Uni Erfurt erwirbt bedeutsame Handschrift aus ehemaligem Kartäuserkloster

Neben den Codices der „Bibliotheca Amploniana“ als eine der weltweit größten, noch fast geschlossen erhaltenen Handschriftensammlungen eines spätmittelalterlichen Gelehrten, verfügt die Universitätsbibliothek Erfurt über eine ganze Reihe mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften, Inkunabeln und historischer Drucke. Sie stammen aus den Bibliotheken ehemaliger Erfurter Klöster, aus der alten Universitätsbibliothek, aus Kollegien und Schenkungen. Jetzt hat die Universitätsbibliothek eine weitere bedeutsame Handschrift aus dem ehemaligen Kartäuserkloster St. Salvatorberg zu Erfurt erworben und hat damit ihre wertvolle Sammlung erweitert.

Die kleinformatige Papierhandschrift (15 cm x 10,5 cm) wurde in der von 1374 bis 1803 bestandenen Erfurter Kartause geschrieben und gehörte dann zum Bestand der Büchersammlung. Sie ist in Schweinsleder gebunden – mit Streicheisenlinien und Blindpressung über Holz. Auf dem Vorderdeckel ist ein für die Büchersammlung der Kartause typisches Titelschild aufgebracht. Die von verschiedenen Händen geschriebene Handschrift setzt sich aus für das Stundengebet zusammengestellten Sammlungen mit Hymnen, Antiphonen und Gebeten von Heiligen zusammen. Diese sollten wohl als Vorlage dienen, um Andachtsbücher für den privaten Gebrauch in der Kartause anzulegen.

Im ehemaligen Kartäuserklosters St. Salvatorberg zu Erfurt lebten berühmte Gelehrte der Scholastik und hinterließen ihre Spuren in den einzigartigen Zeugnissen kultureller Überlieferung, die heute teils weit verstreut u.a. im Besitz der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, der Nationalbibliothek von Schottland in Edinburgh oder der British Library in London sind. Im Zuge wissenschaftlicher Recherchen ist die Universitätsbibliothek Erfurt auf die Handschrift aus der Erfurter Kartause aufmerksam geworden, die sie nun nicht zuletzt aufgrund der lokalen Bedeutung erworben hat. Die Handschrift darf nach Ansicht von Wissenschaftlern und externen Sachverständigen zu den außergewöhnlichen Rarissima gezählt werden, die insbesondere für die Erfurter Wissenschaftsgeschichte von herausragender Bedeutung sind. „Einzuordnen ist sie in eine Umbruchszeit der Liturgiegeschichte kurz vor der Reformation“, erläutert Prof. Dr. Benedikt Kranemann, Liturgiewissenschaftler an der Universität Erfurt. „Die Handschrift ist aus einer Ordenstradition heraus entstanden, zu der es noch erheblichen Forschungsbedarf gibt und ist zudem eine fundamentale Quelle aus einer sehr bedeutenden Kartause, die zu wesentlichen Vollzügen der Liturgie Auskunft gibt.“ Mit Blick auf die weitere Forschung sei sie damit nicht nur nicht nur für liturgiewissenschaftliche Fragestellungen im Kontext des Material und des Spatial Turns und der Digital Humanities insgesamt von sehr hohem Interesse, sondern im Hinblick auf die Erforschung der Geschichte der aufgehobenen, in ihrer Zeit einflussreichen Erfurter Klöster, von beträchtlichem Wert.

Der Ankauf der Handschrift durch die Universität ist zudem im Lichte der Sammlungszusammenhänge der bereits in der Universitätsbibliothek Erfurt bewahrten Handschriften aus der Bibliothek des ehemaligen Erfurter Kartäuserklosters eine herausragende Bestandsergänzung allererster Güte – nicht nur mit Blick auf Forschung und Lehre in Erfurt. Gabor Kuhles, der Direktor der Universitätsbibliothek, ergänzt: „Die Handschrift ist eine besondere Bereicherung für das kulturelle Erbe Thüringens und somit in jeder Hinsicht ein Gewinn für das kulturelle und wissenschaftliche Selbstverständnis des Freistaats insgesamt.“