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Neue Studie zu medialem Wandel und gesellschaftlichem Zusammenhalt

Spätestens seit dem Erstarken der politischen Rechten ist der gesellschaftliche Zusammenhalt in das Blickfeld der deutschen Politik gerückt. Christal Bürgel, Lina Buttgereit, Samuel Helsper, Lukas Hoffmann, Magdalena Horn, Nick Jochims, René Nissen und Justin Roßdeutscher von der Universität Erfurt haben jetzt unter dem Titel „Medialer Wandel und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ eine neue Studie vorgelegt, die sich mit den Folgen von Veränderungen der gesellschaftlichen Kommunikation in Online- und Offline-Umgebungen für den sozialen Zusammenhalt in Thüringen beschäftigt.

Die groß angelegte empirische Befragung wurde von Prof. Dr. Kai Hafez betreut und von der Mediengruppe Thüringen und dem MDR Thüringen unterstützt. Dies sind die zentralen Ergebnisse:

  • Politische Diskussionsveranstaltungen stärken den Zusammenhalt. Orte der Deliberation bilden Gesellschaft und schaffen Meinungsaustausch, der nicht nur für die Demokratie, sondern auch für die Gesellschaft notwendig ist. Doch auch der Besuch von Veranstaltungen mit Unterhaltungscharakter wie Konzerten ist in der Lage, Menschen einander näherzubringen.
  • Die Affinität zur Nutzung von Onlinemedien hat keinen Einfluss auf das Kohäsionspotenzial. Menschen, die Online-Medien zu ihren wichtigsten Medien zählen, zeigen bezüglich ihres Potenzials zur Kohäsion, also zum sozialen Zusammenhalt, keinen Unterschied zu Menschen, die lieber Offline-Medien nutzen.
  • Deutlich wird jedoch der Unterschied zwischen Facebook-Nutzern und Nutzern anderer sozialer Netzwerke: Facebook-Nutzer schneiden deutlich schlechter ab. Gründe hierfür müssen Inhalt von Folgestudien sein.
  • Das Vertrauen in die Massenmedien tritt als zentrale Kategorie auf. Wer sich in den massenmedialen Diskurs nicht integriert fühlt und die eigene Lebensrealität und seine Meinungen nicht in den Massenmedien repräsentiert sieht, zeigt ein geringeres Kohäsionspotenzial.
  • Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Thüringen ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht besorgniserregend schlecht. Diejenigen Teile der Gesellschaft jedoch, die weder im Gespräch noch auf Veranstaltungen bereit sind, sich mit Menschen auszutauschen, die andere Meinungen vertreten und auch den Massenmedien nicht vertrauen – sich also kommunikativ abschotten – (etwa ein Fünftel der Befragten) zeigen ein deutlich geringeres Kohäsionspotenzial.

Demokratische Gesellschaften sind in der Lage, Polarisierung auszuhalten, solange Räume für Deliberation nicht nur existieren, sondern auch genutzt werden. Diese Räume, so zeigen die Ergebnisse der Studie, werden in Thüringen durchaus von einem Großteil der Bevölkerung in Anspruch genommen. Ein nicht unwesentlicher Teil jedoch nehme jedoch von der Nutzung Abstand und sei in Gefahr, sich auf lange Sicht von der Gesellschaft abzuspalten. Die Gründe für diese Abwendung müssen nun weiter untersucht werden, um zu verhindern, dass diese Gruppen an Größe zunehmen. Gleichzeitig bedarf es laut der Forschergruppe einer Rückbindung dieser Gruppen an den demokratischen Diskurs durch politische und soziokulturelle Akteure.

Christal Bürgel et al.
Medialer Wandel und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Berlin, Verlag Frank & Timme 2019
(Schriftenreihe: Internationale und Interkulturelle Kommunikation, Bd. 14, hrsg. von Prof. Dr. Kai Hafez und Dr. Anne Grüne)
ISBN 978-3-7329-0596-6
29,80 EUR

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