Professur für Globalgeschichte

Globalgeschichte verweist auf ein wachsendes Forschungsfeld, das vielfältige Themen sowie methodische Debatten und theoretische Positionierungen einschließt. Das Interesse gilt zunächst Verflechtungen und Transfers zwischen den Weltregionen, der Geschichte bestimmter Phänomene in ihren unterschiedlichen Kontexten und globalen Bezügen sowie Prozessen der Globalisierung und Repräsentationen von Globalität. Häufig eint die verschiedenen Ansätze der Versuch, ältere eurozentrische Formen der Weltgeschichtsschreibung zu überwinden und die Bedeutung nichteuropäischer Regionen – auch für die Geschichte Europas – historiographisch in den Fokus einer neu zu denkenden „Allgemeinen Geschichte“ zu rücken.
Im Rahmen einer engen Kooperation und im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Area Histories liegen die Schwerpunkte unserer Forschung im Bereich der neueren Wissensschafts- und Wissensgeschichte, in der Imperial- und Kolonialgeschichte sowie in der Internationalen Geschichte, die wir globalhistorisch zu wenden suchen. Methodisch sind wir an Fragen der Praxeologie, der Raum- und Kartographiegeschichte, der Visuellen Geschichte sowie historischer Maßstäblichkeit interessiert.

Aktuelles

Ausschreibung eines Promotions-/Postdocstipendiums (bis 21.09.)
Am Forschungskolleg Transkulturelle Studien / Sammlung Perthes fördert die Gerda Henkel Stiftung ein Forschungsvorhaben zum Thema "Geographie und Politik zwischen Nordostafrika und Europa. Selbstzeugnisse als Zugang zu einer relationalen Wissensgeschichte". In diesem Rahmen wird ab dem 01.10.2023 ein Promotionsstipendium bzw. ein Postdoc-Stipendium vergeben. Bewerbungsfrist ist der 21. September 2023.

Stipendienausschreibung: Herzog-Ernst-Stipendienprogramm (bis 30.09.)
Die Universität Erfurt schreibt für das Jahr 2024 wieder Herzog-Ernst-Stipendien und Hiob-Ludolf-Fellowships aus. Die Stipendien richten sich an Promovierende, Post-Docs und Senior Scholars, die sich während eines Forschungsaufenthalts mit den historischen Beständen am Forschungscampus Gotha auseinandersetzen möchten. Bewerbungsfrist ist der 30. September 2023.

Äthiopische Stipendiaten interviewt zu ihrer Arbeit in der Sammlung Perthes
Seit 2014 betreibt die Professur für Globalgeschichte eine intensive Kooperation mit der Universität Mekelle in Äthiopien. Auch aktuell arbeiten Doktoranden der Universität Mekelle in Gotha an ihren Promotionen, wofür sie die zahlreichen Bestände an Äthiopienkarten in der Sammlung Perthes nutzen und täglich neue Entdeckungen machen. "WortMelder" hat die am Forschungskolleg Transkulturelle Studien Gotha/Sammlung Perthes arbeitenden äthiopischen Wissenschaftler zu ihren Forschungsvorhaben, ihren Erfahrungen mit den Beständen der Sammlung Perthes und dem Studienort Gotha interviewt. Die interessanten Berichterstattungen finden Sie hier:
Interview mit Zegeye Woldemariam Ambo
Neue Forschungsprojekte
Geographie und Politik zwischen Nordostafrika und Europa. Selbstzeugnisse als Zugang zu einer relationalen Wissensgeschichte

Das Forschungsprojekt fokussiert Reisen von Europa nach Nordostafrika vor der kolonialen Landnahme. Es untersucht naturkundlich-geographisches und politisches Raumwissen anhand ausgewählter, auf Reisen angefertigter Texte und fragt nach den unterschiedlichen Akteuren, den Formen und Inhalten kollaborativer Wissensproduktion und damit nach den Genealogien sozialer und politischer Räume vor Ort. Das Projekt stützt sich auf in der Sammlung Perthes (Forschungsbibliothek Gotha) überlieferte Notizen, Tagebücher, Berichte, Briefe und kartographischen Arbeiten, die aus der Region nach Gotha gelangten, und verknüpft globalhistorisch informierte, wissensgeschichtliche Ansätze mit Selbstzeugnisforschung... mehr
Bild: © August Petermann, Entwurf einer Karte. Ost-Afrika zwischen Chartúm & dem rothen Meere bis Sauakin & Massua, 1:1.000.000, Gotha 1860/61, SPK 40.19.01 C (01), Sammlung Perthes der Forschungsbibliothek Gotha
Hidden Histories: Frauen in ländlichen Entwicklungsprogrammen in Indien, c. 1920–1966
Das Projekt widmet sich Beiträgen indischer Frauen zu ländlichen Aufbauprogrammen von etwa 1920 bis 1966 und folgt dabei der Forderung, Gender als Analysekategorie in die Geschichte von Entwicklung einzubeziehen. Das Ziel des Projektes ist es, die Rolle von Frauen in der Gestaltung und Umsetzung von staatlichen und nichtstaatlichen ländlichen Entwicklungsprojekten in Indien in den Schlüsselbereichen Gesundheit, Bildung und Existenzsicherung zu untersuchen und auf diese Weise die Prozesse von Entwicklung und Staatsbürgerschaft neu zu erfassen... mehr
Bild: INDIEN: FAMILIENPLANUNG. NUM Familienplaner Vorlesungen Frauen auf die Verwendung von Verhütungsmitteln Geräte in einem Dorf in der Nähe von Neu-Delhi, Indien, 1968. Quelle: Granger Historical Picture Archive / Alamy Stock Foto.
Towards Illiberal Constitutionalism in East Central Europe: Historical Analysis in Comparative and Transnational Perspectives
Die Europäische Gemeinschaft betrachtete sich selbst lange Zeit als „Rechtsgemeinschaft“, weshalb sie die zentrale Rolle des Gesetzes im europäischen Prozess als einen „Integrationsprozess durch das Recht“ unterstrich. Rechtsstaatlichkeit, also die Machtbegrenzung von öffentlichen Ämtern durch das Gesetz und die Unabhängigkeit der Justiz, definiert dabei den demokratischen Charakter des europäischen Projekts. Hier stellt das Heranwachsen eines unverkennbaren illiberalen Konstitutionalismus, ein in sich selbst scheinbar widersprüchliches Konzept, in einigen ostmitteleuropäischen EU-Mitgliedern eine erhebliche Herausforderung mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für die europäische Integration dar...mehr
Einblicke in die laufende Forschung
Global Networks, Local Pioneers in/aus Südasien
Im Februar 2023 fand der zweitägige Workshop „Global Networks, Local Pioneers: Gendered Perspectives on social activism, work and political engagement in and from South Asia" in Delhi statt. Der Workshop wurde gemeinsam von Fritzi-Marie Titzmann (RePLITO) und Maria Framke (DFG-Projekt „Hidden Histories") in Kooperation mit dem TM5 Module „The Challenge of Gender" des ICAS:MP organisiert. Erste Ergebnisse des Workshops in Form von Essays und eines Workshop-Report können im Knowledge Archive von Replito eingesehen werden. Mit ihrem Essay gewährt Dr. Maria Framke von der Universität Erfurt Einblick in ihre Forschung:
Podcast mit Dr. Bodie Ashton
Anfang September 2022 war Dr. Bodie Ashton zu Gast bei der BBC Podcastserie "You're Dead to Me". Er hat sich zusammen mit dem Gastgeber Greg Jenner und dem Schauspieler Stephen Fry über Friedrich II. ("den Großen") unterhalten.
Podcast mit Dr. Bodie Ashton
Ebenfalls Anfang September 2022 gewann Dr. Ashton den ersten Diversity & Inclusion Prize der German History Society (UK), mit einem Aufsatz über das Leben der trans Frau Liddy Bacroff, die in den 1930ern in Hamburg wohnte und letzendlich vom NS-Regime getötet wurde.
Weitere Informationen zu Liddy Bacroff finden Sie hier:
Vortrag in München im Rahmen der Ausstellung "TransVision" mit Unterstützung des Forum Queeres Archiv München e.V. sowie des AmerikaHauses München.
Dr. Bodie Ashton zusammen mit Prof. Dr. Anna Hájková (University of Warwick), Prof. Dr. Katie Sutton (Australian National University) und Rabbi Marisa Elana James (Congregation Beit Simchat Torah) im Auftrag von dem Museum of Jewish Heritage in New York City
Digitale Ausstellung: Karten Wissen Meer

Digitale Ausstellung
Auf den Meeren formte sich die Welt zur Einheit – so die These der digitalen Ausstellung „Karten Wissen Meer: Globalisierung vom Wasser aus“. Die Ausstellung zeigt, welchen Anteil die Kartographie der Meere daran hat, globale Zusammenhänge beobachtbar und begreiflich zu machen.
Weitere Informationen:
Forschungsprojekt „Karten-Meere. Für eine Geschichte der Globalisierung vom Wasser aus“
"Bis heute gibt es große Vorurteile" - Dr. Anja Werner zum Internationalen Tag der Gehörlosen
Menschen in aller Welt begehen am 23. September den „Internationalen Tag der Gehörlosen". Er wurde im Jahr 1951 vom Weltverband der Gehörlosen (WFD) ins Leben gerufen und wird seit Mitte der 1970er-Jahre auch in Deutschland begangen. Viele Gehörlosen-Verbände nehmen den Tag zum Anlass, um auf die Situation der bundesweit ca. 80.000 gehörlosen Menschen aufmerksam zu machen und für die Gebärdensprache zu werben. Das Thema gewinnt nicht nur vor dem Hintergrund der Bestrebungen um mehr Diversität an Bedeutung, weiß Dr. Anja Werner, die sich in ihrer Forschung an der Universität Erfurt genau damit beschäftigt. Nach ihrer Beobachtung entwickelt sich der Tag immer mehr zu einem „Internationalen Tag der Gebärdensprache“. Weitere Informationen finden Sie hier.
Nachgefragt: Welches Trauma bringt die Teilung Indiens vor 75 Jahren mit sich?

Mit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft vor 75 Jahren zerfiel der indische Subkontinent in die Staaten Pakistan und Indien. Begleitet wurden die Staatsgründungen von religiös motivierter Gewalt zwischen Muslimen und Hindus sowie von Flucht und Vertreibung. Erst spät begann die Aufarbeitung dieser prägenden Ereignisse, weiß Dr. Maria Framke. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Globalgeschichte der Universität Erfurt und forscht unter anderem zur Geschichte Südasiens. Das ganze Interview von "WortMelder" finden Sie hier.
Neuerscheinungen
Themenschwerpunkt Wissensgeschichte
Das Nachwuchskolleg „Wissensgeschichte der Neuzeit“ stellt seine Arbeiten im Rahmen des Themenportals Europäische Geschichte mit einem eigenen Themenschwerpunkt vor: Unter der Überschrift „Europäische Geschichte, Wissensgeschichte“ zeigen Quellen und Essays, wie fruchtbar wissensgeschichtliche Ansätze für die Geschichtsschreibung Europas sind. Ausgehend von ausgewählten Quellenmaterialien gehen Marian Hefter, Marie Nosper, Elisa Kewitsch, Erik Liebscher, Anna-Maria Hünnes, Annika Dörner und Verena Bunkus (alle Nachwuchskolleg „Wissensgeschichte der Neuzeit“, Forschungscampus Gotha) in Anlehnung an ihre Dissertationsthemen auf eher ungewohnte Orte des Wissens ein. Die Publikationen können online auf dem Themenportal Europäische Geschichte abgerufen werden.
DDR im Plural. Ostdeutsche Vergangenheiten und ihre Gegenwart

Banditt, Christopher/ Jenke, Nadine/ Lange, Sophie (Hg.), DDR im Plural. Ostdeutsche Vergangenheiten und ihre Gegenwart, Berlin 2023.
Es gab nicht nur eine DDR. Ob Unrechtsstaat, Fürsorgediktatur oder „Nischengesellschaft“: Der ehemalige ostdeutsche Teilstaat hat in Geschichtswissenschaft und öffentlichen Debatten diverse Deutungen erfahren. Ebenso plural sind die Erfahrungen und Erinnerungen der Menschen, die in der DDR lebten. In „Die DDR im Plural“ zeigen 25 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in anschaulichen Beiträgen, wie sie sich mit neuen Forschungsansätzen dem vielschichtigen Wesen der DDR und seinen Nachwirkungen bis in die gesamtdeutsche Gegenwart annähern. In prägnanten, kurzen Texten widmen sie sich unter anderem dem alltäglichen Leben, kulturellen Räumen, aber auch dem Politik- und Sicherheitsapparat. Die gewählten Perspektiven reichen von der Aufbauzeit bis zu den Jahren nach der „Wende“. Der Band spiegelt die Methodenvielfalt aktueller Forschungen und lädt zum weiteren Nachdenken über die DDR und Ostdeutschland ein.
"DDR im Plural" ist im Mai 2023 im Metropol Verlag erschienen. Es wurde herausgegeben im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Mission – Kolonialismus – Nationalsozialismus

Balbiani, Florian, Mission – Kolonialismus – Nationalsozialismus. Ernst Dammann und die Hamburger Afrikanistik, 1930–1937 (= Hamburger postkoloniale Studien, Bd. 8), München 2023.
Die Afrikawissenschaften treten immer stärker in den Fokus der kritischen Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe europäischer Gesellschaften. Florian Balbiani untersucht die bisher kaum erforschte Geschichte der sprachwissenschaftlichen Afrikanistik in der Zwischenkriegszeit. Nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft begab sich die Disziplin auf die Suche nach neuer praktischer Relevanz und blieb dabei ihren missionarischen und kolonialen Ursprüngen treu. Die Arbeit zeigt, welche ideologischen und politischen Einflüsse das Fach in den 1930er Jahren prägten und wie sich ihre Vertreter positionierten. Dazu betrachtet sie das wissenschaftliche Wirken sowie das politische und kirchliche Engagement des Hamburger Afrikanisten Ernst Dammann und arbeitet daran die Vorstellungen, Netzwerke und Rahmenbedingungen heraus, die die Wissensproduktion bestimmten.
"Mission – Kolonialismus – Nationalsozialismus" ist im Mai 2023 im Allitera Verlag erschienen.
Die ›Zwischenzeit‹ der Kapkolonie

Berger, Claudia, Die ›Zwischenzeit‹ der Kapkolonie 1902–1910. Taktisches Handeln und politische Imaginationen im Transformationszeitraum, Berlin/Boston 2023.
Wie lässt sich Widerstand historiographisch beobachten? Die vorliegende Arbeit wählt eine praxistheoretische Perspektive und einen interdisziplinären Ansatz, um die Dynamiken von Herrschaftspraxis und Widerstand am Beispiel des politischen Transformationszeitraums von 1902–1910 in der Kapkolonie aufzuzeigen. Claudia Berger zeigt, wie radikalisierende administrative Ausgrenzungs- und Entrechtungsstrategien auf taktisches Handeln rassistisch marginalisierter Menschen trafen. Die Aktivist*innen werden in einem breiten Spektrum politischer Vorstellungen, Handlungsweisen und Taktiken verortet; ihr Kampf galt nicht nur den konkreten Praktiken der Ausgrenzung und Entrechtung, sondern auch den Bedeutungskategorien, die diese ermöglichten. Über Praktiken der Repräsentation und Mobilisierung wurde ein vielstimmiger Widerstand gegen das kolonialstaatliche System Weißer Vorherrschaft organisiert. Die Relevanz der Arbeit liegt nicht nur in der sehr eindringlichen Quellenarbeit zu einer bislang wenig beachteten, aber folgenreichen Epoche der südafrikanischen Geschichte, sondern auch in der methodischen Konzeptionierung, die von soziologischen, literatur- und medienwissenschaftlichen Zugängen bereichert wird.
„Die ›Zwischenzeit‹ der Kapkolonie“ ist im De Gruyter Oldenbourg Verlag erschienen und Teil der Reihe Studien zur Internationalen Geschichte.
Jenseits des Terrazentrismus

Schröder, Iris/ Schürmann, Felix/ Struck, Wolfgang (Hg.), Jenseits des Terrazentrismus. Kartographien der Meere und die Herausbildung der globalen Welt, Göttingen 2022.
»Jenseits des Terrazentrismus« lädt dazu ein, die Formierung der globalen Welt vom Wasser aus zu betrachten – und von dessen Medialisierung in Karten. In geschichts-, literatur- und medienwissenschaftlichen Beiträgen regt das Buch eine neue Globalisierungsforschung an, die das Geschehen auf und die Beschäftigung mit den Meeren als konstitutiv für die Herausbildung von Globalität begreift.
"Jenseits des Terrazentrismus" ist im August 2022 im Wallstein Verlag erschienen.