Max-Weber-Kolleg, SPF Religion. Gesellschaft. Weltbeziehung.

Die frühchristliche Bewegung im Kontext urbaner Zentren

Datum
29. Nov 2023 - 1. Dez 2023
Veranstaltungsort
Forschungsbau "Weltbeziehungen" (C19)
Veranstalter
Kollegforschungsgruppe „Religion and Urbanity“ und ECCLESIAE-Gruppe der Universität Bern
Referent(en)
verschiedene
Veranstaltungsart
Tagung/Kongress
Veranstaltungssprache(n)
Deutsch

Tagung der Erfurter Kollegforschungsgruppe „Religion and Urbanity“ und der ECCLESIAE Gruppe der Universität Bern an der Universität Erfurt

Die im Forschungsbau „Weltbeziehungen“ stattfindende Tagung zur Entstehung des frühen Christentums im Kontext urbanen Lebens ist eine Kooperation zwischen der Erfurter KFG „Religion and Urbanity“ (Jörg Rüpke, Susanne Rau) und der ECCLESIAE Gruppe der Universität Bern (Jörg Frey). Ziel der Tagung ist die Vernetzung beider Projekte UrbRel, einschließlich einer Diskussion der methodischen Ansätze beider Projekte. Aus der Anlage beider Projekte ergeben sich eine Reihe von interessanten Fragestellungen:

Das Berner Project ECCLESIAE (Early Christian Centers: Loca/ Expressions, Social ldentities & Actor Engagement) untersucht die ,Emergenz' des Christentums in ausgewählten urbanen Zentren der mediterranen Antike (Rom, Korinth, Ephesus, Alexandria, Antiochia, Philippi, Kolossae) unter Heranziehung unterschiedlicher methodologischer Konzepte der Altertumswissenschaft, der Soziologie und Textwissenschaft, aber auch der sozialen Netzwerkanalyse und der Emergenz-Theorie. Was waren seine Charakteristika, religiös, sozial und kulturell? Was machte es anziehend für unterschiedliche Menschen aus nahezu allen sozialen Schichten und ethnischen Gruppen des Imperiums? Wie waren die einzelnen Christus-Gruppen in die urbanen Zentren der Antike eingebettet? Vorausgesetzt ist, dass Christus-Gruppen und andere griechisch-römische soziale Gruppen in den urbanen Zentren nicht hermetisch voneinander geschieden waren, sondern mit diesen denselben physischen, sozialen und kulturellen Raum bewohnten. Die alte Frage, warum und in welcher Form das Christentum „überlebte“, fordert in differenzierter Weise nach den Prozessen zu fragen, in denen dieser neue Glaube bestehende soziale Formen der urbanen Kultur aufnahm und spezifisch veränderte, so dass sich graduell neue Formen, Institutionen und Identitäten bildeten.

Die KFG „Religion and Urbanity“ arbeitet seit Jahren mit historischen und soziologischen Paradigmen an Fragen der reziproken Beeinflussung von Urbanität und Religion. Sie fragt in doppelter Richtung, wie der urbane Raum und die urbane Lebensweise in unterschiedlichen Kontexten die je gelebte Religion beeinflusst, und umgekehrt, wie die gelebte Religion das urbane soziale Gefüge und den urbanen Raum prägt. Dabei berührt sie nicht nur, aber dezidiert auch die Antike und im Rahmen der vielfältigen Religionen der Antike auch das Christentum. Für die Zeit von 2022-2026 sind u.a. die Kernthemen „Group Formation and Segmentatlon" und „Boundary Drawing" fokussiert. Diese Prozesse können exemplarisch studiert werden in der Untersuchung der Prozesse der Herausbildung des frühen Christentums im urbanen Raum.

Die Tagung will im Schnittbereich der beiden Projekte und anhand konkreter Fallstudien fragen, wie das Konzept der „urbanity“ die Erforschung der Herausbildung des frühen Christentums befruchten kann. Konkret:

  • Wie hat der urbane Kontext die Gruppen früher Christusgläubiger und ihre gelebte Religion geprägt?
  • Wie beeinflusste das enge Zusammenleben von unterschiedlichen Gruppen in den Städten die religiöse Praxis und Kommunikation, das Nebeneinander unterschiedlicher Christus­ Gruppen und ihre Interaktion, aber auch ihre Interaktion mit jüdischen wie paganen Gruppen?
  • Gibt es spezifische Formen religiöser Praxis, Imagination und Kommunikation, die sich im urbanen Horizont oder aufgrund desselben entwickelt haben, mit denen sich Christusgläubige in ihren urbanen Kontext einfügen oder die zu diesem urbanen Kontext sperrig sind?
  • Welchen Einfluss hat der urbane Raum auf die Herausbildung von Organisationsstrukturen, Ämtern und Institutionen und auf den Umgang mit ökonomischen Fragen und Problemen?
  • Mit welchen Strategien gehen frühe Christusgläubige und ihre Gruppen mit der Komplexität und Undurchsichtigkeit des urbanen Raums um?
  • In welcher Weise werden die urbanen Gegebenheiten hinsichtlich Bildung, Kultur (Theater), gesellschaftlichen Konventionen, sozialen Trends etc. rezipiert oder nicht rezipiert?
  • Wie verändert sich der Charakter des Christusglaubens durch die Rezeption literarischer Techniken? Welche Bedeutung hat die Literarizität im Blick auf den religiösen Status oder die Entstehung oder lnfragestellung von Hierarchien?
  • Wie trägt der urbane Raum zur religiösen Vorstellungsbildung bei, zur Entstehung von ggf. konkurrierenden Narrativen, zur Reflexion über die eigene Geschichte?