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Herzlich willkommen, Prof. Dr. Anne Nassauer!

„Die Professur passt einfach inhaltlich perfekt zu dem, was ich in den nächsten Jahren als Wissenschaftlerin und in der Lehre vorhabe“, freut sich Anne Nassauer. Seit 1. April ist sie neue Professorin für Soziologie, insbesondere politische Soziologie, an der Uni Erfurt und verstärkt die Staatswissenschaftliche Fakultät mit ihrer Forschung und Lehre.

Prof. Dr. Anne Nassauer (Foto: privat)

Von der Fakultät hatte Nassauer bereits vor ihrem Ruf nach Erfurt gehört: „Zwei meiner Bekannten, die in Erfurt Staatswissenschaften studiert haben, waren so begeistert vom Studiengang, von den kurzen Wegen, der Interdisziplinarität und der Atmosphäre – das war für mich ein gutes Zeichen und nun freue ich mich, hier zu sein.“

Die heute 39-Jährige ist in Berlin-Kreuzberg geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie an der Universität Potsdam und der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort wurde sie auch 2013 in Soziologie promoviert und war während der dreijährigen Promotionszeit ein Jahr als Gastwissenschaftlerin an der Columbia University in New York. Nach der Promotion folgten die Postdoc-Phase und eine Junior-Professur an der Freien Universität Berlin – mit Forschungsaufenthalten an der New York University, der Yale University und am Karisoke Research Center in Ruanda. Auslandserfahrung hatte Anne Nassauer auch schon weit vorher gesammelt – vor dem Studium ein Jahr in Brüssel und während des Studiums ein Semester lang in Grenoble und zwei Semester in Madrid.

Heute forscht sie zu verschiedenen Aspekten der politischen Soziologie, wie Protest, kollektivem Verhalten und Gewalt. „Inhaltlich passt die Professur deshalb ideal zu meinem Forschungsschwerpunkt. Ich arbeite zudem stark interdisziplinär, was ebenfalls prima passt. Und empirisch arbeite ich in erster Linie qualitativ, was sich sehr gut mit dem quantitativen Angebot an der Staatswissenschaftlichen Fakultät ergänzt. Ich habe außerdem eine starke internationale Ausrichtung, speziell auf die USA, sowohl inhaltlich in meiner Forschung, als auch in meiner Kooperation mit Kolleg:innen, und so kann ich auch einen Beitrag zur Internationalisierung an der Uni Erfurt leisten.“ Was die Forscherin aktuell besonders beschäftigt und woran sie konkret arbeitet, fragen wir sie. „Mich interessiert besonders, wie und warum Menschen sogenanntes abweichendes Verhalten zeigen, also gewaltsam oder kriminell werden oder, allgemeiner gesprochen, bestimmte Regeln brechen. Hierzu gab es in den vergangenen Jahrzehnten einen rasanten Anstieg verfügbarer Daten, da wir mittlerweile alle Arten von Verhalten filmen, zum Beispiel durch Mobiltelefone, Überwachungskameras oder sogenannte body-worn cameras. Viele dieser Videos zeigen, wie Menschen sich tatsächlich in allerlei Situationen verhalten und haben in den vergangenen Jahren Forschungsergebnisse in einer Vielzahl von Forschungsfeldern auf den Kopf gestellt. Ich habe dazu einen methodischen Ansatz entwickelt –  Video Data Analysis – und benutze diesen Ansatz, um gewaltsames, kriminelles, aber auch Alltagsverhalten zu erforschen sowie Gruppenprozesse und Regelbrüche von Gruppen zu verstehen. Aktuell arbeite ich an einem Buch zu Schulamokläufen in den USA. Dieses Phänomen wirft noch immer viele Fragen auf, aber auch hier haben wir immer mehr neuartige Daten, um diese Fragen zu beantworten.“

Auf ihrem wissenschaftlichen Weg hat Anne Nassauer besonders die Forschung von Randall Collins inspiriert. Er hat die Mikro-Soziologie maßgeblich geprägt, also Forschung die davon ausgeht, dass situative Interaktionen (nicht Marko-Strukturen oder individuelle Motivationen) soziale Ereignisse prägen. „Ich stieß während meiner Promotion auf seine Arbeit, fragte ihn damals nach Feedback und er wurde schließlich einer meiner Doktorväter und ist seither einer meiner Mentoren. An ihm inspiriert mich zum einen sein breites Wissen, sein analytisches Denken und seine Kreativität in der Forschung. Zum anderen hat Randall Collins, obwohl er weltweit einer der führenden Soziologen ist, immer ein offenes Ohr für Nachwuchsforschende und begegnet ihnen offen und interessiert.“ Aber er blieb nicht der einzige Mensch, der Anne Nassauer geprägt hat – auch eine Kollegin hat sie beeindruckt: Lee Ann Fuji, die sie bei einer Konferenz zur Gewaltforschung kennenlernte. „Sie umarmte mich zur Begrüßung herzlich, sagte: ‘We are the only two women here, we have to stick together’, und lachte. Sie hat viele junge Frauen, besonders Women of Color, im Forschungsfeld gefördert, unter anderem indem sie Vernetzungstreffen organisiert hat, mit Pizza und Bier, bei denen ernste Themen besprochen wurden, aber auch sehr viel gelacht wurde. Sie hatte eine sehr herzliche und fröhliche Art und hat sich immer freundlich, aber sehr klar gegen Diskriminierung in der Wissenschaft ausgesprochen. Lee Ann Fuji ist leider vor einigen Jahren gestorben.

Ich hoffe, dass auch ich im Laufe meiner Karriere speziell junge Frauen, nicht-binäre Personen und People of Color in der Wissenschaft fördern kann. All diese Gruppen sind leider in den meisten Forschungsfeldern immer noch stark unterrepräsentiert und haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen.“

In ihren Lehrveranstaltungen wird Anne Nassauer nun die verschiedenen Facetten der politischen Soziologie thematisieren: Wie entsteht kollektives Verhalten und wie brechen Gruppen Regeln? Wie kommt es zu sozialen Bewegungen, Aufständen und Revolutionen? Welche Rolle spielen Emotionen für unser soziales Leben? Wie kommt es zu drastischen Gewalthandlungen wie etwa Schulamokläufen? Was sind Dynamiken des Rassismus und sozialer Ungleichheit? All diese Fragen stehen dabei im Blickpunkt. Weitere Lehrveranstaltungen werden sich mit den Methoden der Soziologie beschäftigen: Wie können wir Videos von YouTube oder Überwachungskameras für soziologische Analysen nutzen? Wie kann Machine Learning uns helfen, diese Videos zu analysieren? Welche ethischen Aspekte müssen wir beachten? Wie können wir systematisch Daten sammeln und auswerten? Dabei können ihre Studierenden in kleinem Rahmen auch selbst soziologische Studien zu Themen ihrer Wahl durchführen, um durch direktes Anwenden Methoden zu erlernen.

Mit Anne Nassauer kommt nun also eine Forscherin an die Universität, die sich für die Menschen interessiert dafür, was sie bewegt, warum sie sich so oder so verhalten, was ihrem Leben Sinn gibt. Und dafür reist die 39-Jährige gern zusammen mit ihrem Mann durch die Welt. „Mich interessiert einfach, wie Menschen an unterschiedlichen Orten auf der Welt leben und ich lerne gerne neue Menschen und Sprachen kennen. Außerdem bin ich in verschiedenen sozialen Vereinen aktiv. Und wenn gerade keine Pandemie ist, freue ich mich unter anderem auf Konzerte, Drag-Shows und Karaoke mit Freund:innen.“

Auf solch einen Menschen sind wir gespannt und sagen: „Herzlich willkommen an der Uni Erfurt!“

Kontakt:

Inhaberin der Professur für Soziologie, insbesondere politische Soziologie
(Staatswissenschaftliche Fakultät)
Lehrgebäude 1 / Raum 0135
Sprechzeiten
Die Sprechstunde findet vorerst über Webex statt.

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