Mitteldeutsches Althistorikertreffen in Erfurt

Es ist eine Tagungsreihe mit langer Tradition – das „Mitteldeutsche Althistorikertreffen“. Einmal im Semester finden sich dazu die Angehörigen der althistorischen Lehrstühle und Professuren von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen, um aktuelle Projekte vorzustellen und über Entwicklungen im Fachbereich zu diskutieren. Und so hatte jetzt Prof. Dr. Kai Brodersen nach Erfurt eingeladen, die Organisation der Veranstaltung übernahm das neu gegründete Nachwuchsnetzwerk „Polytropon – Erfurter Netzwerk Antike“.

Der Einladung in den Betsaal der Kleinen Synagoge nahe der Erfurter Krämerbrücke folgten mehr als 40 Gäste aus Chemnitz, Dresden, Halle, Jena, Leipzig und Magdeburg, aber auch aus Erlangen und Potsdam, darunter Studierende, Promovierende, Postdocs, Professoren und Emeriti. Dr. Daniel Albrecht hieß die Gäste willkommen und erinnerte bei dieser Gelegenheit auch an den im September 2016 unerwartet verstorbenen Prof. Dr. Veit Rosenberger, der sich stets für die Tagungsreihe engagiert hatte.

In kurzen Vorträgen stellten im Anschluss drei junge Wissenschaftler der Philosophischen Fakultät und des Max-Weber-Kollegs einen Querschnitt aus aktuellen althistorischen Forschungsprojekten der Universität Erfurt vor. Lucas Rischkau sprach über „Tendenzen der Gewaltdarstellung bei Tacitus“. Am Beispiel des römischen Historikers zeigte er, dass die Darstellung von Kaisern als Gewalttätern dazu diente, politische Kritik zu üben und zugleich die Grenzen legaler kaiserlicher Gewaltanwendung auf literarischer Ebene auszuloten. Im nächsten Vortrag referierte Dr. Cordula Bachmann über „Die Historizität der Sklavenfiguren in der griechischen Komödie“. Dabei entwarf sie ein methodologisches Fundament, um die griechische Komödie als Quelle für die Erforschung der antiken Sklaverei nutzbar zu machen. Abschließend analysierte Janico Albrecht unter dem Titel „Religio imperatoris und religio urbis in der späten Republik und der frühen Kaiserzeit“ die Spielräume römischer Feldherren bei der Inszenierung religiöser Rituale. Allen Beiträgen folgten anregende Diskussionen.

Es folgte eine Führung durch die mittelalterliche Mikwe unterhalb der Krämerbrücke, bevor die Konferenz mit einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Alte Geschichte(n?) in Mitteldeutschland – Perspektiven in Forschung, Lehre und Gesellschaft“ fortgesetzt wurde. Maria Kietz (Erlangen/Dresden), Jun.-Prof. Marian Nebelin (Potsdam/Chemnitz) und Otto Ritter (Erfurt) diskutierten mit dem Publikum über mögliche Zukunftsperspektiven des Faches Alte Geschichte. Die Beteiligten waren sich dabei einig, dass die Antike in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend marginalisiert werde und die Existenz eigenständiger Fachbereiche unmittelbar von der Relevanz für die Lehrpläne der Länder sowie von Drittmittelerfolgen abhänge. In Reaktion auf diese Problematik kristallisierten sich im Gespräch vor allem drei Handlungsoptionen heraus: die stärkere Vernetzung mit anderen Disziplinen und deren Studiengängen, um die althistorische Forschung einem breiteren Kreis von Studierenden nahe zu bringen und ggf. interdisziplinär Drittmittel einzuwerben; mehr Aufmerksamkeit für die Konzeption der Lehrerausbildung, um durch selbige Lehrkräfte das Interesse an der Antike in die Schulen zu tragen; den Gegenwartsbezug der althistorischen Forschung öfter in der Öffentlichkeit zu kommunizieren, denn das Studium der Antike fördere Schlüsselkompetenzen wie das kritische Denken und Argumentieren sowie ein Verständnis fremder Kulturen. Zudem könne sich die Alte Geschichte konstruktiv in aktuelle Debatten einbringen, etwa in der Frage gemeinsamer europäischer Identifikationspunkte. Die Diskussion verlief lebhaft, sodass zuletzt von Erfurter Seite angeregt wurde, das Gespräch beim kommenden Treffen in Jena fortzuführen.

(Bericht: Benjamin Sippel)