Nach einem Grußwort von Frank Ettrich (Universität Erfurt und Herausgeber des Berliner Journals für Soziologie) hielt Tilman Reitz (Universität Jena) einen wissenssoziologischen Vortrag zum Thema „Open Access: Verlagsmacht und Gegenstrategien“. Der Markt der wissenschaftlichen Fachzeitschriften ist von starken Oligopolisierungstendenzen geprägt. Etwa 60 Prozent aller sozial- und geisteswissenschaftlichen Fachbeiträge erscheinen bei nur fünf Verlagshäusern (Elsevier, Wiley, Springer Nature, Taylor + Francis und SAGE). Die Profitmargen sind entsprechend hoch. Während bis vor einigen Jahren die Subskriptionspreise für Bibliotheken diese vor große Probleme stellten, wurde diese Herausforderung durch die DEAL-Strategie in Ansätzen gelöst: Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat das Projekt DEAL initiiert, um mit Zeitschriftenverlagen neue Vertragsmodelle zu verhandeln, die eine offene Verbreitung von Forschungsergebnissen aus Deutschland ermöglichen. Obwohl damit eine Kostensenkung erreicht wurde, hat sich zugleich das Oligopol verstärkt. Ein Ausweg könnte, so Reitz in seinem Vortrag, Diamond Open Access sein, also die Open Access-Veröffentlichung ohne Gebühren für die Wissenschaftler*innen auf der Basis von hochschulbasierten Publikationssystemen, oder public-common-partnership-Modelle.
Claudia Czingon vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung und Benjamin Seyd von der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellten im Rahmen der Veranstaltung die Ergebnisse einer Umfrage im Netzwerk der sozial- und geisteswissenschaftlichen Zeitschriften vor. Trotz prekärer Situationen insbesondere in Bezug auf Finanzierung und Anerkennung ist danach die Zufriedenheit mit der Arbeit als Redakteur*in bzw. Herausgeber*in relativ hoch, was auf eine hohe intrinsische Motivation der Beteiligten schließen lasse.
Michael Geuenich (Deutsche Forschungsgemeinschaft), Dagmar Simon (Wissenschaftszentrum Berlin) und Niels Taubert (Universitätsbibliothek Bielefeld) diskutierten, moderiert von Benjamin Seyd, auf einem Podium das Thema „Wissenschaftliche Publikationsvielfalt – Auf dem Weg zu einem neuen Reputationssystem?“. Als Trends wurden dabei eine zunehmende Quantifizierung, Homogenisierung und ‚Impactisierung‘ im Rahmen der Reputationsökonomie diagnostiziert und darüber hinaus die Veränderung von Funktionen von Forschungsinfrastrukturen durch die Digitalisierung. So fungierten beispielsweise Bibliotheken heute zunehmend als Repositorien und Open Access-Datenbanken.
In Erfurt wurden außerdem zwei Zeitschriften aus dem Netzwerk mit ihren thematischen Schwerpunkten und ihrer Publikationsstrategie vorgestellt: WestEnd (Zeitschrift des Instituts für Sozialforschung, Frankfurt/Main) und GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft.
Die Veranstaltung endete mit einer interessanten Keynote von Stefan Hirschauer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) zum Thema „Urteilen unter Beobachtung. Zur Rationalität des Peer Review“, in dem Hirschauer das Peer Review als Verfahren zur Kalibrierung von knapper Lesezeit vorstellte. Peer Review sei kein Prüf- oder Messverfahren, sondern generiere Aufmerksamkeit für einen Text (der häufig nur von Gutachter*innen wirklich gründlich gelesen werde), so dass am Ende eines Peer Review Verfahrens – einem Urteilen unter Beobachtung – eine Verbesserung der Forschung durch Feedback ermöglicht wird. Auf diese Weise wurde die Rolle von Peer Review für die Forschung – und damit der Arbeit von Wissenschaftsredaktionen von Peer Review Zeitschriften – eindrücklich verdeutlicht.