Weltfrauentag

// Sebastian Dorsch – 08.03.2019

Heute, am 8. März, wird der Weltfrauentag gefeiert. Und es gehen dafür sogar (wieder) viele Menschen auf die Straße. Was ist westlich daran? Das Feiern des Tages hat eine sehr interessante und für die Gegenwartsbetrachtung aufschlussreiche ost-westliche, raum-zeitliche Wanderung hinter sich. Clara Zetkin, eine der interessantesten Figuren der frühen europäischen Frauenrechtsbewegung und ost-westliche Grenzgängerin, hatte 1911 auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz den internationalen Frauentag initiiert und damit eine Idee aus den USA aufgegriffen. In den Folgejahren wurde er v.a. von der linken, sozialistischen Emanzipationsbewegung in Verbindung mit der Forderung nach dem Frauenwahlrecht gefeiert. Am 8. März 1917 streikten in Petrograd u.a. Arbeiterinnen und lieferten damit einen wichtigen, vielleicht entscheidenden Impuls für die Februarrevolution. Der Tag war damit im Osten angekommen und wurde im Ostblock das gesamte kurze 20. Jahrhundert hindurch gefeiert, „von oben“ nicht ohne staatsideologische Absichten. Auf der anderen Seite verbaten die Nationalsozialisten das Feiern des Tages – und führten den ideologisch besser passenden Muttertag ein.

Nach der „Herstellung der Einheit Deutschlands“ (so der Titel des Einigungsvertrages) 1990 geriet der 8. März, obwohl seit 1975 auch durch die UNO gefeiert, als Erbe der östlichen Bundesländer fast ins Vergessen – im Gegensatz zum kommerziell ausgeschlachteten Muttertag und zu vielen Ländern der Welt. Erst in den letzten Jahren gewann er im Zuge einer sich verstärkenden emanzipatorischen Bewegung auch in Europa wieder an Bedeutung, 2019 führte ihn das links dominierte Berliner Abgeordnetenhaus als gesetzlichen Feiertag für Berlin ein – ein Akt der „Herstellung der Einheit Deutschlands“, das Aufgreifen emanzipatorischer Vorstellungen aus dem Osten durch den ansonsten recht hegemonialen Westen? Der beigefügte Artikel „Na? Schon Angst?“ aus der Zeit vom 7. März 2019 zeigt aus einer sehr schönen alltagsgeschichtlich-„östlichen“ Perspektive die Vielschichtigkeit des Feierns dieses Tages.