen, der Verlagstätigkeit, einer Sondergenehmigung im Fall Christian Gotthilf Salzmann und umfangreiche Erörterungen zu einer von Lessing geplanten Veröffentlichung im Kontext des Fragmentenstreits 1778.

Minderheiten im Herzogtum und der Gedanke der Toleranz werden beispielhaft an israelitischer Religionsausübung, den Rechten der katholischen Minderheit, fremden Schülern und Handwerkern mit ihrem Verhältnis zur Landeskirche und der Behandlung von Landstreichern, Bettlern und Zigeunern dargestellt.

Zusammenfassung

Ausgehend von den Grundlinien der Kirchenpolitik, seiner Einbettung in die territorial-politische Zielstellung und dem Ausgleich mit den anderen ernestinischen Territorien, wird der Verwaltungsgang des Konsistoriums – ab 1713 Oberkonsistorium und seiner nachgeordneten Behörden aktenkundig aufgearbeitet, soziokulturelle Zusammenhänge werden stetig beachtet.
Aufbau, Aufgaben und Geschäftsgang der Behörde mit der prozessregelnden Oberkonsistorialordnung (nach Weimarer Vorbild) sind von detailliertem Regelungsbedürfnis getragen. Aus der Aktenlage lassen sich vielfältige Rückschlüsse ziehen. Es handelt sich um den kleinteiligen Prozess der Lösung von der Casimirianischen Kirchenordnung und teilweise wohlfahrtsstaatlich anmutendem landesherrlichen Kirchenregiment, welches letztlich als Instrument der Sozialdisziplinierung im Kontext gesellschaftlicher Strukturveränderungen zu sehen ist. Untersucht werden die Vernetzung der Konsistorialen mit dem Geheimen Rat, der Kammer und herzoglicher Regierung – sie gewinnt auf Kosten des Oberkonsistoriums an Bedeutung.

Die primär im Thüringischen Staatsarchiv Gotha eingesehenen Akten ergaben bereits einen umfangreichen Materialvorrat zur pragmatischen Auswertung auf Grundlage der Fragestellung.

Publikationen

  • Nitsche, Hartmut: Juden im Herzogtum Gotha im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Historische Korrespondenzen (76): Festschrift für Dieter Stievermann zum 65. Geburtstag von Freunden, Kollegen und Schülern, Red. U. Weiß und J. Vötsch, Hamburg 2013, S. 225-236.
  • Nitsche, Hartmut: Zur Bevölkerungsentwicklung im Herzogtum Gotha während der Regentschaft Ernsts II. (1772-1804) – Statistische Beobachtungen, in: Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Ein Herrscher im Zeitalter der Aufklärung, hrsg. v. W. Greiling, A. Klinger und Chr. Köhler, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe. 15, Köln 2005, S. 389-399.
  • Nitsche, Hartmut: Die Gründung der Salzmannschule Schnepfenthal 1784 – eine Betrachtung aus landesbehördlicher Sicht, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte (7), hrsg. v. Chr. Römer für die Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat, Köln 2000, S. 65-87.

Kontakt

Hartmut Nitsche: Hartmut Nitsche oder  Hartmut Nitsche