| Forschung, Forschungszentrum Gotha

Neue Publikation über den deutsch-französischen Austausch gelehrten Wissens

Die in der Schweiz lehrende Historikerin Claire Gantet und Markus Meumann, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Forschungszentrums Gotha der Uni Erfurt, haben eine neue Publikation über den Austausch gelehrten Wissens vorgelegt.

Nicht nur Friedrich II. von Preußen oder die Gothaer Herzogin Luise Dorothea waren von der französischen Philosophie fasziniert und luden deren prominentesten Vertreter Voltaire an ihre Höfe ein. Auch unter deutschsprachigen Gelehrten und Literaten des 18. Jahrhunderts besaß der Austausch mit Frankreich bzw. der französischsprachigen Welt herausgehobene Bedeutung. Zwar waren die Netzwerke der europäischen Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit grundsätzlich übernational. In dem Maße, wie das Lateinische seine Bedeutung als lingua franca der res publica literaria einbüßte und andere Sprachen an seine Stelle traten, gewannen jedoch national-sprachliche Formen der Wissensorganisation und -vermittlung zunehmend Einfluss auf die Produktion und den Austausch gelehrten Wissens, wobei das Französische vorübergehend eine hegemoniale Rolle spielte.

Der nun von Claire Gantet und Markus Meumann herausgegebene Band untersucht diesen deutsch-französische Austausch, indem er das von Michel Espagne und Michael Werner vor 30 Jahren etablierte Konzept des Kulturtransfers erstmals systematisch am Beispiel des Austauschs gelehrten Wissens zwischen der französischsprachigen und der deutschsprachigen Sphäre erprobt und in kritischer Reflexion und Weiterentwicklung für die Gegebenheiten des frühneuzeitlichen Europa adaptiert. Nicht Staaten oder Nationen bilden somit den Bezugsrahmen der Analyse, sondern Sprachräume; besonderes Augenmerk gilt daher neben Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation den Niederlanden und der Schweiz als Räumen der Begegnung und des Austauschs zwischen „deutscher“ und „französischer“ Wissensproduktion. Die insgesamt 16 Fallstudien widmen sich dementsprechend Räumen und Vermittlern des Austauschs wie dem zeitweise in Göttingen lehrenden Schweizer Mediziner und Naturforscher Albrecht von Haller, der komplexen Rolle von Sprache und Intertextualität, der zunehmenden Bedeutung von Wissenschaftspolitik und (nationalen) Institutionen für die Wissensproduktion und schließlich der Zirkulation klandestiner bzw. verbotener Texte sowie dem Einfluss geheimer und esoterischer Netzwerke auf den Austausch zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Wissenskultur im 18. Jahrhundert.