Inklusion: Mehr als nur gemeinsames Lernen

Um das Thema Inklusion ging es am Wochenende bei einem Symposium an der Universität Erfurt.

Die Inklusion hat in den vergangenen Jahren die Gruppenräume in Kindergärten und die Klassenzimmer in den Schulen verändert. Hier lernen und spielen alle Kinder gemeinsam, also auch Kinder mit Behinderungen - Kinder im Rollstuhl, Kinder mit Seh- oder Hörstörungen, Kinder mit Autismus, Kinder mit Down-Syndrom, Kinder, die sehr unruhig sind. Inklusion ist jedoch mehr als das gemeinsame Lernen. Inklusion bedeutet auch, dass jedes Kind zu seinen individuell bestmöglichen Lernergebnissen kommen kann – Inklusion ist der Einklang von Lernen, sozialer Teilhabe, Partizipation und persönlicher Entwicklung. Um Fachkräfte aus Kita, Schule und Therapie kompetent für diese Aufgabe zu machen, hatte das Kompetenzzentrum Inklusion an der Universität Erfurt für vergangenen Samstag zur Teilnahme am 2. Erfurter Symposium für frühkindliche Entwicklungsförderung „Mit allen Sinnen?! – Wahrnehmungsförderung für einen gelungenen Schulstart“ eingeladen. Dieser Einladung folgten rund 250 Teilnehmer aus Kindertagesstätten, Grund- und Förderschulen sowie Therapeuten und Heilpädagogen aus dem Freistaat und darüber hinaus.

„Fähigkeiten und Kompetenzen in der Wahrnehmung sind eine Grundvoraussetzung für das Lernen und die Entwicklung aller Kinder, dabei geht es nicht nur um Hören und Sehen, sondern auch um soziale Wahrnehmung“ erklärt Prof. Dr. Stephan Sallat, als Leiter des Kompetenzzentrums Inklusion der Initiator des Symposiums. Um Entwicklungsrisiken rechtzeitig zu erkennen, sowie drohende oder vorhandene Störungen bereits im Vorschulbereich abzubauen, müssen laut Sallat Fachleute aus Frühpädagogik, Heil- und Sonderpädagogik, Grundschulpädagogik sowie aus Therapie und Medizin noch besser zusammenarbeiten. „Das passiert leider noch viel zu wenig und der Übergang in die Schule ist dabei eine besondere Herausforderung“. Deswegen hatten Sallat und sein Team nun 14 Fachleute aus ganz Deutschland für Vorträge und Workshops eingeladen, die aus ihrer Fachdisziplin heraus Möglichkeiten für Prävention, Diagnostik, Entwicklungsbegleitung, Förderung und Therapie vorstellten.

So verdeutlichte Prof. Johannes Hennies aus Heidelberg, dass Gehörlose neben technischen Hilfsmitteln auch den Einsatz von Gebärdensprache und visuellen Verstärkern durch Eltern, Erzieher und Lehrer benötigen, um gemeinsam mit anderen Kindern die Kita und die Schule besuchen zu können: „Die Früherkennung und fachgerechte Frühförderung ist eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung“. Da am Symposium auch einige gehörlose Fachkräfte teilnahmen und die Vorträge durch Gebärdendolmetscher übersetzt bekamen, wurde den Teillnehmern dieser Bedarf gleich doppelt vor Augen geführt. Diana Stoll und Cedric Steinert vom Kompetenzzentrum für Inklusion in Erfurt machten in ihrem Workshop darauf aufmerksam, dass für das gemeinsame Lernen in Kita und Schule Spiel- und Lernmaterialien individuell angepasst, räumliche Strukturen verändert und je nach Kind verschiedene soziale Unterrichtsformen berücksichtigt werden müssen. Michael Evers, Schulleiter einer Förderschule für Kinder mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung in Bremen sowie zweiter Vorsitzender der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation, stellte in seinem Workshop Möglichkeiten zur Einschätzung kommunikativer Fähigkeiten bei Kindern mit fehlender Lautsprache vor. Dabei müssen kleinste Reaktionen der Kinder, z.B. auch Augenzwinkern und Zucken, beachtet werden, um die richtigen technische Hilfen für die Kommunikation zu finden und dem tatsächlichen kognitiven Entwicklungsstand gerecht zu werden. „Nur weil ein Kind nicht spricht, heißt es nicht, dass es seine Umgebung nicht wahrnimmt. Häufig ist das Gegenteil der Fall“, erläuterte Evers. Auch die weiteren Themen zu basaler Wahrnehmung, musikbasierter Kommunikation, Wahrnehmungsförderung in der Kita, Kinder mit Sehproblemen in der Schule, Kinder- und Jugendpsychiatrische Störungen im Kindes- und Jugendalter zeigten die Bandbreite der Thematik und die Herausforderung für inklusiv arbeitende Kitas und Schulen.

Ziel des Symposiums war es, Fachkräfte kompetent für Inklusion zu machen. Die Teilnehmer schätzten an der Veranstaltung, dass die pädagogischen und therapeutischen Alltagsherausforderungen konkret benannt und mit konkretem Wissen für bestimmte Problematiken verknüpft wurden. Zudem wurde die Notwendigkeit der interdisziplinären Vernetzung und Zusammenarbeit über institutionelle und fachliche Grenzen hinweg aufgezeigt. Jeder Erzieher, Lehrer, Therapeut müsse seine Expertise genau hinterfragen und vorurteilsfrei andere Professionen einbeziehen, um für jedes Kind und sein Umfeld entsprechend seinen Bedürfnissen konkreten Hilfen bereitstellen zu können. Die Organisatoren sind sich einig: Auch im nächsten Jahr wird es wieder ein solches Symposium geben.


Hintergrund:

Das Kompetenzzentrum Inklusion ist Teil des QUALITEACH-Projektes der Universität Erfurt, das im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Jahren 2016 bis 2019 mit insgesamt 3,2 Millionen Euro gefördert wird, um die Ausbildung von Grund- und Regelschullehrern zu verbessern.