In ihrer neuen Studie untersuchten die Wissenschaftler nun die räumliche Verteilung von Zugewanderten (Menschen ohne deutschen Pass) in den Jahren 2014 bis 2017 in insgesamt 86 Städten und kommen zu dem Ergebnis, dass die soziale Spaltung in vielen deutschen Städten erstens weiter zunimmt. Dass diese Entwicklung zweitens durch Zuwanderung noch verstärkt wird. Und dass drittens die „Lasten“ für die Städte und ihre Bewohner ungleich verteilt sind.
Konkret: Zwischen 2014 bis 2017 zogen Zugewanderte jeweils vor allem in die „ärmeren“ Stadtviertel. Besonders deutlich zeigt sich dies in den ostdeutschen Städten: Während in den sozial bessergestellten Stadtteilen der Ausländeranteil im Untersuchungszeitraum um lediglich 0,7 Prozentpunkte anstieg, wuchs er in den sozial benachteiligten Lagen um 7,4 Prozentpunkte und damit um das Zehnfache. In den einkommensschwächsten Vierteln westdeutscher Städte (inklusive Berlin) stieg der Ausländeranteil weniger stark (4,1 Prozentpunkte). Neben Ost-West-Unterschieden zeigt die Studie auch ein Nord-Süd-Gefälle bei der sozialräumlichen Verteilung von Zuwanderern: So fanden die Forscher beispielsweise vor allem im Süden Deutschlands keinen Zusammenhang zwischen einem gestiegenem Ausländeranteil und der sozialen Lage der Stadtteile. Im Ruhrgebiet und den Städten im Nordwesten hingegen zogen Menschen ohne deutschen Pass vorrangig in sozial benachteiligte Stadtteile.
Als Ursache für die großen Unterschiede nennen die Wissenschaftler insbesondere zwei Strukturmerkmale: das Steueraufkommen und den Wohnungsleerstand. So sei in Städten mit viel Wohnungsleerstand der Anteil der Ausländer in den sozial ungünstigen Lagen besonders stark gestiegen. Dies sei als ein Hinwies darauf zu deuten, dass Zuwanderer auf dem freien Markt nur dort Wohnungen finden, wo wenige Menschen leben wollen und die Mieten entsprechend niedrig sind.
Mit steigenden Steuereinnahmen seitens der Städte jedoch schwächt sich laut der Studie der Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Ausländeranteils und der sozialen Lage ab. In wohlhabenderen Städten verteilten sich Zugewanderte demzufolge gleichmäßiger. Dies könne unter anderem daran liegen, dass finanzstärkere Kommunen in der Wohnungspolitik handlungsfähiger seien, erläutern die Forscher. Der Befund gelte aber auch für wirtschaftlich florierende Metropolen mit angespanntem Wohnungsmarkt wie z.B. Berlin.
Das Fazit von Stefanie Jähnen und Marcel Helbig: „Wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, an der sich auch Bund und Länder stärker beteiligen müssen.“ Erstens indem alle Anstrengungen unternommen werden, um die soziale Segregation in ihrem Ausmaß zu begrenzen und zweitens ihre negativen Folgen abzumildern. Letzteres ließe sich beispielsweise über eine bedarfsorientierte Mittelzuweisung an Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche realisieren. Nach dem Motto „Ungleiches ungleich behandeln!“.
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Die Studie ist als WZB Discussion Paper erschienen und online abrufbar:
Marcel Helbig, Stefanie Jähnen: Wo findet ,Integration‘ statt? Die sozialräumliche Verteilung von Zuwanderern in den deutschen Städten zwischen 2014 und 2017, Discussion Paper P 2019-003, Juni 2019 (https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2019/p19-003.pdf).
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Weitere Hintergründe zum Thema erläutert Prof. Dr. Marcel Helbig auch in der ZDF-Doku „Deutschland und die Flüchtlinge“ – in der Mediathek verfügbar unter: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzeit.
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Prof. Dr. Marcel Helbig
Tel.: +49 361 737-2051
marcel.helbig@uni-erfurt.de