So erläutert Maria Stürzebecher, Beauftragte der Stadt Erfurt für den UNESCO-Weltkulturerbe-Antrag, besispielsweise im neuen Heft, wie man in der Stadt nach 1989 das jüdische Erbe wiederentdeckte und wie man es bis heute erschließt. Stürzebecher erklärt die Erfurter Bau- und Sachzeugnisse, macht deutlich, wie aufwendig Erhalt und Sicherung dieses Erbes gewesen sind, und zeigt, was in der Stadt mit Blick auf Zeugnisse jüdischen Lebens noch zu entdecken ist. Für das Verständnis der Geschichte liefert die Historikerin Maike Lämmerhirt von der Universität Erfurt den wissenschaftlichen Hintergrund. Sie zeigt nicht nur, was man über die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Erfurt weiß. Sie erläutert auch, welchen Fragestellungen sich die Mittelalter-Forschung heute zuwenden muss, um Aussagen über die konkreten Lebensumstände von Juden und Jüdinnen machen zu können. Olaf Glöckner vom Moses Mendessohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam fragt nach dem Platz von Jüdinnen und Juden in der DDR. Er zeigt, wie sie Identitäten entwickeln und bewahren konnten, auch wenn der Kontakt zum westlichen Judentum und nach Israel abgeschnitten war. Glöckner schreibt vom „Selbstbehauptungswillen der Juden im SED-Staat“. Die Theologin Dagmar Mensink, Frankfurt/M., wirft einen kritischen Blick auf den heutigen jüdisch-christlichen Dialog. Sie sieht die Zeit für neue Grenzgänge gekommen. Wichtig ist ihr vor allem, dass seitens der Theologie das zeitgenössische Judentum anerkannt wird, ohne es für christliche Identität zu vereinnahmen. Eine Weiterentwicklung des Austauschs zwischen Judentum und Christentum stehe an.
Die Verantwortlichen für das Heft, der Kirchenhistoriker Jörg Seiler und der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann, betonen im Vorwort, dass die Theologie zu einer wertschätzenden Auseinandersetzung mit dem Judentum, ganz im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, verpflichtet sei. Welche weitreichenden Fragen sich mit Blick auf die Geschichte wie die Gegenwart damit verbinden, belegen die Beiträge im aktuellen Heft.
Theologie der Gegenwart
Butzon & Bercker, Kevelaer 2020, Heft 3
10 EUR