Heike Grimm, Professorin für Public Policy und Entrepreneurship, hat einst seine Master-Arbeit an der Uni Erfurt betreut. Das Thema: „How the FIFA World Cup can create stimulus for regional economic growth: A strategic development plan for the City of Erfurt“. Dass der Fußball sein Leben ist und es ganz sicher auch bleiben wird, daran hatte der gebürtige Neuseeländer schon damals keinen Zweifel gelassen. Doch bis er seine Leidenschaft auch zum Beruf machen konnte – und zwar nicht als Profifußballer, sondern mit einem Verein – war noch eine Menge zu tun: Klinken putzen, Mitstreiter, Büroräume und Geldgeber finden, Menschen für die Sache begeistern, Förderanträge stellen, Rückschläge einstecken. „Aber wir haben es geschafft“, sagt Andrew Aris. „Und Spirit of Football hat mir gezeigt, dass man eine Menge bewegen kann, wenn man nur an sich und die Sache glaubt.“
Die Leidenschaft für das runde Leder kommt bei Andrew Aris nicht von ungefähr. Schon als Jugendlicher spielte er in der neuseeländischen Junioren-Nationalmannschaft Fußball. Als er zum Master-Studium nach Deutschland kam, musste eine Entscheidung her: Berlin oder Erfurt? „Ganz ehrlich? In Berlin wäre ich wahrscheinlich nicht wirklich zum Studieren gekommen“, lacht Andrew. „Zu viel Ablenkung. Der Master-Studiengang an der Uni Erfurt hatte einen guten Ruf, die Stadt gefiel mir, sie war überschaubar und gleichzeitig nicht langweilig, und beim FC Rot Weiß konnte ich auch fußballerisch eine neue Heimat finden. Also entschied ich mich für Thüringen.“
Zwei Jahre später hatte Andrew den Master in der Tasche. Fußball war nach wie vor sein Thema. Seine Leidenschaft. Und so gründete er 2005 den gemeinnützigen Verein „Spirit of Football“ (SoF) mit dem Ziel, durch verschiedene Bildungsangebote und mit der „Weltsprache Fußball“ Grenzen zu überwinden und die zentralen Werte des Teamsports – Fairplay, Teamgeist, Respekt und Spaß – vom Spielfeld auf den Alltag zu übertragen. Heute realisiert der Verein Projekte in ganz Thüringen und darüber hinaus, verknüpft den Fußball mit einer sozialen sowie interkulturellen Idee und trägt dabei die Philosophie von Fairplay und globalem Lernen in die Klassenräume. Mit der Willkommensinitiative „Spirit of Welcome“ leistet „Spirit of Football“ seit 2015 zudem einen Beitrag zu einer positiven Willkommenskultur für geflüchtete Menschen in Erfurt.
Als Partner von „Spirit of Football CIC“ (London) waren Andrew Aris und seine Mitstreiter 2010 auch ein wichtiger Teil von „The Ball“, einem Projekt zur FIFA Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. „Das muss man sich vorstellen wie eine Art olympische Fackel“, erklärt der SoF-Präsident. „Dabei begibt sich alle vier Jahre ein Fußball auf den Weg zur Eröffnungsfeier der Fußball-Weltmeisterschaft. Wir starten im Battersea Park in London, wo 1864 das erste Fußballspiel nach modernen Regeln ausgetragen wurde. ‚The Ball‘ soll dabei fußballbegeisterte Menschen aus der ganzen Welt zusammenzubringen. 2018 soll es wieder losgehen – nach Moskau zur Eröffnungsfeier der Fußball-Weltmeisterschaft. Ob von England nach Asien oder Afrika – auf jeder Route quer über die Kontinente verbindet uns das Projekt mit ganz unterschiedlichen Menschen: Staatspräsidenten, Botschafter, Bürgermeister und Straßenkinder. Wir waren schon bei der ersten Tour so angetan, dass wir aus dieser Idee mehr machen wollten und haben ein Unterrichtsprogramm auf die Beine gestellt. Gestartet sind wir damals mit einem Pilotprojekt in der Erfurter Johannesschule – heute organisieren wir jährlich rund 34 Projekttage an Schulen in Thüringen.“ Darüber hinaus zeigt „Spirit of Football“ mit Veranstaltungen wie „Arena der Zukunft 2010“, „Fans Will Be Friends“, „24 Stunden Fußball gegen Rassismus“, „Erfurt kickt“ und internationalen Jugendaustauschprojekten, dass die Kombination von Fußball, Musik und darstellendem Spiel eine wichtige Rolle in der sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen spielt und nicht nur Denkanstöße geben, sondern auch sonst einiges bewegen kann.
Die Arbeit von „Spirit of Football“ blieb nicht lange unbemerkt: Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Werder-Bremen-Profi Clemens Fritz (Foto) haben inzwischen die Spirit of FootballSchirmherrschaft über den Verein übernommen. Und auch der ehemalige Borussia-Dortmund-Trainer Jürgen Klopp zeigt sich begeistert vom Engagement der Erfurter Vereins. Als Unterzeichner des Projektballs zu „Ein Ball : Eine Welt“ machte er deutlich, wie wichtig es gerade jetzt ist, Menschen in Deutschland willkommen zu heißen und ihnen die Möglichkeit zu geben, zu einer „Mannschaft“ zu gehören: „Man sagt dem Fußball nach, dass die Integration mit ihm besonders leicht ist. Das liegt daran, dass es überhaupt keine Rolle spielt, wenn wir Mannschaften bilden, aus welcher Straße man kommt, aus welchem Land oder von welchem Planeten.“
Trotz aller positiven Entwicklung ist die Gründungsgeschichte von „Spirit of Football“ keine „Schön-Wetter“-Geschichte. „Wir haben manchmal ganz schön ackern müssen, um das hier alles auf die Beine zu stellen. Und es wird auch in Zukunft viel Energie und Engagement kosten“, sagt Andrew Aris. Was für ihn die größte Herausforderung war? „Am Anfang hatte ich drei Full-Time-Jobs: Spirit of Football, meinen Job als Vater eines kleinen Sohnes und den als Englisch-Lehrer, mit dem ich unseren Lebensunterhalt sichern musste, denn mit dem Verein haben wir ja zunächst kein Geld verdienen, geschweige denn Leute für ihre Arbeit bezahlen können. Das war manchmal eine echte Zerreißpobe. Zum Glück haben wir inzwischen viele ehrenamtliche Mitstreiter gewonnen, bekommen Fördergelder für unsere (Schul-)Projekte und werden auch von der Stiftung „Nord-Süd-Brücken“ unterstützt. Das verschafft uns etwas Luft.“
Zwölf Jahre nach seiner Gründung ist der Verein auf gute 30 Mitglieder gewachsen, die sich um die Belange von „Spirit of Football“ kümmern. Jedes Jahr unterstützen weitere rund 50 Studierende der Uni Erfurt die Projektarbeit im Rahmen des Studium Fundamentale. Bei der Frage, wo „Spirit of Football“ in fünf bis zehn Jahren stehen soll, muss Andrew Aris nicht lange überlegen: „Natürlich wünsche ich mir, dass wir den Verein mittelfristig finanziell auf noch festere Beine stellen können und dann auch die Möglichkeit bekommen, Mitarbeiter nicht nur ehrenamtlich zu beschäftigen, sondern sie für ihre engagierte Arbeit auch bezahlen zu können. Aber wichtig ist mir – und ich denke, da spreche ich für alle Mitglieder – dass wir mit unserer Arbeit noch mehr Menschen erreichen und damit zu mehr Toleranz und Fairplay im Umgang miteinander beitragen können. Mir ist völlig bewusst, dass wir die Welt nicht von Grund auf verändern können, aber ich bin davon überzeugt, dass kleine Schritte möglich sind und ein neues Bewusstsein für ein tolerantes Miteinander schaffen können. Und das meine ich auch ganz besonders mit Blick auf Geflüchtete, die bei uns eine Zukunft suchen. Ich hoffe, dass wir mit ‚Spirit of Football‘ einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten werden.“
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