Ziel dieses Forschungsprojektes ist die vergleichende Analyse jener Reflexion über die Stellung des Orthodoxen Christentums in der Moderne, die von der Rezeption bestimmter westlicher esoterischer Ansätze, insbesondere des perennialistischen Denkens des französischen Philosophen René Guénon (1886–1951), geprägt wurden. Guénon postulierte die Existenz eines esoterischen Kerns aller Religionen, der als Alternative zu den vielen Sackgassen der westlichen Moderne dienen könnte. Das Forschungsprojekt an der Uni Erfurt bezieht sich nun hauptsächlich auf zwei orthodoxe Autoren, die von solchen Positionen beeinflusst wurden: den britischen Hellenisten, Denker und zur Orthodoxie Konvertierten Philip Sherrard (1922–1995) und den rumänischen Priestermönch und Theologen André Scrima (1925–2000).
Im Rahmen der bisherigen wissenschaftlichen Untersuchung wurden zunächst die theoretischen Grundlagen des Themas vertieft und zwar im Hinblick auf eine besondere „orthodox-christlichen Esoterik“. Dabei wurden die beiden genannten Autoren sowie deren weiteres Umfeld näher unter die Lupe genommen. Zudem haben die Forscher Sherrards Mitarbeit an der englischen Übersetzung der Philokalia, einer Sammlung orthodoxer asketischer und mystischer Literatur aus mehreren Jahrhunderten, systematisch untersucht und seine gegenüber dem Westen kritischen Positionen zu Kunst und Natur in Verbindung mit der Rezeption perennialistischen Gedankenguts beleuchtet.
Über die Verlängerung des Forschungsprojekts freut sich besonders Vasilios N. Makrides, Professor für Religionswissenschaft (Orthodoxes Christentum) an der Philosophischen Fakultät (Foto). „Aufgrund der Betonung von Mystik, Erfahrung, Askese und Spiritualität eignet sich das Orthodoxe Christentum besonders für die Erforschung seiner Beziehungen zur Esoterik. Dieses Forschungsprojekt gab uns in den vergangenen Jahren die Möglichkeit, nicht nur die genannten orthodoxen Autoren, sondern auch eine Vielzahl weiterer Fallbeispiele aus der orthodoxen Welt (z.B. aus Russland) hinsichtlich ihres esoterischen Gedankenguts zu untersuchen. Insofern hat das Vorhaben einer Gesamterfassung der diversen Formen orthodox-christlicher Esoterik Gestalt genommen – und das füllt eine erhebliche Forschungslücke. Mit Unterstützung der Thyssen Stiftung konnten wir zahlreiche Aktivitäten entwickeln, von Konferenz- und Blogbeiträgen bis zu Vorträgen und Publikationen. Die jetzige Verlängerung dieses Forschungsprojekts ist daher eine willkommene Bestätigung unserer Arbeit in diesem Bereich.“