Herausgekommen sind eine Ausstellung und ein thematischer Stadtrundgang – die die Studierenden und Dozenten am 13. März erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Unterstützt wird das Projekt von der Initiative „Decolonize Erfurt“ und der Heinrich-Böll-Stiftung.
Die koloniale Vergangenheit Deutschlands spielt im kollektiven Gedächtnis der deutschen Mehrheitsgesellschaft nach wie vor eine nur marginale Rolle – obwohl sich seit mehreren Jahrzehnten verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen darum bemühen, sie ins Zentrum erinnerungspolitischer Diskurse und Praktiken zu rücken. Auch die geschichtswissenschaftliche und gesellschaftstheoretische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus und seinen Folgen betrifft bislang vergleichsweise kleine Forschungsfelder. Im Seminar an der Uni Erfurt beschäftigten sich die Studierenden deshalb einerseits mit jener kolonialen Vergangenheit Deutschlands, aber auch damit, welche ihrer (auch materiellen) Spuren in unserer Gegenwart noch spürbar sind bzw. wie diese nach wie vor von Kolonialität und (neo)kolonialen Kontinuitäten geprägt ist. Darüber hinaus setzten sie sich mit bisherigen akademischen und aktivistischen Aufarbeitungsversuchen auseinander.
„Unter dem Titel ‚Kolonialismus in Erfurt – 1503 bis heute‘ ordnen wir in der Ausstellung und den Stadtrundgängen das Thema zum einen in einen breiteren Kontext ein, zugleich erzählen wir aber auch Geschichten, die unmittelbar mit Erfurt zu tun haben“, sagt Dr. Urs Lindner. „Wir wollen damit eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen, deshalb war es uns wichtig, das Thema leicht verständlich aufzubereiten und im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar zu machen.“ Und wo genau finden sich in Erfurt solche Spuren des Kolonialismus? „Zum Beispiel im Benaryspeicher, wo die sogenannte Südseesammlung von Wilhelm Knappe, seines Zeichens Konsul in Samoa und Kolonialbeamter aus Erfurt, aufbewahrt wird“, weiß Lindner. „Oder am Nettelbeckufer, dessen Namensgeber Handel mit versklavten Menschen betrieben hat.“ Weitere Orte und Namen? Das Burenhaus, der Domplatz, das Haus Dacheröden, die „Mohren-Apotheke“, das Theater, der Gothaer Platz, der Fischmarkt, aber auch der Zoopark. Dazu Konrad Adenauer und der Erfurter Willi Münzenberg, der in den 1920er-Jahren den Antikolonialismus der Kommunistischen Internationale organisierte und dafür eine ‚Liga gegen koloniale Unterdrückung’ gründete. „Wir haben insgesamt 14 Stationen erarbeitet, die das Thema von verschiedenen Seiten beleuchten – jede einzelne findet sich in unserer Ausstellung wieder. Und je nach Interesse des Publikums suchen wir jeweils sechs bis sieben davon für die Stadtrundgänge aus.“
Wer neugierig geworden ist, kann sich unter E-Mail: decolonize.erfurt@gmail.com nach einem Stadtrundgang erkundigen. Der erste startet am 13. März um 15.30 Uhr Ecke Augustinerstr. / Am Hügel. Er führt zum Haus Dacheröden, wo um 18 Uhr die Ausstellung „Kolonialismus in Erfurt – 1503 bis heute“ eröffnet wird, die dort bis zum 11. Mai zu sehen ist, bevor sie ab Mitte Juli in der Gedenkstätte Topf & Söhne in Erfurt gezeigt wird. Darüber hinaus wird es einen Blog geben, der Ausstellung und Stadtrundgang begleiten und um weitere Informationen und Beiträge ergänzen soll. Er ist unter https://decolonizeerfurt.wordpress.com im Internet zu finden. Zur Ausstellungseröffnung sind als Gäste Tahir Della von der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ sowie Jovita dos Santos Pinto geladen, die zur Geschichte Schwarzer Frauen in der Schweiz forscht.