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Impfquoten steigern: Strategien jenseits der Impfplicht

Impfpflichten stoßen weltweit auf heftige Diskussionen, sind aber nur eine von vielen Möglichkeiten, Impfquoten zu steigern. Ein internationales Forschungsteam um Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt und Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitskommunikation am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg, zeigt jetzt in einer Übersichtsstudie im Fachmagazin Nature Reviews Psychology, welche Maßnahmen Impfpflichten ergänzen oder ersetzen könnten. Die Autor*innen bewerten sowohl die Wirksamkeit als auch die ethischen und psychologischen Auswirkungen von Impfpflichten und präsentieren eine Reihe von Alternativen, die die Impfbereitschaft fördern und die Autonomie der Bevölkerung respektieren können.

Die Ergebnisse des Review-Artikels basieren auf einer umfassenden Analyse der aktuellen Forschungsliteratur zu Impfpflichten und alternativen Ansätzen, um die Impfbereitschaft zu fördern. Das Autorenteam hat Daten aus internationalen Studien zusammengetragen, die den Erfolg und die Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen in verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten beleuchten. Dabei berücksichtigte es sowohl psychologische Experimente und Umfragen als auch systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen. Zudem zogen die Forschenden psychologische Theorien und Modelle heran, wie die Reaktanztheorie und das 5C-Modell, um die kognitiven und emotionalen Mechanismen hinter der Impfzurückhaltung besser zu verstehen. Durch diese Kombination von empirischen Daten und theoretischen Ansätzen bietet die Studie fundierte Empfehlungen, die auf solider wissenschaftlicher Evidenz beruhen und in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wirksam sein könnten.

„Impfpflichten können zwar die Impfquote erhöhen, sie sind aber eine sehr weitreichende Maßnahme und stoßen oft auf Ablehnung. Dies kann zu weniger Akzeptanz und potenziell negativen Reaktionen führen“, sagt Cornelia Betsch. „Es gibt gute Alternativen, die die Impfbereitschaft fördern können, indem sie die psychologischen Gründe für Impfzurückhaltung aufgreifen und die persönliche Entscheidung respektieren.“ Zentraler Bestandteil der vorgeschlagenen Alternativen sind Maßnahmen, die gezielt auf die psychologischen Mechanismen der Impfzurückhaltung wirken. Denn viele Menschen hegen Ängste oder Vorbehalte, die durch gezielte Aufklärung und individuell abgestimmte Beratung gemindert werden können. Psychologische Modelle wie das sogenannte 5C-Modell (Vertrauen, kollektive Verantwortung, Sorglosigkeit, Komfort und Kalkulation) bieten wichtige Erkenntnisse, um Impfverweigerung zu reduzieren. Ein Beispiel dafür sind „Empathische Interviews“, bei denen Ärztinnen und Ärzte gezielt auf die Beweggründe und Sorgen von Impfskeptikern eingehen, um die Motivation zu stärken und eine informierte Entscheidung zu fördern.

Finanzielle Anreize stellen eine weitere mögliche Ergänzung zu Impfpflichten dar. Diese Anreize, wie direkte Zahlungen oder Lotterien, verbessern die individuelle Kosten-Nutzen-Abwägung und haben sich in Studien als wirksames Mittel erwiesen, um Impfquoten zu steigern. Solche Anreize sollten jedoch sensibel eingesetzt werden, um ethische Bedenken zu berücksichtigen. Denn Personen mit geringerem Einkommen könnten sich möglicherweise durch finanzielle Vorteile unter Druck gesetzt fühlen.

Für die ärztliche Praxis und politische Entscheidungsträger*innen ergeben sich aus der Studie klare Empfehlungen: So sollten Ärztinnen und Ärzte möglichst empathisch auf Impfzweifel eingehen und auf die verschiedenen sozialen, kognitiven und emotionalen Aspekte reagieren, die zur Impfskepsis beitragen. Entscheidungsträger*innen sollten erwägen, weniger restriktive Alternativen in ihre Maßnahmenkataloge zu integrieren, die wissenschaftlich fundierte Ansätze zur Förderung der Impfbereitschaft enthalten. Philipp Schmid, Professor an der Radboud Universiteit in den Niederlanden und ebenfalls Mitglied von Cornelia Betschs Arbeitsgruppe am BNITM, resümiert als Erstautor der Studie: „Der vorgestellte Werkzeugkasten bietet zahlreiche Interventionsmöglichkeiten, die flexibel an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst werden können – eine wesentliche Voraussetzung, um nachhaltig hohe Impfquoten zu erzielen und langfristig das Vertrauen in Gesundheitsmaßnahmen zu stärken.“

Weitere Informationen / Kontakt:

Inhaberin der Professur für Gesundheitskommunikation
(Philosophische Fakultät)
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