Herr Dr. Priyadharma, wie fühlt es sich an für Sie, an Ihren früheren Studienort zurückkehren und was waren die Beweggründe?
Es ist ein tolles Gefühl! Meine Familie und ich haben uns danach gesehnt, wieder nach Erfurt zu kommen. Dafür gibt es viele Gründe – persönliche und berufliche. Ich habe hier seinerzeit meinen Master in Kommunikationswissenschaft gemacht und wurde auch an der Uni Erfurt promoviert. Beide Arbeiten hat damals Prof. Kai Hafez betreut, den ich sehr schätze (wir haben sogar unseren Sohn nach ihm benannt). Seine Einladung an mich, Gastwissenschaftlerin an seiner Professur zu werden, ist für mich eine Ehre. Ich betrachte sie sowohl als Herausforderung als auch als Kompliment und Anerkennung meiner Fachkenntnisse. Beruflich ist es zudem eine Gelegenheit, mehr internationale Erfahrungen zu sammeln, insbesondere in der Lehre, und meine wissenschaftliche Kompetenz durch den Austausch mit internationalen Studierenden und Kolleg*innen zu erweitern. Für mich persönlich ist es natürlich auch ein emotionales „Comeback“. Meine Familie und ich betrachten Erfurt immer als unsere zweite Heimat. Unsere zweite Tochter wurde hier geboren und ihre große Schwester besuchte schon den Erfurter Campus-Kindergarten. Das ist eine ihrer ersten Erinnerungen als Kind. Jeder von uns hat Erfurter Freunde, mit denen wir immer in Kontakt geblieben sind. Da ist es natürlich schön, sie wieder zu treffen und vor allem für den „kleinen“ Kai, den „großen“ Kai (Hafez) endlich einmal persönlich kennenzulernen. Ich muss immer lächeln, wenn ich mich daran erinnere. Für mich ist es wichtig, dass meine Familie ein Leben kennenlernt, das sich kulturell von unserem Heimatland unterscheidet. Ich hoffe, dass dies ihre Sensibilität für andere Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund schärft und ihren Horizont erweitert. In unserem Haus in Indonesien haben wir eine ziemlich große Erfurt-Karte an die Wand gehängt, in der Hoffnung, dass wir eines Tages in diese Stadt zurückkehren werden. Wir sind dankbar, dass es nun endlich soweit ist.
Wie kam es eigentlich damals zu der Entscheidung, an der Universität Erfurt zu studieren?
Ich habe meinen Bachelor in Kommunikationswissenschaften an der Padjadjaran Universität (UNPAD) in Indonesien gemacht, die jetzt meine Heimatuniversität ist, weil ich dort als Dozent angestellt bin. Danach wollte ich einen Master-Abschluss in demselben Fach machen. Nach einem Jahr Au Pair in Scheeßel, einer Stadt in Niedersachsen, suchte ich auf der Website des DAAD nach Informationen. Das Ergebnis war eine Liste von Universitäten, die einen Master-Studiengang in Medien- und Kommunikationswissenschaft anbieten. Die Universität Erfurt war eine der Möglichkeiten, die in diesem Bereich auf den vorderen Plätzen zu finden war. Ich bewarb mich sofort und erhielt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bei Professor Hafez. Er war einer meiner ersten Ansprechpartner an der Universität – neben dem Internationalen Büro. Mein erster Eindruck von der Universität und der Stadt war positiv; die freundliche Atmosphäre gefiehl mir und die Größe der Stadt, denn ich persönlich mag Großstädte zum Leben nicht wirklich. Nach dem Zulassungsverfahren, das auch einen Deutschtest beinhaltete, ging es dann los. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch zwei andere Angebote, von der Universität Bremen und Bielefeld. Aber ich habe mich für Erfurt entschieden, nicht nur, weil die Uni so schnell reagiert und mich nach Erfurt eingeladen hat, sondern auch, weil der Studiengang Medien- und Kommunikationswissenschaften so strukturiert ist, dass er sich mehr auf die Forschung konzentriert und das war genau das, was ich machen wollte.
Seit Ihrem Studium ist nun einige Zeit vergangen. Was haben Sie in den vergangenen Jahren gemacht und welche Stationen lagen auf Ihrem Weg?
Nach meinem Master-Abschluss ging ich Anfang 2009 zurück nach Indonesien und begann ein mehrmonatiges Praktikum im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung Jakarta. Direkt danach begann ich meine akademische Laufbahn an der UNPAD in Bandung, die bis heute andauert. 2013 entschied ich mich für eine Promotion und kam zum zweiten Mal nach Erfurt zurück. Während meiner Promotion ist es uns gelungen, eine Kooperation zwischen der UNPAD und der Uni-Erfurt aufzubauen. Daraus ist ein dreijähriges Projekt entstanden, in dem der Austausch von Studierenden und Dozent*innen, gemeinsamen Forschungsarbeiten, Seminarreihen, Kursen und Workshops sowie Exkursionen in Deutschland und Indonesien im Mittelpunkt standen. Das Projekt wurde vom DAAD gefördert und schloss 2019 mit einer Buchpublikation ("Media and Transformation in Germany and Indonesia: Asymmetrical Comparisons and Perspectives") und einer von beiden Seiten unterzeichneten Absichtserklärung ab, die eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten beinhaltet. Ich freue mich, dass mit der UNPAD und der Uni Erfurt nun zwei Universitäten, denen ich angehöre, Hochschulpartner sind.
Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer aktuellen Forschung?
Ich setze meine Forschung auch in Erfurt konsequent fort. Zum einen interessiert mich die ländliche Informations- und Kommunikationstechnik bzw. die Digitalisierung mit Blick auf den sozialen Wandel und im Entwicklungskontext. Dazu gehören auch digitale Technologien für oder durch Minderheiten und marginalisierte Gemeinschaften. Dies ist eine Fortsetzung meines Dissertationsprojekts, und zweitens erforsche ich die digitale Transformation, die das Mediensystem und die Praktiken in Indonesien beeinflusst.
Und auf welche Lehrveranstaltungen können sich unsere Studierenden an der Universität Erfurt freuen?
Ich biete in jedem Semester drei Seminare an, zwei davon für Studierende im Master-Studiengang Globale Kommunikation: erstens ein qualitatives Methodenseminar, in dem die Grounded Theory und die Ethnografie-Methoden diskutiert werden, und zweitens ein Seminar im Bereich der Entwicklungskommunikation, in dem wir die Praxis von ICT for Development (ICT4D) im globalen Süden diskutieren (und kritisieren). Außerdem biete ich ein kommunikationswissenschaftliches Seminar für den Bachelor-Studiengang über das Mediensystem in Südostasien an.
Was unterscheidet aus Ihrer Sicht die Universität Bandung von der Universität Erfurt?
Zunächst einmal unterscheiden wir uns in der Größe. An der UNPAD sind mehr als 25.000 Studierende in 16 Fakultäten und einer Graduiertenschule eingeschrieben. Die Fakultät, der ich angehöre, die kommunikationswissenschaftliche Fakultät, hat fast 3000 Studierende. Da nimmt der Unterricht natürlich die meiste Zeit der Dozent*innen in Anspruch. Das multikulturelle Indonesien spiegelt sich auch im Profil der Studierendenschaft wider, die aus verschiedenen indonesischen Provinzen stammen. Auf der einen Seite ist dies ein Versuch, das interkulturelle Verständnis innerhalb des Landes zu verbessern, wobei der Blick nach innen gerichtet ist. Andererseits baut die UNPAD auch mehr internationale Kooperationen mit ausländischen Universitäten auf, um ausländische Studierende für ein Studium zu gewinnen oder UNPAD-Studierende ins Ausland zu schicken, was ihre nach außen gerichtete Internationalisierungspolitik widerspiegelt. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn neben dem Druck der Internationalisierung haben wir immer noch Herausforderungen beim Studium im Verständnis unserer eigenen Leute. Angesichts der enormen territorialen und bevölkerungsmäßigen Ausdehnung ist die „Nationalisierung“ der indonesischen Universitäten im Grunde mit der „Internationalisierung“ oder zumindest der „Regionalisierung“ der europäischen Universitäten vergleichbar.
Die Internationalisierung ist untrennbar mit dem Profil der Universität Erfurt verbunden. Welchen Beitrag können Sie dazu leisten?
Einen perspektivischen! Ich denke, ein wichtiger Aspekt der Internationalisierung ist es, mehr Wissenschaftler*innen mit unterschiedlichen Blickwinkeln, die aus verschiedenen akademischen und kulturellen Hintergründen kommen, in die Lehre zu bringen, um ein Thema zu behandeln, das für so viele Menschen relevant ist, wie zum Beispiel das Mediensystem oder digitale Technologie und Gesellschaft. Und ich kann sicherlich aus meiner indonesischen Perspektive dazu beitragen, dass die Definition der Internationalisierung der Wissenschaft und ihre Praxis nicht von einem einzigen Paradigma dominiert werden. Wir können zum Beispiel von den Kritikern der „Globalisierung“ lernen, die in der Praxis nur der westlichen Gemeinschaft zugutekommt. Wir wollen nicht in die gleiche Falle tappen wie bei der „Internationalisierung“. Andererseits lerne ich so viel aus den Erfahrungen und dem Wissen meiner internationalen Studierenden und Kolleg*innen hier. Ich denke, davon profitieren alle: die Universität Erfurt, ihre Studierenden, die UNPAD und ich selbst.
Worauf freuen Sie sich am meisten während Ihrer Zeit in Erfurt?
Einfach auf alles! Die Stadt, die Menschen, die Kultur, die Umgebung, die Atmosphäre, aber .... nur nicht so sehr auf das Wetter.
Sie befinden sich im News-Bereich unserer Forschungsseiten.
Weitere Meldungen, Pressemitteilungen sowie aktuelle Themen finden Sie auf den "Aktuelles"-Seiten der Universität Erfurt.