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„COVID-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO): Ergebnisse der 5. Befragungswelle

Unter der Leitung von Prof. Dr. Cornelia Betsch, Heisenberg-Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, betreibt das Robert-Koch-Institut gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern derzeit ein „COVID-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO). Das Konsortium ermittelt einmal pro Woche in einer Online-Live-Umfrage, wie Menschen subjektiv die Risiken des COVID-19-Virus wahrnehmen, welche Gegenmaßnahmen bekannt sind, welche davon bereits angewandt oder abgelehnt werden. Ziel dieses Projektes ist es, einen wiederholten Einblick in die „psychologische Lage“ der Bevölkerung zu erhalten. Dies soll es erleichtern, Kommunikationsmaßnahmen und die Berichterstattung so auszurichten, um der Bevölkerung korrektes, hilfreiches Wissen anzubieten und Falschinformationen und Aktionismus vorzubeugen.

Corona-Virus
Corona-Virus

Neue Befunde aus dem Monitoring wurden heute veröffentlicht. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher ziehen daraus folgende Schlüsse:

• Seit Anfang März ist die emotionale Besorgtheit, Risikowahrnehmung und Dominanz des Themas deutlich und kontinuierlich gestiegen; in den vergagenen drei Wochen ist das Niveau jedoch relativ stabil geblieben.
• Das Vertrauen in Behörden und das Gesundheitssystem ist weiter hoch, das Robert-Koch-Institut genießt nach wie vor absolut höchstes Vertrauen.
• Die ergriffenen Maßnahmen werden gut akzeptiert, die Zustimmung für noch restriktivere Maßnahmen wie Ausrufung des Katastrophenfalls ist jedoch im Vergleich zur Vorwoche leicht gesunken.
• Immer noch gibt es eine Kluft zwischen Wissen und Handeln. Nach wie vor bleiben kranke Menschen selten zu Hause, bei COVID-19 Symptomen erfolgt häufig keine Selbst-Quarantäne. Der Zusammenhang zwischen Wissen und Verhalten ist bei den Vorschriften größer als bei den freiwilligen Schutzmaßnahmen, aber besonders bei der Einschränkung nicht notwendiger Kontakte und Wege zu gering.
• Vereinzelt geben Personen an, dass sie Maßnahmen ergreifen (z.B. nicht an privaten Feiern teilnehmen), diese aber keine vorgeschriebenen Maßnahmen sind. Diese Unterschiede könnten darauf hinweisen, dass noch klarer gemacht werden muss, welches die zentralen Verhaltensregeln sind. Einheitliche Regelungen und Sanktionen können dabei helfen.
• Das Wissen um eine Immunität nach der Erkrankung ist gestiegen, neues Wissen (z.B. über neue Symptome wie vorübergehenden Geschmacks- und Geruchsverlust) wird schnell aufgenommen.
• Wirtschaftliche und gesellschaftsbezogene Sorgen sind derzeit größer als die Sorgen, jemanden zu verlieren. Diese steigt jedoch langsam.
• Ältere nehmen immer noch eine geringere Erkrankungswahrscheinlichkeit wahr, fühlen sich psychisch widerstandsfähiger, weniger belastet und weniger einsam als Jüngere.
• Jüngere leider an Situation stärker als Ältere und denken eher, dass andere sich nicht an die öffentlich verordneten Maßnahmen halten. Wer denkt, dass sich andere nicht an Schutzmaßnahmen halten, hält sich selbst auch eher nicht daran.
• Familien mit Kindern stehen mit Blick auf das familiäre Klima vor besonderen Herausforderungen.
• Exit-Strategien: 52% der Befragten sind für eine Verlängerung der Maßnahmen nach dem 19. April. Zielgruppenspezifische Lockerungen sind derzeit noch nicht gut akzeptiert, insbesondere von betroffenen Zielgruppen (z.B. Ältere oder Großstädter, für die einschränkende Maßnahmen möglicherweise länger gelten könnten).
• Eine freiwillige, datenschutzkonforme Tracing-App sowie die daraus folgenden Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionsketten in Deutschland (häusliche Quarantäne von Kontaktpersonen) werden akzeptiert.

Daraus ergeben sich für die Wissenschaftler*innen folgende Empfehlungen:
• Die WHO empfiehlt, viel zu testen, Kontaktketten zu identifizieren, Erkrankte zu isolieren und Kontaktpersonen in häusliche Quarantäne zu schicken. Die Befragung ergab eine gute erste Akzeptanz einer Tracing-App, die potenziell Infizierte schnell informiert. Auch verstärktem Testen und häuslicher Quarantäne von Personen, die mit Infizierten Kontakt hatten, wird stark zugestimmt. Es sollte erwogen werden, die App in eine Gesamtstrategie einzubinden.
• Große Teile der Bevölkerung sind bereit, Masken in der Öffentlichkeit zu tragen. Hierbei sollte jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass diese eine eigene Ansteckung nicht verhindern können.
• Zielgruppenspezifische Lösungen, die Regeln für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen aufheben, sind derzeit nicht sehr gut akzeptiert, vor allem von den betroffenen Bevölkerungsgruppen. Sollten zielgruppenspezifischen Lockerungen der Maßnahmen geplant werden, sollten frühzeitig umfassende kommunikative Maßnahmen ergriffen werden.
• Hinweise und einfach zugängliche Angebote zur psychologischen Krisenbewältigung über Kanäle, die vor allem von jungen Menschen genutzt werden, sind dringend geboten. Diese sind v.a. öffentlich-rechtliches Fernsehen, Webseiten der Gesundheitsbehörden und soziale Medien sowie Suchmaschinen. Die Angebote sollten also besonders gut in Suchmaschinen zu finden sein, z.B. durch Werbeanzeigen. Telefonische Beratungsangebote könnten geeignet sein, um insbesondere Menschen, die mit dem Corona-Virus infiziert sind und somit in der Regel in Quarantäne sein dürften, zu unterstützen.
• Die Maßnahmen sollten immer stark mit Bezug auf den Einzelnen kommuniziert werden – was bedeutet physische Distanzierung, Schulschließung, der Katastrophenfall für mich? Einfache Daumenregeln sollten kommuniziert werden: z.B. 1,50 Meter – wie viel ist das? Das hilft bei der Umsetzung.
• Soziale Normen sollten kommuniziert werden und Verstöße gegen die verordneten Maßnahmen sanktioniert werden, es ist wichtig zu wissen, dass andere sich auch an die Regeln halten.
• Es muss noch deutlicher werden: bei COVID-19 Symptomen in Selbst-Quarantäne! Wer krank ist, muss zu Hause bleiben!
• Während der Corona-Pandemie sind Gemeinschaft und Solidarität existenziell. Es ist weiterhin wichtig und notwendig, an die Solidarität zu appellieren und so das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und gegenseitiger Hilfsbereitschaft, über allen Menschengruppen hinweg, zu stärken.

Weitere Informationen / Kontakt:
Prof. Dr. Cornelia Betsch
cornelia.betsch@uni-erfurt.de