Die Forscher haben sich zum Ziel gesetzt, an historische Medien zu sammeln und für Forschung und Lehre zur Verfügung zu stellen. Patrick Rössler: „Bereits jetzt gibt es an der Uni Erfurt verschiedene Aktivitäten und Projekte, die sich methodisch mit historischen Medien beschäftigen. Mit der neuen Forschungsstelle wollen wir nun eine Plattform bieten, um die Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen und gemeinsame Forschungsvorhaben zu initiieren. Zudem wollen wir innovative Lehr-Lern-Konzepte anregen und erproben.“ Die IFhM will dafür die vorhandenen Medien für alle Lehrenden der Universität Erfurt nutzbar machen, systematisch mediale Schlüsselbestände akquirieren und den Forschungsperspektiven in der Universität und nach außen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen – beispielsweise in Form einer historischen Filmreihe, in Ausstellungen und öffentlichen Tagungen.
„Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter audiovisueller Umwälzungen und Innovationsschübe. Fotografie, Rundfunk und Film, ab den 1970er-Jahren auch digitale Technologien und das Internet, haben sich zu dominanten Massenmedien entwickelt, die gesellschaftlichen Wandel maßgeblich spiegelten und diesen gleichzeitig selbst mit prägten“, sagt Prof. Christiane Kuller. „Zeitungen und Zeitschriften, Presse- und dokumentarische Fotografie, Rundfunksendungen, Dokumentar- und Spielfilme, Internetplattform oder Computerspiel sind dabei nicht nur eine Informationsressource für die dargestellten Sachverhalte. Sie repräsentieren auch das Wie der Darstellungsform. Sie geben damit einen tiefen Einblick in die Vorstellungen und Emotionen ihrer Entstehungszeit und konfrontieren uns mit zeitgenössischen Wahrnehmungspraktiken.“
Ein historisch-kritisches Verständnis für das 20. und 21. Jahrhundert ist ohne Blick auf die medialen Quellen nicht möglich. Für ein vollständiges Bild muss die Rekonstruktion von gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ereignissen und Prozessen gerade diese Quellen einbeziehen, die zwingend auch Gegenstand einer methodisch reflektierten Auseinandersetzung in Forschung und Lehre sein müssen. Eine methodisch kompetente Beschäftigung mit Medien als historischen Quellen fördert zudem die Fähigkeit zur kritischen Gegenwartsdiagnose mit historischer Tiefenschärfe. „Nicht zuletzt dieser Aspekt macht die historische Medienforschung auch für die Lehrerbildung relevant“, erklärt Prof. Kuller. Mediale Quellen seien allerdings vielfach nur schwer zugänglich und häufig nicht systematisch nutzbar. Insbesondere umfangreiche Film- und Fernsehsammlungen gebe es kaum, der Zugang sei teuer und aufwendig – und vielfach stünden kommerzielle Interessen hinter den Angeboten, die eine systematische Nutzung in Forschung und Lehre unmöglich machen. Mit der neuen Forschungsstelle sollen bereits vorhandene historische Medien für Forschung und Lehre besserbenutzbar und neue Ressourcen erschlossen werden. Dabei kann auf umfassende, in den vergangenen Jahren erworbene Bestände insbesondere zur Filmgeschichte und der Illustriertenpresse der Weimarer Republik zurückgegriffen werden.
Aktuell wird ein Publikations- und Ausstellungsprojekt zum Gründungsjubiläum der deutschen Filmproduktionsfirma Ufa in Kooperation mit der Alfred-Delp-Stiftung und dem Arbeitskreis „Cinegraph“ vorbereitet. Einen weiteren Schwerpunkt will die Forschungsstelle im Bereich des DDR-Films entwickeln. Die Forschungsstelle kooperiert zudem mit der Professur für digitale Medien und Gestaltung Fachhochschule Erfurt im Bereich der Entwicklung digitaler Lernspiele (Prof. R. Kruse), ebenso ist eine Forschungskooperation mit ähnlich strukturierten Medienstellen u.a. an der Universität München (Prof. M. Szöllösi-Janze) in Vorbereitung. Darüber hinaus sind die Leiter der Forschungsstelle mit der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, dem Erinnerungsort Topf & Söhne, der Gedenkstätte Buchenwald/Mittelbau-Dora, sowie der Gedenkstätte Point Alpha im Gespräch. Die Forschungsstelle korrespondiert dabei auch mit dem Konzept der sammlungsbezogenen Wissens- und Kulturgeschichte an der Universität Erfurt. Sie soll in diesem Sinne zu einem Knotenpunkt für epochenübergreifende und interdisziplinäre Kooperationen werden – an der Universität Erfurt und darüber hinaus.