Und das, obwohl in den meisten Fällen große Begeisterung für Inhalt und Didaktik der gewählten Fächer vorhanden ist. Mögliche Folgen: Unsicherheit, Selbstzweifel und das Infragestellen der Berufswahl. Für diese Bedenken und vor allem, um Lehramtsstudierende optimal auf die Praxis vorzubereiten, gibt es verschiedene Anlaufstellen an der Universität Erfurt. Eine davon ist das Teaching Talent Center (TTC) des Projekts QUALITEACH, das im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird. Um der Frage nachzugehen, welche Optionen Lehramtsstudierende haben, wenn sie an ihrer Berufswahl zweifeln, haben wir bei Tobias Michael nachgefragt. Er ist Teil des interdisziplinären Teams des Teaching Talent Centers, das aus Psychologen, Pädagogen und Lehramtsabsolventen besteht, und dort zuständig für die Studierendenberatung.
… Angebote des Teaching Talent Centers nutzen
„Wir haben verschiedene Angebote entwickelt, die es Studierenden ermöglichen, ihre Studien- und Berufswahl zu überprüfen und sich besser für die Praxis zu wappnen. Das reicht von Beratungen und Coachings bis hin zu Austauschformaten wie Workshops oder Trainings“, erklärt Tobias Michael. „Deshalb sind diejenigen, die an ihrer Berufswahl zweifeln, bei uns genau richtig.“ Ein wichtiger Baustein, um die Studierenden zielgerichtet unterstützen zu können, ist das sogenannte Assessment-Verfahren, das von TTC-Mitarbeiterin Melanie Keiner koordiniert wird. Hierbei können die angehenden Lehrerinnen und Lehrer mithilfe eines wissenschaftlich fundierten Fragebogens ihre Eignung für den Beruf testen. Konkret geht es zum einen um die Sicherheit hinsichtlich der eigenen Berufswahl und zum anderen um für den Lehrerberuf wichtige Persönlichkeitsmerkmale wie emotionale Stabilität oder Problembewältigung. Grundsätzlich ist das für alle Lehramtsstudierenden interessant: „Es gibt immer Stärken und Entwicklungspotenziale. Das Assessment kann auch eine positive Bestätigung sein. Und falls dies nicht der Fall ist, sind die ‚Schwächen‘ nun immerhin identifiziert. Daran kann man arbeiten“, erklärt Michael. Wie das Ganze genau abläuft? „Wenn der Fragebogen ausgewertet ist, teilen wir den Studierenden die Ergebnisse mit. Anschließend besteht die Möglichkeit einer darauf aufbauenden Beratung. Hier können wir detaillierter auf die einzelnen Resultate eingehen und gemeinsam über die Ursachen der Defizite sprechen und entsprechende Strategien entwickeln. Je nach Fragestellung können Folgetermine oder ein Coaching über einen längeren Zeitraum vereinbart werden.“ Einen klassischen Ablauf, geschweige denn eine Patentlösung, gebe es allerdings nicht. Vielmehr müsse immer wieder individuell geschaut werden, wie man an die Problematik herangeht. „Jede Beratung ist anders. Und gerade das macht es für mich so spannend“, sagt Psychologe Michael, der insgesamt bereits zahlreiche Rückmeldegespräche und Beratungen geführt hat. Die häufigsten Ursachen für die Verunsicherung sind nach Michaels Erfahrung starkes Perfektionsstreben und fehlende Distanzierungsfähigkeit. Doch auch hier könne man sich verbessern – zum Beispiel durch Angebote im Studium Fundamentale. Dort werden als Workshop-Reihe konzipierte Trainings zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Achtsamkeit und Berufswahl/-orientierung angeboten. Letzteres ist dabei breiter angelegt: „Der dritte Themenkomplex widmet sich eigentlich genau den ‚Zweiflern‘ unter den Lehramtsstudierenden. Hier geht es u.a. darum, konkrete Strategien auszuarbeiten. In diesem Rahmen können wir auch nach einem ‚Plan B‘ schauen.“
… über Alternativen nachdenken
So gehen bei manchen Studierenden die Zweifel über die Frage hinaus, ob man wirklich für den Beruf geeignet ist. Vielmehr scheint das Lehramt in diesem Fall grundsätzlich keine Perspektive auf ein erfülltes Berufsleben mehr zu bieten. Höchste Zeit für einen „Plan B“. Denn das Lehramtsstudium befähigt auch zu anderen Tätigkeiten als dem klassischen Unterrichten einer Schulklasse: „Da gibt es tatsächlich ganz unterschiedliche Möglichkeiten. Es kommt darauf an, ob man sich das Lehren an sich nicht mehr vorstellen kann oder eben nur nicht das Unterrichten im Schulkontext. Im ersten Fall könnte man auf das Bachelor-Studium aufbauen – hier erhalten Studierende schließlich einen berufsqualifizierenden Abschluss. So könnte man z.B. mit einem sprachwissenschaftlichen Studium eine Tätigkeit als Übersetzer anstreben.“ Und welche Alternativen es gibt, wenn man sich lediglich mit dem Unterrichten im Schulkontext nicht anfreunden kann, aber durchaus Freude an der Vermittlung von Wissen hat? „Es gibt eine Vielzahl von ‚lehrerähnlichen‘ Berufen. Beispielsweise sind die erlangten Kompetenzen und Fähigkeiten von Lehramtsabsolventen in der Erwachsenenbildung sehr gefragt – sei es an der Volkshochschule, Abendschulen oder Bildungszentren. Infrage kommt auch die Tätigkeit als Bildungsreferent, denn dafür wird ein Pädagogik- oder Lehramtsstudium sogar vorausgesetzt. Hier ist man bei Stiftungen, Verbänden oder ähnlichen Organisationen tätig und entwickelt Weiterbildungsprogramme und Bildungskonzepte, die anschließend auch umgesetzt werden. Zudem findet man Lehrer beispielsweise auch als Redakteure oder Lektoren in Schulbuchverlagen oder Lehrmittelfirmen – die Liste der ‚lehrerähnlichen‘ Alternativen ist tatsächlich lang.“
… in jedem Fall: Möglichst viele Praxiserfahrungen sammeln und sich ausprobieren
Was auch immer Lehramtsstudierende ihre Berufswahl infrage stellen lässt – bevor sie etwas überstürzen und vielleicht vorschnell „das Handtuch werfen“, finden sie im Teaching Talent Center der Universität Erfurt einen guten Ansprechpartner: „Es besteht oft eine gewisse Scheu, über seine ‚Probleme‘ zu sprechen und Beratungsangebote anzunehmen“, sagt Tobias Michael. „Gerade deshalb bieten wir einen geschützten Raum, in dem man offen über seine Ängste oder Unsicherheiten reden kann, und nehmen die Zweifel der Studierenden ernst. Diese können sehr unterschiedlich sein, haben aber häufig den gleichen Grund: negative Praxiserfahrungen. Das muss noch nicht einmal etwas mit den Kompetenzen des Studierenden zu tun haben. Manchmal sind die Schulen tatsächlich nicht gut aufgestellt oder das Personal zu ‚festgefahren‘. Deshalb raten wir oft dazu, nochmal an einer anderen Schule ein Praktikum zu absolvieren. Oder man testet sich ein bisschen aus und bietet beispielsweise nachmittags eine Arbeitsgruppe an.“ Sich auszuprobieren und möglichst viele Praxiserfahrungen zu sammeln, sei in jedem Fall eine gute Methode, um seinen Zweifeln auf den Grund zu gehen oder diese sogar abzubauen. Auch deshalb gehören verschiedene „Simulationsangebote“ ins Repertoire des Teaching Talent Centers, z.B. die sogenannten „Multiplen Mini-Interviews“, bei deren Entwicklung und Erprobung die Master-Studierenden der Psychologie unter Anleitung von Prof. Dr. Ernst Hany tatkräftig mitgewirkt haben. Hier können kritische Situationen im Schulalltag (z.B. ein Streit unter Kollegen) simuliert werden. Das Ganze wird von den TTC-Mitarbeitern beobachtet und man bekommt anschließend eine Analyse des eigenen Verhaltens und Tipps zum Umgang mit solchen Situationen.
Alternativen gibt es also genug – sich seinen Sorgen oder Ängsten zu stellen, ist ein erster Schritt in diese Richtung.