DFG fördert Digitalisierung und Tiefenerschließung der „Bibliotheca Amploniana“

Mit 418.000 Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Digitalisierung und Tiefenerschließung von Handschriften der „Bibliotheca Amploniana“ in der Universitätsbibliothek Erfurt – ein Gemeinschaftsprojekt, das die Bibliothek zusammen mit dem Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig und der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) in den kommenden drei Jahren realisieren wird.

Lesesaal in der Universitätsbibliothek der Universität Erfurt
Lesesaal in der Sondersammlung

Gabor Kuhles, der Direktor der Unibibliothek, freut sich: „Die Bewilligung der DFG-Mittel ist eine wirklich hervorragende Nachricht, nicht nur für uns selbst, sondern für die gesamte Universität Erfurt. Denn die Förderung ermöglicht es uns jetzt, ein herausragendes Quellenkonvolut wissenschaftlich aufzubereiten und für die Forschung weltweit digital verfügbar zu machen.“

Die 889 mittelalterlichen Handschriften der „Bibliotheca Amploniana“, der Bibliothek des Collegium Porta Coeli – der alten Universität Erfurt (heute als Depositum der Stadt im Besitz der Universitätsbibliothek Erfurt) – sind ein einzigartiges Dokument zur Geistes- und Wissenschaftsgeschichte des Spätmittelalters. Ihren Kern bildet eine Schenkung von 633 Handschriften durch den kurkölnischen Leibarzt Amplonius Rating de Berka (gest. 1435), darunter ein besonders bedeutendes Konvolut medizinischer Schriften. Diese Codices aus dem 9. bis 15. Jahrhundert bilden nicht nur die umfangreichste geschlossen erhaltene Büchersammlung eines mittelalterlichen Gelehrten, sondern auch den reichsten Bestand einer Kollegienbibliothek dieser Zeit. Ihre Bedeutung liegt nicht nur in den – teils unikal – überlieferten Texten, sondern auch in den Handschriften selbst, die einzigartige Zeugnisse aus dem frühen Universitätsbetrieb in Frankreich, Italien, England und Deutschland sind und über ihre Besitzgeschichten Einblick in die internationalen Wissensnetzwerke des Spätmittelalters geben.

Da ein 1887 von Wilhelm Schum erstellter Bestandskatalog heutigen wissenschaftlichen Anforderungen nicht mehr entspricht, wurden zwischen 2008 und 2013 mit Unterstützung der DFG zunächst für 324 v. a. medizinisch-naturphilosophische Handschriften inhaltliche Erschließungsdaten in Manuscripta Mediaevalia vervollständigt und mit Normdaten versehen. Als Eigenleistung wurde die Forschungsdokumentation mit über 3.000 Titeln im OPAC der Unibibliothek Erfurt aufgebaut. Das anhaltend starke Interesse der Wissenschaft an der Sammlung sowie bedeutende Funde aus jüngster Zeit (z. B. unbekannte Texte des Kirchenvaters Augustinus) machen es unabdingbar, die „Amploniana“ nun nach den Maßstäben des 21. Jahrhunderts, also durch vollständige Digitalisierung und eine wissenschaftliche Tiefenerschließung, zu bearbeiten.

In dem nun von der DFG geförderten Projekt sollen 317 der Handschriften mit verbesserter und elektronisch aufbereiteter Texterschließung durch die Universitätsbibliothek Erfurt digitalisiert und über ein von der ThULB Jena zu entwickelndes „Amploniana-Portal“ zugänglich gemacht werden. Von hier aus stehen die Digitalisate und Metadaten für die Einbindung in ein neues, in der Entwicklung befindliches Handschriftenportal, bereit. Die Ergebnisse der Tiefenerschließung werden der Forschung über Manuscripta Mediaevalia kontinuierlich bereitgestellt und fließen später ebenfalls ins Handschriftenportal ein. Die Tiefenerschließung bezieht sich dabei auf 118 überwiegend medizinische Handschriften aus dem Digitalisierungsbestand. Sie stammen aus der Schenkung des Amplonius und deren nächstem Umfeld. Die Katalogisierungsarbeiten sollen nach den DFG-Richtlinien unter Leitung des Handschriftenzentrums Leipzig verteilt in Erfurt und Leipzig erfolgen. Auf diese Weise wird es auch möglich sein, die nötige Expertise für eine wissenschaftliche Tiefenerschließung von Handschriften an der Universitätsbibliothek aufzubauen. Zudem ist das Projekt, das von der Landeshauptstadt unterstützt wird, noch unter einem anderen Aspekt wegweisend: Als Gemeinschaftsprojekt dreier Einrichtungen unterstreicht es, was Kooperation ermöglicht und wie sinnstiftend Einrichtungen gemeinsam mehr erreichen können.